Die Corona-Pandemie und die anbrechende Wirtschaftskrise verändern in Deutschland die politische Lage. Die seit der Krise von 2008/9 anhaltende gesellschaftliche Polarisierung hat sich intensiviert. Die Politiker des kapitalistischen Establishments sind sich dieser Entwicklung in einer der Bastionen der „Stabilität“, wie sie Deutschland in den letzten Jahrzehnten war, bewusst und haben einen Propagandakrieg gestartet. Das Kapital setzt in vielen Branchen Stellenstreichungen und massenhaft Kurzarbeit durch.

Wir erleben einen brutalen Angriff der Bosse auf unsere Lebensbedingungen. Doch die Führungen der größten Arbeiterorganisationen in Deutschland, der DGB-Gewerkschaften, haben dazu nicht nur nichts zu sagen – sie machen sich zu schändlichen Komplizen dieser Politik.

Ein Lockdown der Bosse

Die Agenda der Bundesregierung während Corona spricht Bände. Doch das Bemühen, eine „nationale Einheit“ gegen das Virus, das „keine sozialen Unterschiede kennt“ herzustellen – also die Politik, die die Produktion mit nur minimalen Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten weiterlaufen lässt, während Jugendliche in Parks von der Polizei schikaniert werden, weil sie sich mit Freunden treffen – wird von immer mehr Leuten durchschaut.

Unsere Antwort darauf ist nicht, das Corona-Virus zu leugnen (s. S.13). Es ist real und es ist eine Gefahr für die Arbeiterklasse. Aber der Lockdown in Deutschland war ein Lockdown im Interesse der Bosse. Wenn in Göttingen nach einem Corona-Ausbruch hunderte Familien teilweise mit Bauzäunen in winzigen Wohnungen „unter Quarantäne“ gestellt werden und der Staat, anstatt sich um die Versorgung der Betroffenen zu kümmern, mit Polizeihundertschaften anrückt, wird das sehr deutlich.

Gemeinsam kämpfen gegen Rassismus

Eine ganze Generation von Jugendlichen macht nun die Erfahrung, was Repression im bürgerlichen Staat heißt, auch im Zusammenhang mit der weltweiten, antirassistischen Bewegung, ausgelöst durch den Mord an George Floyd (zu den Hintergründen von Rassismus im Kapitalismus s. S. 10f.): Demonstrationen, die aufgrund des „Infektionsschutzes“ mit Wasserwerfern beschossen werden oder tagelange Hetzkampagnen gegen die „Ausschreitungen“ in Stuttgart, ausgelöst durch Polizeischikane.

Doch die LINKE zeigt sich gänzlich unfähig, sich in dieser Situation auf die Seite derer zu stellen, die sie vorgeblich vertreten will. Wo sie sich erst im Bundestag breitwillig hinter die Krisenpolitik der Großen Koalition gestellt hat, lobt ein Politiker wie Dietmar Bartsch jetzt die Arbeit der Polizei in Stuttgart (zur Frage der Regierungsbeteiligung in der LINKEN siehe S. 8f.). Dabei wäre gerade jetzt die Chance, große Teile der Jugendlichen und Beschäftigten zu überzeugen, dass ein Kampf gegen Rassismus sowie die Gesundheits- und Wirtschaftskrise auch ein Kampf gegen den Kapitalismus sein muss!

Nicht auf unserem Rücken!

Die Hauptlast der Krise trägt die Arbeiterklasse. Egal ob gesundheitlich, wie bei Tönnies in Gütersloh und in den elenden Unterkünften der Spargelstecher, die zu Infektionsherden geworden sind, oder wirtschaftlich, mit den Millionen Beschäftigten, für die Kurzarbeit nichts anderes bedeutet als Lohnkürzung.

Schon vor Corona wurden massenweise Stellenstreichungen vorbereitet, wie in der Autoindustrie oder im Handel. Dazu kommen nun Betriebe wie die Lufthansa, die direkt vom Lockdown betroffen sind (siehe S.5). In den letzten Wochen konnten wir die wachsende Frustration und Wut von vielen Kollegen und eine erste Welle von Arbeitskämpfen in verschiedenen Branchen beobachten. Mit der anstehenden Tarifrunde im Öffentlichen Dienst (siehe S.15f.) oder dem kommenden Stellenabbau bei Galeria Karstadt Kaufhof ist es wichtig, die Lehren aus ihnen zu ziehen.

Der unbefristete Streik bei dem Getriebehersteller Voith Turbo im Ostallgäu ist ein starkes Beispiel für die Bereitschaft der Kollegen, für ihre Interessen zu kämpfen. Anlass war die angekündigte Schließung des Werkes in Sonthofen, trotz konstanter Unternehmensgewinne.

Doch die Führung der IG Metall hat sich von Anfang an bemüht, die kämpferische Bereitschaft der Kollegen zu dämpfen und in eine sozialpartnerschaftliche Bahn zu lenken. Anstatt von Anfang an den Erhalt des Werkes zu fordern, beließ es die Gewerkschaft bei Verhandlungen über einen „sozialverträglichen“ Stellenabbau und rief zunächst nur zu einer eintägigen Arbeitsniederlegung auf. Erst nach einer auf Druck der Arbeiter erwirkten Urabstimmung wurde mit 98% unter den Beschäftigten ein unbefristeter Streik durchgesetzt. Auch als die Kollegen mit ihren Streikposten die Zulieferer des Werkes blockierten und die Unternehmensführung ankündigte, juristisch gegen den Streik vorgehen zu wollen, bedauerte die IG Metall noch die Ereignisse und beteuerte ihre Bereitschaft, „an den Verhandlungstisch“ zurückkehren zu wollen. So konnte der Streik schließlich erstickt und die Werksschließung durchgesetzt werden.

Gewerkschaften in die Offensive!

Es ist höchste Zeit für eine gewerkschaftliche Gegenoffensive gegen die Offensive der Bosse! Für den Erhalt jedes Arbeitsplatzes und die 30-Stunden Woche! Weg mit den staatlich bezuschussten Lohnkürzungen und für eine Krisenpolitik im Sinne der Arbeiter und nicht der Vorstände!

Sonthofen zeigt: Die Gewerkschaftsbürokraten und -funktionäre werden alles tun, um eine solche kämpferische Agenda zu verhindern. Doch wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen! Organisieren wir uns in den Gewerkschaften und bewaffnen wir uns mit dem Programm des Marxismus!

Unser Aktionsprogramm zu Coronapandemie und Wirtschaftskrise:

• Verstaatlichung des Gesundheitssektors unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Kollegen. Kostenlosbehandlung aller Patienten. Ausgegliederte Bereiche wie Hygiene oder Essensausgabe wieder eingliedern! Plan zur Einstellung von 160.000 Kolleginnen und Kollegen des medizinischen Personals!

• Freistellung aller Kolleginnen und Kollegen aus Risikogruppen und mit Kindern oder zu betreuenden Senioren bei voller Lohnfortzahlung.

• Nein zu Kurzarbeit und Zeitarbeit! Geplante Werkschließungen oder Stellenstreichungen stoppen Stattdessen: Öffnung der Geschäftsbücher von Großkonzernen und Banken; Dividenden einfrieren und Löhne voll auszahlen!

• Sofortige Annulierung aller Zwangsräumungen, vorübergehende Aussetzung der Zahlung von Miete, Strom, Wasser und Telekommunikationsdiensten für alle bedürftigen Arbeiterfamilien.

• Massive Preissenkung und Deckelung der Preise aller lebenswichtigen Güter.

• Drastische Steuererhöhungen auf Unternehmensprofite und Erbschaften. Spekulationsgewinne enteignen. Freiwerdende Ressourcen zur Ausfinanzierung aller notwendigen Sozialprogramme nutzen!

• Für einen demokratisch erstellten Wirtschaftsplan, der die folgenden Bereiche beinhalten muss: Umstellung von Teilbereichen der Produktion auf lebensnotwendige und medizinische Bereiche. Ausbau des Gesundheits- und Bildungssystems, massives Rentenerhöhungsprogramm, gleichmäßiger Ausbau des Streckennetzes, Nahverkehr öffentlich und umsonst!

• Diktatur des Finanzkapitals brechen: Überführung der Banken und Konzerne der Schlüsselindustrien in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle der einfachen, arbeitenden Bevölkerung.

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