Ich bin 7 und frage Mama, ob ich vom Geld unserer Familie einen Hund kaufen darf. Mama vertröstet mich aufs Abendessen: ich soll dort nochmal Papa fragen, der könnte eine Hundeallergie haben. Ich warte bis sie fort ist, nehme mir 200 Euro aus ihrem Portemonnaie und kaufe den Golden Retriever. Abends sagt Papa, dass er die Haare nicht verträgt und ich den Hund nicht hätte kaufen dürfen. Ich gebe ihn an die Nachbarin ab - das Geld bekommen Mama und Papa nicht zurück. 

Der Fall Andreas Scheuer verlief ähnlich, nur dass Andreas nicht 7 ist sondern 45. Er hat keinen Hund für 200 Euro gekauft, sondern Verträge mit privaten Mautbetreibern abgeschlossen für die nun Schadesersatzforderungen in Höhe von 560 Millionen vorliegen. Nein gesagt hat nicht Papa, sondern der EuGH. 

Und das Geld gehört uns! Denn Scheuer hat auch nicht im Mamas Portemonnaie gegriffen, sondern mit beiden Händen in die Steuerkasse. Was sich da drin befindet, haben wir - die Steuerzahler - erarbeitet und mit jeder Lohnabrechnung brav an den Staat abgedrückt. Und der ist damit umgegangen wie ein paar testosterongebeutelte Teenager im Casino. Nur anders als bei ihnen, war Scheuers Handeln aber kein Versehen, sondern pure Absicht. Dass das Urteil des EuGH so ausfallen würde, war im Vorhinein abzusehen. Fachleute hatten Scheuer gewarnt und ihn aufgefordert, mit der Unterzeichnung zu warten - er schlug alle Vorsicht in den Wind und setzte auf Schwarz, obwohl die Bank ihm zuvor verraten hatte, dass die Kugel auf Rot fällt. Ein Versehen? Unwahrscheinlich. Schließlich sind die großen Geldtöpfe des Verkehrsministeriums seit langem ein gefundenes Fressen für die Klientelpolitik der bürgerlichen Parteien.

Profitieren würden davon in diesem Fall die CTS Eventim AG (ganz richtig, der Ticketvertreiber für Konzerte und Musicals, an dem unter anderem Blackrock mit Aktien beteiligt ist), die autoTicket GmbH und die Kapsch TrafficCom AG. Was wie namenlose Konzerne klingt, sind in Wirklichkeit quicklebendige Personen. So hielt bis 2015 Klaus-Peter Schulenberg 50,202 Prozent der Aktien an Eventim. 2015 übertrug er seine Anteile auf seine Stiftung KPS, 2017 nutzte er den Kursanstieg der Aktien, stieß über Nacht 6,72 Millionen davon zugunsten von anderen Spekulationen ab und hält heute nur noch etwas über 43 Prozent. Wegen der günstigen Entwicklung des eventim-Aktienkurses erreichte Schulenbergs Privatvermögen 2013 erstmalig einen Wert von über einer Milliarde Dollar.
Und vielleicht konnte auch Andreas Scheuer in vergangenen Monaten etwas für Schulenbergs Brieftasche tun. Und das nicht nur auf offiziellem Weg, sondern auch in mehreren Geheimtreffen die es zwischen ihm und den Chefs der oben genannten Konzerne bisher gab.

Das Geld, das Scheuer dafür auf den Tisch legt, sind die Euros, die bei uns jeden Tag bei der Sanierung maroder Schulen, alter Straßen, in Deutschlands Krankenhäusern und Altenpflege, in unseren Kindergärten und in der Lohntüte fehlen. Und obwohl das Geld uns gehört, dürfen wir nicht erfahren, was damit genau passiert ist. So haben Scheuers Beamte nach Bekanntwerden der Maut-Affäre etliche Dokumente aus dem Bundestag abtransportiert - 90 Dokumente sind nun als vertraulich eingestuft. Und wer nimmt ihn in Schutz? Ausgerechnet die Kollegen von der SPD, die betonen, dass auch für Scheuer erstmal die Unschuldsvermutung gelten müsse.

Und zuguter Letzt: was hatte Scheuer mit der Vergabe der Mautverträge eigentlich vor? Die geplante Pkw-Maut bezog sich auf Fahrzeuge der EG-Fahrzeugklasse M und M1G. Sie sollte also normale Leute treffen, nur eben keine Inländer. Für sie sollte die Maut über eine Senkung der Kfz-Steuer ausgeglichen werden.

Die Straßen gehören uns!

Eine solche Maßnahme lehnen wir ab! Zwar wären Inländer von der Pkw-Maut - anders als alle anderen, was auch der Grund ist, warum der EuGH die Maut kassiert hat - erstmal nicht betroffen gewesen. Aber die Einführung einer PKW-Maut ist nur ein weiterer Schritt hin zur Privatisierung der Autobahnen. Fährt man in manch anderen Ländern über die Autobahn, so kommt man schonmal an einer Mautstelle vorbei, an der auch der private Anbieter des kommenden Straßenabschnitts ausgeschildert wird. Bereist man beispielsweise die Schweiz, sind manche Orte ohne nicht unerhebliche Summen für den entsprechenden Streckenanschnitt oder das entsprechende Verkehrsmittel kaum mehr zu erreichen.

Kapitalistische Konzerne sind auf der Jagd nach Profiten - und schrecken dabei nicht davor zurück, alles zu privatisieren, was ihnen in den Sinn kommt. Seien es die Straßen und der Zugang zu manchen Orten unserer Welt - unseres eigenen Landes - unsere Fähigkeit uns in unserem Lebensraum fortzubewegen, seien es das Wasser, unsere Gesundheit oder in manchen Ländern mittlerweile sogar unverschmutzte Luft. Alles, woran man ein Preisschild hängen kann, soll privatisiert werden. Reich werden daran Leute wie Klaus-Peter Schulenberg und vermutlich auch Andreas Scheuer.
Aber diese Welt gehört uns. Sie gehört denen, die sie erbaut haben und Tag für Tag am Leben halten. Wir wollen keine Welt, in der sich die Krankenpflegerin den eigenen Krankenhausaufenthalt nicht mehr leisten kann, in der der Straßenbauer seine Straße nicht mehr befahren und der Industriemechaniker sich sein Bahnticket nicht mehr leisten kann.
Andreas Scheuer und andere haben einmal mehr bewiesen, dass sie nichts anderes sind als die Marionetten und geifernden Handlanger der Banken und Konzerne. Wir fordern seinen Rücktritt. Aber wir glauben nicht, dass ein Rücktritt von Scheuer allein an der Funktionsweise dieser politischen Ordnung etwas ändern wird. Ein Rücktritt von Scheuer kann nur der erste Schritt sein hin zu einer Politik, die ganz anders ist als das, wofür auch Scheuers Kollegen von CDU/CSU, SPD und Grünen stehen.

Für Arbeiterdemokratie!

Wir wollen eine Politik im Interesse der arbeitenden Bevölkerung, die durch und durch demokratisch ist und durch die Hände der einfachen Bevölkerung ausgeführt wird. Was wir wollen ist eine sozialistische Gesellschaft, in der die Bevölkerung von unten in Betrieben, Nachbarschaften und Schulen Räte wählt, die nicht mehr verdienen als einen Arbeiterlohn und jederzeit abwählbar sind. Verschlusssache bei der Ausgabe von Millionensummen unserer Gelder - so etwas kann es in einer demokratischen Gesellschaft nicht geben!

Wir wollen:
- JA zum sofortigen Rücktritt von Andreas Scheuer!
- Umgehende Offenlegung aller Dokumente zur Mautaffäre für die breite Bevölkerung!
- NEIN zur Privatisierung des Personenverkehrs! Bus- und Bahnunternehmen sowie große private Taxianbieter und Konzerne im Straßenbau in die öffentliche Hand unter demokratischer Kontrolle von Kollegen und Nutzern!
- NEIN zur Co2-Steuer - stattdessen bundesweit ÖPNV zum Nulltarif!
- Wirtschaft in Arbeiterhand: gemeinsam kämpfen für die Verstaatlichung aller Banken und Großkonzerne, ihre demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung und den sozialistischen Umbau unserer Gesellschaft.

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