Wir veröffentlichen hier den offenen Brief der Abschlussklassen 178-2+, 178-1, 178-3, 178-4, 188-1 II, 188-2 II, Efe 178-1 und Spa 188-3 an der Fachschule für Sozialpädagogik in Hamburg Altona, der im Zuge der Schulschließungen zur Zeit der Coronapandemie veröffentlicht wurde, und an dessen Veröffentlichung und Verbreitung einer unserer Genossen maßgeblich beteiligt war:

Für die Option auf Durchschnittsnoten in der Erzieherausbildung!

Die schrittweise Schulöffnungen der Bundesregierung und der Umgang der Schulbehörde auch in Hamburg gefährdet unser aller Leben. Wir sind auszubildende Erzieherinnen und Erzieher im dritten Jahr der schulischen Ausbildung und die Prüfungen stehen vor der Tür. Seit Wochen fragen wir uns, wie das alles funktionieren soll.

Nun kam wie erwartet ein Brief der Schule: Wir sollen ab dem 27. wieder in die Schule, müssen auf dem Gelände Masken tragen, werden nur in den prüfungsrelevanten Fächern unterrichtet und sollen dann wohl in kleineren Gruppen in den Räumen zusammenkommen. Lassen wir mal kurz das Risiko der Ansteckung auf dem Weg in den öffentlichen Verkehrsmittel und in den Gruppen außen vor, und dass sich auch unter uns einige Angehörige der Risikogruppen finden – obwohl uns ganze Wochen Unterricht fehlen, sollen die Abschlussprüfungen ganz normal abgehalten werden, ganz unabhängig von den individuellen Lebensverhältnissen, in denen wir uns im Lockdown befinden, und ob wir auf Lehrmittel zugreifen können oder nicht. Ebenso wie Schüler von Haupt-, Real- und Abiturjahrgängen sollen wir ein paar Tage in die Schule, um dann wie gewohnt unsere Prüfungen abzulegen.

So wahnsinnig das schon in den Schulen ist, umso unzumutbarer ist es bei uns in der Ausbildung. Wir müssen neben der Ausbildung arbeiten und aufgrund der aktuellen Lage teilweise in Jobs, die gleichzeitig zur regulären Schulzeiten stattfinden. Wir haben Eltern unter uns, die seit Wochen auf ihre Kinder aufpassen, keine Zeit zum Lernen haben und jetzt organisieren sollen, dass ihre Kinder während dieser Zeit betreut werden. Hinzu kommt, dass viele von uns sich um ihre Familie, Verwandte und Freunde kümmern, die zur Risikogruppe gehören.

Heute ist nicht alles beim Alten: viele konnten unter diesen Umständen nur erschwert lernen. Wenn ihr nicht unsere sozialen Umstände, sondern unsere Befähigung, gute Erzieherin und Erzieher zu sein, für unseren Abschluss prüfen wollt, verzichtet auf den Zwang zur Abschlussprüfung!

Auf Abschlussprüfungen zu verzichten und unsere Gesundheit schützen ist möglich, wenn es politisch gewollt wird!

Andere Berufsschulen haben den notwendigen Schluss bereits gezogen – die Berufsschule für Sozialpädagogik in Hameln hat ihre Prüfungen abgesagt und will nach Durchschnittsnoten bewerten – die Zeugnisse können am 1. Juni abgeholt werden. Auch Staaten wie die Niederlande oder Spanien verzichten in der jetzigen Zeit auf Prüfungen, und auch der DGB hat gefordert, dass die Prüfungen nicht abgehalten und auf Grundlage der Durchschnittsnote bewertet wird. Dem schließen wir uns an!

Ihr sagt, dass das alles getan wird um unsere Gesundheit zu schützen? Mit obligatorischen Abschlussprüfungen gefährdet ihr so viele von uns, und tragt dabei kein Stück zu unseren Fähigkeiten bei, unseren Beruf verantwortungsbewusst, motiviert und liebevoll auszuüben.

Wir fordern optionale Prüfungen! Wer jetzt auf der Kippe steht, soll die Möglichkeit bekommen, sich prüfen zu lassen. Allen anderen wird auf Grundlage der bisherigen Durchschnittsnoten das Abschlusszeugnis ausgestellt.

Unsere Ausbildung und unsere Arbeit liegt uns am Herzen – und so bleibt uns keine Möglichkeit, die Prüfungen individuell zu boykottieren. Wir können nur gemeinsam handeln! Der richtige Schritt wäre, mit Unterstützung der ver.di und GEW, unserer Lehrerinnen und Lehrer und vieler anderer Klassen die Prüfungen zu bestreiken und Druck aufzubauen, um jeden Einzelnen von uns zu schützen. Es kann keine Option sein, dass diejenigen, die in der jetzigen Lage nicht teilnehmen oder sich nicht vorbereiten können, im Regen stehen gelassen werden!
Wir sind die Auszubildenden der Abschlussklassen 178-2+, 178-1, 178-3, 178-4, 188-1 II, 188-2 II, Efe 178-1 und Spa 188-3 an der FSP2. Wir richten uns an die Öffentlichkeit, die in den letzten Wochen den Lockdown ebenso wie wir miterlebt haben. Wir richten uns an alle Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir Tag für Tag zusammenarbeiten und die unsere Situation kennen. Wir richten uns an alle Eltern, deren Kinder wir täglich betreuen sollen und für die wir als Erzieher eine wichtige Unterstützung darstellen.

Heute sind wir auf eure Unterstützung angewiesen – bitte verbreitet diesen Brief, zeigt ihn euren Freunden und Kollegen! Wir richten uns an alle Hamburger Abschlussklassen: wir müssen gemeinsam handeln, uns koordinieren und Solidarität untereinander beweisen!

Nur wenn wir zusammenhalten, können wir gewinnen!

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