Öffentlichen Dienst und Krankenhäuser voll ausfinanzieren! Inflationsausgleich reicht nicht! Einjährige Laufzeit erkämpfen!

Wir dokumentieren hier den Text unseres Flugblatts, das wir an die Streikenden im öffentlichen Dienst verteilt haben:

Öffentliche Arbeitgeber stimmen in Kürzungschor der Privatwirtschaft ein.

Die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst haben sich dem O-Ton der Privatwirtschaft angeschlossen: Gewerkschaften schwächen, vertragliche Kurzarbeit durchdrücken,1 Nullrunde einfordern. Im öffentlichen Dienst äußert sich das mit einschlägigen Bemerkungen der Arbeitgeberseite, die eine lange Laufzeit (und damit eine Demobilisierung gewerkschaftlicher Kampfkraft) einfordern, und der Ansage, für mehr als Inflationsausgleich sei in den kommunalen Kassen nichts da. Aus Andeutungen, dass die zusätzliche Belastung durch Covid-19 gesondert honoriert werden soll, wurde schnell
„Ein sicherer Job in der Krise ist Anerkennung genug“.

Ulrich Mägde: Der größte Sparfuchs im öffentlichen Dienst?

„Aufgrund der für die kommunalen Arbeitgeber angespannten Ausgangslage fordern wir die Gewerkschaften zu fairen Verhandlungen auf, die nicht auf dem Rücken der Allgemeinheit ausgetragen werden sollten.“ – so äußert sich Ulrich Mädge, Verhandlungsführer der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber (VKA) und seit 1991 Bürgermeister der Stadt Lüneburg. Doch „Fairness“ schreibt dieser Verhandlungsführer nur groß, wenn es um die Brieftaschen der Kollegen und nicht um seine eigene geht. Mädge selbst sitzt in etlichen Aufsichtsräten wie bei E.ON, Avacon, der Norddeutschen Landesbank, der Gesundheitsholding (die die Lüneburger Stadtregierung im Zuge eines Privatisierungsprogramms 2007 selbst gegründet hat)2, der Sparkasse und der Lüneburger Wohnungsbau GmbH. Fast 10.000 Euro steckt Sparfuchs Mädge jeden Monat neben seinen regulären Einkünften als Verwaltungschef monatlich in die private Tasche.

Wer ist systemrelevant?

Welcher Hohn, wenn Gutverdiener Mägde davon redet, dass Löhne der Kollegen im öffentlichen Dienst nicht auf dem „Rücken der Allgemeinheit“ bezahlt werden dürfen! Was wurde in den vergangenen Monaten wirklich aus den Taschen der Allgemeinheit finanziert? Ein 600-Milliarden-Rettungspaket, das in aller Eile aus öffentlichen Geldern für Großkonzerne geschnürt wurde, ohne jede Kopplung an soziale Standards! Parallel dazu wurde per Dekret die 60-Stunden-Woche ermöglicht und Kurzarbeit im öffentlichen Dienst eingeführt. „Sicher“ und „gerettet“ wurden durch diese Pakete die Profite privater Eigentümer, die trotz Streichungen und Schließungen auf private Konten fließen – nicht aber Arbeitsplätze und Löhne.

Schon als das Rettungspaket der Bundesregierung im März beschlossen wurde, war absehbar, dass es langfristig über Einsparungen der öffentlichen Haushalte und weitere soziale Einschnitte finanziert werden soll. Während allein Lufthansa 9 Milliarden Steuergelder erhalten hat, obwohl die Konzernleitung staatliche Bedingungen an die Hilfsgelder abwehrte und jetzt massiv Stellen streicht, gingen nur 6 Milliarden (!) in einem „Hilfspaket“ an die Kommunen.

Die Bundesregierung hat als Folge der Krise tief in die Tasche gegriffen, um die Gewinne der Investoren zu retten. Nicht aber für die gesellschaftlichen Bereiche, die wir aktuell am nötigsten brauchen: die soziale Versorgung und besonders die Krankenhäuser!

Wo ist das Geld der Kommunen? 

Die fehlenden Hilfen während Corona sind nur die Spitze des Eisbergs was den Geldmangel der Kommunen angeht. Zentrale Ursachen der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen sind:

• Spitzensteuersatz und Unternehmenssteuer sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Hohe Ausgaben des Bundes, u.a. für die Rüstung, sind schwerer zu refinanzieren. Der Bund „stopft“ seine Haushaltslöcher, indem er soziale Ausgaben an die Kommunen abwälzt.

• Den Kommunen wird ein gesetzlicher Sparzwang auferlegt. Gleichzeitig betreiben sie eine neoliberale Politik: Großprojekte, die vor allem den durchführenden Konzernen dienen, werden durch die kommunalen Haushalte finanziert. An dieser Klientelpolitik verdienen nicht zuletzt die Politiker, die die Beschlüsse durchsetzen.

• Um die Negativbilanz dieser Politik aufzufangen, verschulden sich die Kommunen und häufen Altschulden auf. Die verschärfen langfristig die Haushaltskrise zusätzlich.

Krankenhäuser werden kaputtgespart!

Auch hier ist nicht viel übrig von den großen Versprechungen der Arbeitgeber auf Anerkennung. Und diese Politik reiht sich ein in die allgemeine Tendenz zum Privati- sieren und Kaputtsparen des Gesundheitssystems. Während Corona wird deutlich, welch fatale Folgen eine solche Politik für Beschäftigte und die Gesamtbevölkerung hat – selbst in Krankenhäusern gehen zeitweise die Masken ganz aus und die Politik von „flatten the curve“ wird nur betrieben, weil davon ausgegangen wird, dass die Kapazitäten des Gesundheitswesens für eine Pandemie nicht mehr ausreichen. Bis jetzt laufen Tests und gesundheitliche Vorsorge auf einem minimalen Level.

Dem muss durch entschlossene Arbeitskämpfe entgegengetreten werden!

Es ist nicht länger hinzunehmen, dass die Gesundheit von Arbeitern und Armen büßen muss, während Gewinne privater Eigner durch „Rettungspakete“ gesichert und in der öffentlichen Daseinsvorsorge im Namen des Profits privatisiert wird. Was wir brauchen ist eine drastische Lohnerhöhung im Gesundheitssektor, eine tarifliche Personalbemessung in den Krankenhäusern und eine 35-Stunden-Woche mit vollem Lohn- und Personalausgleich im öffentlichen Dienst!

Gewerkschaften in die Offensive!

Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Gerade jetzt, wo Milliarden zur Unternehmensrettung ausgegeben wurden, ist mit sozialen Angriffen nach der Wahl zu rechnen. Wir brauchen deshalb einen gewerkschaftlichen Plan, um der Offensive der Bosse durch entschiedene und eine langfristig koordinierte Gegenwehr entgegenzutreten. Dieser Plan könnte Folgendes enthalten:

Einjährige Laufzeit durchsetzen! 

4,8 Prozent auf ein Jahr sind deutlich mehr als gestaffelt auf zwei Jahre. Noch dazu müssen die Gewerkschaften ihre Kampfkraft für 2021 erhalten. Strategisch ist deshalb die Forderung nach einer einjährigen Laufzeit entscheidend!

Spürbare Verbesserungen die mobilisieren

Dass mittlerweile schon der Mindestlohn erstreikt werden muss, wie bei der Elbkinder Servicegesellschaft EKSG in Hamburg, ist Ausdruck der Defensive der Gewerkschaften und der Zersplitterung der Belegschaften. Niedriglöhne zu erstreiken ist wenig mobilisierend. Wir brauchen wieder Kämpfe um echte, spürbare Verbesserungen: eine drastische Verkürzung der Arbeitszeit (nur bei vollem Lohn- und Personalausgleich!) – mit einer einheitlichen Stundenforderung in Ost und West –, einer besseren Personalbemessung im Krankenhaus und in anderen Branchen und einen entschiedenen Kampf zur vollen Durchsetzung der Forderungen!

Ein Betrieb, eine Belegschaft, ein Tarifvertrag! Kämpfe zusammenführen, Belegschaften einen!

ver.di braucht eine Strategie, um die Kämpfe einzelner Beschäftigtengruppen wie ausgegliederter Bereiche, des öffentlichen Dienstes und der Post, zusammenzuführen um den Druck zu erhöhen. Dazu sollte auch zu gemeinsamen Protesten und Demonstrationen mobilisiert und ein Austausch ermöglicht werden. Noch dazu gehört der Kampf um Wiedereingliederung der ausgegliederten und (teil-)privatisierten Bereiche auf die Tagesordnung! Genauso müssen Privatisierungen verhindert und Rekommunalisierungen erkämpft werden.

Kurz- und Leiharbeit stoppen!

Der Fall Lufthansa beweist: Verzichtsbereitschaft wird vom Arbeitgeber nicht honoriert, sondern ausgenutzt! Kurzarbeit wird genutzt, um die Profite in auftragsschwachen Zeiten zu erhöhen und die Lohnkosten zu drücken. Ihr massiver Ausbau bedeutet Flexibilisierung, Lohndruck und Arbeitsverdichtung und muss beendet werden.

Ebenso ist es unsäglich, dass mittlerweile in etlichen Kitas und Schulen teilweise mehrere Leiharbeitsfirmen gleichzeitig aktiv sind. Leiharbeit gehört genauso zur Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt, untergräbt die Qualität der öffentlichen Vorsorge und gehört rundum abgeschafft!

Wirtschaften für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, nicht für die Profite!

Nach der letzten Krise sind Jahr um Jahr die Unternehmensprofite aufs Neue gestiegen. Doch das Credo von „Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es allen gut“ stimmt nicht: von den absurden Reichtümern der reichsten Prozent ist wenig unten angekommen. Das deutsche Gesundheitswesen ist marode und die Lebenshaltungskosten für Arbeiter und Arme steigen.

Nichts davon hat der freie Markt geregelt, im Gegenteil: im Interesse privater Eigner wurden Krankenhäuser privatisiert, Leistungen gekürzt und auf profitable, statt auf notwendige Wirtschaftsbereiche umgestellt.

Als Marxistinnen und Marxisten kämpfen wir für ein Ende des Wirtschaftens für den Profit und für eine Welt, in der für bessere Lebensbedingungen für Alle gearbeitet und über die Wirtschaft demokratisch entschieden wird, eine sozialistische Welt.

[1] Am 16. April wurde der Tarifvertrag zur Rege- lung/Ausweitung der Kurzarbeit im öffentlichen Dienst unterschrieben
[2] https://ratsinfo.stadt.lueneburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=569

 

 

 

 

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