Für die Freiheit der sozialistischen katalanischen Republik und der politischen Gefangenen!

Das Urteil des Gerichtsverfahrens gegen das Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens markiert ein Vorher und ein Nachher in der politischen Situation des katalanischen und spanischen Staates. Mit dem nun getroffenen Urteil verfolgt die spanische Bourgeoise ein doppeltes Ziel: den Mehrheitswillen des katalanischen Volkes zu annullieren, indem man sein Selbstbestimmungsrecht verweigert, und die Ausbreitung des republikanischen Kampfes zu verhindern. Wenige Wochen vor den Wahlen am 10. November wird die katalanische nationale Frage wieder zum wichtigsten Spielplatz der politischen Landschaft.

Repression zur Bekämpfung der Massenmobilisierung

Die spanische Bourgeoisie ist sich dessen bewusst, wie unpopulär das nun ausgesprochene Urteil ist und hat sich auf eine überwältigende Reaktion auf der Straße vorbereitet. Deshalb sind die Verhaftungen von neun wegen Terrorismus angeklagten CDR-Aktivisten (1) keine Zufälle. Diese Klagen sind Teil einer allgemeinen Strategie, die die massenhafte, republikanische Bewegung in Katalonien in Misskredit bringen und weitere Repressionen vorbereiten soll.

Diese neuen Entwicklungen sind wenig überraschend, und der Slogan der PSOE unter Pedro Sanchez „Jetzt Regieren! Spanien jetzt!“ könnte nicht deutlicher sein: Wie er es bereits tat, als er Rajoy in der Anwendung des Paragraphen 155 unterstützte, reitet er auf der Welle des spanischen Nationalismus, um mehr Stimmen aus dem konservativen Lager zu erhalten und seine Unterwerfung unter das Establishment deutlich zu machen.

Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Ereignissen in Katalonien und den Entwicklungen in den höchsten Staatsetagen. Während sich die Weltwirtschaft in Richtung Rezession bewegt, bereiten die spanische und katalanische Bourgeoisie brutale Kürzungen vor, die Millionen von Arbeitern und verarmten Sektoren der Mittelschicht treffen werden. In diesem Zusammenhang ist das Anhalten der katalonischen Bewegung eine echte Gefahr für das herrschende System.

Die Sache des katalanischen Volkes ist auch die der Arbeiterklasse und aller Unterdrückten im spanischen Staat!

Am 1. Oktober 2017 erhielt das Referendum zugunsten der Republik und der Selbstbestimmung als zwei Millionen Stimmen. Das ebnete den Weg für eine revolutionäre Krise in Katalonien. Zwei Tage später, am 3. Oktober, lähmte ein Generalstreik jede wirtschaftliche und soziale Aktivität und Millionen von Demonstranten in Hunderten von Städten und Gemeinden aus ganz Katalonien waren auf der Straße. Die Bilder des beispielhaften und friedlichen Widerstandes jener Tage gingen um die Welt.

Es folgten Ereignisse, die nur mit den Ereignissen im April 1931 (2) vergleichbar sind. Die direkte Aktion der Bevölkerung lies den gewalttätigen Einsatz von Tausenden von Polizisten und der spanischen Militärpolizei mit ihren wahllosen Angriffen und die Beschlagnahmungen von Wahlurnen zu Sand zerrinnen. Aber das Wichtigste war, dass der Protest bewiesen hat, dass der Staatsapparat machtlos ist, wenn die Massen beschließen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Als Reaktion auf diese Krise pochte die herrschende Klasse Spaniens - mit Unterstützung der großen katalanischen Hauptstadt - auf die Abschaffung der Autonomie durch den Artikel 155 der spanischen Verfassung, die Inhaftierung von Politikern, die angeblich wegen Militärmeuterei inhaftiert wurden, das Exil von Oppositionsführern und Aktivisten, Verfolgung und Kriminalisierung.... und versuchte Millionen von uns dazu zu bringen das Ziel der Republik aufzugeben. Aber das haben sie nicht. Es ist unmöglich, in der jüngsten Geschichte Europas eine so lang anhaltende Massenbewegung zu finden, die jedes Jahr Millionen von Menschen auf die Straßen und an die Wahlurnen mobilisiert.

Das Problem für die spanische und katalanische Bourgeoisie sind die Ursachen, die diese politische Krise ausgelöst haben und die auch die Krise des 78er-Regimes vertiefen.

Mit der Unterdrückung des katalanischen Volkes werden die autoritären Trends konsolidiert, die die von der Franco-Diktatur und ihren Unterstützern eingeführte Politik der „Nationalen Einheit“ verteidigen sollen. Morgen schon sollen eben jene Kräfte noch gewaltsamer gegen jede soziale Bewegung, Gewerkschaft und Organisation eingesetzt werden, die nicht bereit ist, die Politik der kapitalistischen Regierungen zu akzeptieren.

Dies ist einer der Gründe, warum die Politik der Unidas Podemos (UP) -Führungskräfte in diesem Fall so katastrophal ist. Seit dem Ausbruch der revolutionären Krise im Jahr 2017 wenden Pablo Iglesias, Alberto Garzon und viele andere sowie die Führer von CCOO und UGT der katalanischen Bewegung den Rücken zu. Statt die Solidarität mit dem katalanischen Volk zu betonen und den Kampf für die Republik auf allen Ebenen voranzutreiben, seinen Klassencharakter zu verstärken, um dem gemeinsamen Feind - die Monarchie, das Establishment, das 78er-Regime und all seine Vertreter – vereint entgegenzutreten, nahmen sie zynisch eine Äquidistanz ein zwischen dem katalanischen Volk, dem eine demokratische Abstimmung verweigert wurde, und dem 155er-Block, der die Flagge des ranzigsten Spaniertums und der Reaktion erhob.

Der Kampf von Millionen für das Recht auf Selbstbestimmung und die Republik wurde von zahlreichen „fortschrittlichen“ Intellektuellen und linken Politikern, die sich „Republikaner“ und „Kommunisten“ nennen, als reaktionäre Bewegung unter der Führung katalanischer Eliten verurteilt. Tatsache ist, dass die katalanische Bourgeoisie die Unabhängigkeit und die Republik nicht vorangetrieben hat, sie hat sich ihr letztendlich sogar entgegengestellt, indem sie sich mit der spanischen Bourgeoisie verbündete und eine Schlüsselrolle bei der Unterdrückung der Bewegung und der Angstkampagne gegen sie spielt (es genügt, sich daran zu erinnern, dass Hunderte von Unternehmen Katalonien nach dem 1. Oktober sofort verlassen haben).

Die Erfahrung dieser beiden Jahre hat gezeigt, dass die Aufgabe einer Klassenposition und einer des Internationalismus in Bezug auf die nationale Frage zu einer völligen Verweigerung der Anerkennung demokratischer Rechte geführt hat. Was wir bei den Verhandlungen über die gescheiterte Regierung zwischen Unidas Podemos und PSOE gesehen haben, ist sehr aufschlussreich. Pablo Iglesias stimmte der Forderung von Sanchez zu, ausdrücklich auf das Selbstbestimmungsrecht und jede Kritik am 78er-Regime zu verzichten. Sogar noch in einem Interview bestätigte er, dass sie eine PSOE-Regierung, die den Artikel 155 anwenden würde, nicht verlassen würden: ein klares Beispiel für ihren politischen Bankrott und die Aufgabe des Programms, das sie zum Bezugspunkt der kämpferischen Linken machte.

Heute fallen trotz der riesigen Hetzkampagne gegen Katalonien die meisten nationalen Umfragen zum Ungunsten derer aus, die die Unterdrückung und einen neuen 155er-Artikel unterstützen. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, welches Potenzial es gibt, weite Teile der Bevölkerung für den Kampf um eine sozialistische Republik zu gewinnen, einschließlich nicht nur die Wählerschaft der Kommunistischen Partei oder von Unidos Podemos (UP), sondern auch viele Wählerinnen und Wähler der PSOE. Ein Potenzial, dass die Führung von UP bisher nicht abgerufen hat, womit sie dabei geholfen haben den Weg für eine reaktionäre Kampagne zu pflastern, die den Spaltkeil zwischen die katalonische Arbeiterklasse und Jugend und den Rest Spaniens treiben soll.

Revolutionäre Alternative aufbauen

Die Wahlen vom 28. April und dem 26. Mai haben wieder gezeigt, wie tief der Bruch von Millionen in Katalonien mit dem 78er-Regime reicht. Der reaktionäre Block (Vox, PP, Cs) erfuhr einen großen Rückschlag: Sie bekamen nicht einmal 15% der Stimmen zusammen. Dies ist das erste Mal seit 1977, dass die Kraft mit der höchsten Zustimmung bei den General- und Kommunalwahlen eine Partei wie die ERC („Republikanische Linke Kataloniens“) ist, die so stark unter der Fahne der Unabhängigkeit und als linke Kraft auftritt.

Die Unterstützung der ERC war jedoch alles andere als ein Ende des Kampfes um eine Republik. Esquerra (ERC) sammelte Zehntausende von Wählern von „Junts per Catalunya“ („Zusammen für Katalonien“) hinter ihren Fahnen, die eine katalanische Republik mit linker Politik wollen, und verdoppelte oder verdreifachte gegenüber früheren Wahlen sogar die eigenen Ergebnisse mit der Unterstützung aus Arbeitervierteln, indem sie auch die Verärgerung von Zehntausenden gegenüber den bürgerlichen Parteien und Podemos für sich ausnutzte, die enttäuscht waren von der Kommunalpolitik der Parteien oder von der ablehnenden Haltung ihrer Führungsfiguren gegenüber der katalanischen Politik.

Dennoch ist die Politik in der Führung des ERC das Gegenteil von dem, was ihre Wähler erwartet haben: sie haben das Mandat vom 1. Oktober und die Massenmobilisierungen betrogen, um neue Kürzungen und Privatisierungsmaßnahmen durchzuführen. Sowohl das vom Vizepräsidenten Pere Aragonés geförderte Gesetz als auch die Maßnahmen des Beraters d´Educació Francesc Bargalló (beide gehören zum ERC) haben bereits zu Unzufriedenheiten bei ihrer sozialen Basis geführt.

Der gesamte Ansatz der ERC-Führung, die sagt, dass das Kräfteverhältnis nicht ausreicht um den Kampf um eine Republik voranzutreiben, geht dahin, dass sie einen Deal mit dem Staat einführen und auf die Umsetzung des Abstimmungsergebnisses vom 1. Oktober verzichten würde. Dieses Schema ist erstens falsch und stellt zweitens eine Gefahr für die Bewegung dar. Nur die katalanische Rechte zieht daraus ihren Nutzen. Denn sie will, dass die Menschen in ihre Häuser zurückkehren und wieder auf den Weg der Autonomie und die Verhandlungen mit der spanischen Bourgeoisie zurückkehren, um eine Bewegung zu stoppen, die sich, ebenso wie sie die Repression nicht akzeptierte, nie mit einer Republik zufrieden geben würde, die von derselben Oligarchie beherrscht wird.

In der katalanischen nationalen Freiheitsbewegung gibt es einen wachsenden Konflikt zwischen Hunderttausenden von Jugendlichen, Arbeitern und großen Teilen der Mittelschicht, die den Kampf bis zum Ende für eine Republik führen wollen, die mit der Unterdrückung des staatlichen Zentralismus bricht und die soziale Transformation verwirklicht, und der Verzögerungstaktik der katalanischen Rechten, die zwar in der Bewegung in der Minderheit sind, aber immer noch ein erhebliches Gewicht in der Regierung haben.

Dieser Widerspruch spiegelte sich im letzten unter anderem in den Forderungen nach dem Rücktritt des Innenministers Buch für die Unterdrückung verschiedener antifaschistischer und Unabhängigkeitsproteste wider. Vor kurzem hat er sich in der Wut über die Entscheidung des Innenministeriums geäußert, die den Mossos (katalanische Polizei) erlaubt, Pfefferspray gegen Demonstranten zu verwenden. In den letzten Monaten hat sich diese Verärgerung in zahlreichen Kritiken an Territorialversammlungen des ANC (Katalanische Nationalversammlung) und den Aktionen der CDR geäußert, oder an der Entscheidung, dass die Führer der regierenden Parteien sich weigerten, die Diada-Proteste (3) anzuführen.

Wir müssen aus den Erfahrungen der letzten Jahre lernen. Die Antwort auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs kann nicht auf einen einzigen Generalstreik beschränkt werden. Es ist notwendig, dass alle kämpferischen Linken, die CDR, die Gewerkschaften, die sich zugunsten der Republik positioniert haben, und alle sozialen Bewegungen gemeinsam einen längeren Aktionsplan mit einem klaren Plan für Generalstreiks, Betriebsbesetzungen, Besetzungen im Bildungssystem und weiteren Protesten aufstellen, die die massive Unterstützung der Bevölkerung finden.

Schaffen wir eine Widerstandsbewegung dieser Größenordnung, indem wir deutlich machen, dass wir für eine sozialistische Republik kämpfen und dafür, die Schlüsselindustrien, das Bankenwesen und die riesigen Monopole zu verstaatlichen, und den Alptraum von Sozialabbau und Mangel an öffentlichem und erschwinglichem Wohnraum, die Unsicherheit, Hungerlöhne, Gewalt an Frauen und die Zerstörung der Umwelt zu stoppen. Auf diese Weise würde eine Brücke gebaut, um die katalanischen Grenzen zu überwinden und unseren Kampf mit dem Rest des Spanischen Staats zu verbinden und die besten Bedingungen zu schaffen, um der Unterdrückung entgegenzutreten und sie zu besiegen.

Hunderttausende sind es leid, leere Worte und Versprechungen zu hören, die nie wahr geworden sind. In diesem Zusammenhang stellt die Entscheidung der CUP („Kandidatur der Volkseinheit“, links-republikanisches Wahlbündnis), bei den Wahlen am 10. November anzutreten, eine große Chance dar, mit den Klüngeleien mit der katalanischen Bourgeoisie und mit jeder Art von Zusammenarbeit, mit der Politik der Demobilisierung und den Kürzungen der Regierung zu brechen. Die CUP hat eine neue Möglichkeit, den Raum auf der Linken zu nutzen und eine Rolle zu spielen, um den Kampf für die katalanischen Arbeiter und die Volksrepublik voranzutreiben. Aber es ist wichtig, aus den vergangenen Fehlern zu lernen, die sie dazu brachten, in der letzten Zeit trotz der Kampfbereitschaft ihrer Basis Unterstützung und Einfluss zu verlieren.

Die Basis fordert eine klare Strategie, um der staatlichen Repression zu begegnen und die Republik zum Erfolg zu führen. Der wesentliche Faktor, der eine bremsende Rolle spielt, ist der Einfluss der Führung der Bewegung bei Sektoren der Bewegung. Sie glaubt nach wie vor, dass der Kapitalismus das einzig mögliche System ist und verweigert die Einheit der nationalen Befreiung und des sozialistischen Kampfes. Um dieses Hindernis zu überwinden wird der Wille zum Kampf nicht ausreichen. Was wir brauchen ist eine Partei der Arbeiter und Jugend, die genau dieses revolutionäre und internationalistische Programm vorantreiben kann.

 

(1) CDR = Komitees zur Verteidigung der Republik, ehem. des Referendums, Anmerkung der Übersetzung

(2) Spanische Lokalwahlen nach dem Sturz des Diktators Primo de Rivera 1930, die zu einer massiven Niederlage der Monarchisten sowie deutlichen Siegen u.a. republikanischer Kräfte in Katalonien und der kommunistischen Partei führten. Als Folge der Wahlen wurde die Zweite Spanische Republik ausgerufen. Anmerkung der Übersetzung

(3) Jährliche Proteste am katalanischen Nationalfeiertag, Anmerkung der Übersetzung

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