Die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst sind mit einer Kampfansage in die Sondierungsgespräche getreten: Vertragslaufzeit bis zu 4 Jahren, statt Entgelterhöhung lediglich Inflationsausgleich und Einmalzahlung. Schon während der Pandemie haben die Gewerkschaftsführungen – wie bei ver.di mit dem Tarifvertrag Covid19-Kurzarbeit – auf arbeitgeberfreundliche und „kompromissbereite“ Abschlüsse gesetzt. Aber wir wollen keine Nullrunde, keinen Abwehrkampf und keine Endlos-Laufzeit, die die Gewerkschaftsbewegung weiter demobilisiert.

Gerade während einer Krise bringt es nichts, die Verhandlungen hinter dem Vorwand der „Kooperationsbereitschaft“ im Torraum der Beschäftigtenseite zu beginnen. Statt kleinschrittigen Tauziehens brauchen wir eine fundamentale Strategieänderung und einen umfassenden Kampfplan für einen entschlossenen Kampf der Gewerkschaften. Dafür haben wir für die kommende Tarifrunde fünf Vorschläge erarbeitet:

1. Beschäftigungsprogramm

Parallel dazu, dass während Covid19 ein massiver Mangel an Personal zu katastrophalen Zuständen in der öffentlichen Daseinsvorsorge geführt hat, ist die offizielle Arbeitslosenquote im Mai auf über 6 Prozent gestiegen und fast täglich kommen Meldungen über weitere Entlassungen. Wir brauchen keine Diskussion zu Entlassungen und Kurzarbeit im öffentlichen Sektor auf dem Buckel der Kollegen, sondern einen Kampf um einen umfassenden Plan über bundesweite Neueinstellungen im öffentlichen Dienst. Zur Finanzierung müssen die Profiteure der Privatwirtschaft herangezogen werden, deren Gewinne von einfachen Kollegen erarbeitet wurden und nun durch einen öffentlichen Rettungsschirm ins Trockne gebracht werden sollen, beispielsweise durch eine krisenbedingte Abgabe von mindestens 20 Prozent auf die Vermögen der reichsten zehn Prozent, die viele hundert Milliarden in die Staatskassen spülen würde.

2. Arbeitszeitverkürzung

Auch der Arbeitsstress in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes hat sich während Corona weiter verstärkt. Gesellschaftlich gesehen macht es keinen Sinn, dass eine Gruppe von Beschäftigten bis zum Burnout arbeitet, während die Arbeitslosenzahlen wachsen. Ein offensiver und politisch geführter Kampf um die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich könnte branchenübergreifend Millionen mobilisieren, und der anwachsenden Arbeitslosigkeit eine echte Alternative entgegensetzen.

3. Angleichung Ost-West

Nach wie vor sind die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst in Ostdeutschland schlechter als die im Westen. Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt nicht 39 sondern 40 Stunden, der besondere Kündigungsschutz für Kollegen über 40 oder bei einer Betriebszugehörigkeit über 15 Jahren gilt im Osten nicht. Für einen schlagkräftigen gemeinsamen Kampf ist es dringend nötig, dass eine verringerte Arbeitszeit und ein uneingeschränkter Kündigungsschutz über das ganze Bundesgebiet hinweg eingefordert werden, da sonst die Interessen der Kollegen gegeneinander ausgespielt werden können.

4. Ein Betrieb - eine Belegschaft!

In der öffentlichen Daseinsvorsorge wird immer mehr an Private ausgegliedert und auf Leiharbeit gesetzt. Etliche Kitas und Krankenhäuser haben ausgelagerte Servicegesellschaften für Essensvergabe und Reinigung. Und unabhängig davon, dass Leiharbeit im öffentlichen Sektor rein fachlich katastrophale Folgen hat, schwächt eine solche Politik die Belegschaften und trägt zur stetigen Verschlimmerung der Arbeitsbedingungen bei. Kampfkräftige Betriebe brauchen geeinte Belegschaften: auch im öffentlichen Dienst müssen alle ausgelagerten Tätigkeiten reverstaatlicht und in die Stammbelegschaft eingegliedert werden. Leiharbeit gehört restlos abgeschafft!

5. Kämpferische Gewerkschaft

Trotz der anstehenden Tarifrunde wurde die tarifliche Regelung zur Kurzarbeit im öffentlichen Dienst durch die Gewerkschaftsführung ohne jede Rücksprache mit den Kollegen durchgeschoben. Diese Methode führt immer wieder zu Abschlüssen, die weit unter dem Kampfpotenzial der organisierten Beschäftigten zurückbleiben.

Immer mehr Kollegen fragen sich deshalb, was eine Gewerkschaft, die keine Kämpfe führt, mehr ist als eine Rechtsschutzversicherung. Dementsprechend befinden sich auch die Mitgliederzahlen von ver.di im Sinkflug: waren es 2001 noch mehr als 2,8 Millionen Kollegen, lag die Mitgliederzahl von ver.di 2019 bei 1.955.080.

Doch nichts und niemand könnte kämpferische Gewerkschaften ersetzen: Nur sie hätten das Potenzial, Spaltung zu überwinden und Hunderttausende in einen geeinten Kampf zu ziehen. Doch Gewerkschaften, die einen entschlossenen Kampf führen, erreichen wir nur durch einen aktiven Kampf: für mehr Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung der Kollegen und vor allem Mitsprache beim Beschluss von Forderungen und Abschlüssen. Nur auf diesem Weg können wir das Potenzial von Massengewerkschaften ausschöpfen und offensiv kämpfen.

Die Probleme sind die gleichen – der Kampf muss der gleiche sein!

Millionen von uns teilen die gleichen Probleme: ein kaputtgespartes Gesundheitssystem, Kurzarbeit und Deregulierungen, Entlassungen und Klassenkampf von oben. Maximale Kampfkraft für unsere Interessen gewinnen wir, wenn die Gewerkschaften die tariflichen Auseinandersetzungen für einen gemeinsamen politischen Kampf nutzen. Die gegenseitige Solidarität über Branchen und Bevölkerungsgruppen hinweg muss verstärkt und in gemeinsamen Widerstand gegossen werden. Nur so können wir der Offensive der Bosse den Kampf ansagen und unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen von Grund an verändern.

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