Der Bochumer Immobilienriese Vonovia unternimmt einen dritten Anlauf. Jetzt endlich will die Nummer Eins auf dem Wohnungsmarkt die Nummer 2, die Deutsche Wohnen, schlucken. Damit würde das Unternehmen auf einen Bestand von gut 550.000 Wohnungen kommen. Besonders auf dem Berliner Markt hat der Konzern damit eine enorme Marktmacht, da er mit 150.000 Einheiten gut 10% des gesamten Bestandes kontrollieren wird.

Knapp 19 Milliarden Euro will sich Vonovia diese dominante Markstellung kosten lassen. Geld, das irgendwie wieder herein geholt werden muss. Auch wenn Vonovia der Stadt Berlin versprochen hat, die Mieten in den nächsten 3 Jahren um höchstens 1% steigen zu lassen, ist dies eher ein Erfolg der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, deren Volksentscheid alle Immobilieneigentümer mit über 3.000 Wohnungen in Berlin vergesellschaften will. Den hohen Kaufpreis wird der Konzern trotzdem an die Mieter durchreichen, was bereits bestehende Probleme verschärfen wird. Der Verzicht auf Mieterhöhung gilt sowieso nur für Bestandsmieten – die deutlichsten Mieterhöhungen werden aber mit Luxussanierungen bei Neuvermietungen begründet. Da viele Mieter aber ohnehin in diesem und letztem Jahr Reallohnverluste hinnehmen mussten, ob durch Kurzarbeit, Jobverlust oder ausgebliebene Lohnerhöhungen, wird die Luft für viele Arbeiterinnen und Arbeiter immer dünner, schließlich mussten bereits 2019 mehr als ein Viertel der Berliner mehr als 40% ihres Einkommens für ein Dach über dem Kopf ausgeben – und auch in den meisten anderen großen wie kleineren Städten sieht es kaum besser aus.

Profite für die Konzerne – Altlasten für die Stadt

Die SPD hält diese Vereinbarung als großen Erfolg ihrer „Sozialpolitik“ hoch, genau wie den geplanten Verkauf von 20.000 Wohnungen durch Vonovia an die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Die (Noch-)Führung der Deutsche Wohnen SE kündigte aber bereits an, dass diese aus dem sogenannten „nicht-strategischen“ Bestand kommen sollen – Wohnungen also, die der Konzern bereits mit der Absicht gekauft hatte, solange Mieterträge aus dem Objekt zu ziehen ohne Investitionen zu tätigen, bis der letzte Cent herausgepresst ist. Beispielhaft dafür steht das Quartier am Falkenhagener Feld, das Vonovia nach der Übernahme gerne loswerden würde, da es als asbestbelastet und ohnehin sanierungsbedürftig gilt. Die meisten dieser Wohnungen waren Anfang der 2000er Jahre übrigens für Schleuderpreise an die Privatkonzerne verscherbelt worden – und sollen nun für ein mehrfaches des damaligen Preises zurückgekauft werden.

Darüber hinaus könnte der Preis für die Übernahme der Deutsche Wohnen SE für Vonovia noch steigen. Nachdem die Pläne publik wurden, stieg der Hedgefonds Elliott des Milliardärs Paul Singer ein und sicherte sich mindestens 3% der DW-Aktien. Das Ziel dabei ist klar: Für kurzfristigen Profit soll der Einkauf den Preis der Aktie in die Höhe treiben, in der Hoffnung sie mit Gewinn schnell weiterzuverkaufen – ein weiteres Zeichen für die Absurdität eines Systems, in dem internationale Spekulanten mit der Wohnung von Oma Erika aus Castrop-Rauxel an der Börse Roulette spielen können.

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„ ...ein weiteres Zeichen für die Absurdität eines Systems, in dem internationale Spekulanten mit der Wohnung von Oma Erika aus Castrop-Rauxel an der Börse Roulette spielen können.“

Wohnen im Kapitalismus – Spekulationsobjekt statt Grundrecht

Das Kernproblem der Wohnungspolitik ist natürlich nicht die Frage ob diese paar tausend Wohnungen jetzt Unternehmen A oder B gehören – das Problem ist die politisch gewollte Situation, dass das menschliche Grundbedürfnis zu Wohnen rücksichtslos dem Kapitalmarkt und seinem Profitstreben untergeordnet wird. Der Immobilienmarkt wurde in den letzten 20 Jahren immer mehr zum Schwamm, der die Profite des Kapitals aufsaugen soll, die in der kapitalistischen Überproduktionskrise keine produktiven Anlagen mehr finden. Wo früher erwirtschaftete Gewinne hauptsächlich in neue Produktionsanlagen, Fabriken und so weiter investiert wurden, verspricht eine weitere Steigerung der Produktivkraft im Spätkapitalismus kaum noch genug Gewinne, um eine solche Investition lohnend erscheinen zu lassen. Wozu soll VW etwa einen weiteren Standort erschließen, wenn sich in Wolfsburg die Neuwagen schon zu Tausenden herumstehen? Stattdessen werden Profite der Kapitalisten als Dividenden ausgeschüttet, von wo aus sie in an und für sich unproduktive Bereiche, wie die Spekulation mit immer abstruseren Finanzprodukten oder eben Immobilien fließen.

Die Regierungen in Bund und Ländern, immer willige Erfüllungsgehilfen des Kapitals, haben folgerichtig besonders um die Jahrtausendwende diesen Markt den Investoren weiter geöffnet, indem sie zu Tausenden Wohnungen in staatlichem Besitz für Schleuderpreise verkauft und tatenlos zugeschaut haben, wie mehr und mehr Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen sind. Gab es 1987 noch 3,3 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland, so waren es 2018 noch 1,1 Millionen.

„Sozialer Wohnungsbau“ durch Heuschrecken?

Obwohl sich viele Politiker über die Parteigrenzen hinweg durch die massiven sozialen Konflikte, die diese Entwicklung mit sich gebracht hat, genötigt sahen, großzügige Versprechungen zum Bau neuer Wohnungen in diesem Sektor zu machen, sank der Bestand von 2018 auf 2019 wieder um über 3%. Und auch wenn neue Sozialwohnungen gebaut werden, wird dies ganz im marktwirtschaftlichen Geiste von privaten Trägern übernommen, die dafür großzügige Subventionen – etwa 1 Milliarde Euro pro Jahr hat die Bundesregierung dafür vorgesehen – kassieren. Trotz dieser großzügigen Unterstützung durch den deutschen Staat ist die Mietpreisbindung keineswegs langfristig gedacht – zwischen gerade einmal 12 und 20 Jahren gilt diese, danach können Immobilienfirmen auch diesen Wohnraum nach Belieben als Spekulationsobjekt nutzen. Selbst wenn also ausreichend sozialer Wohnungsbau betrieben werden würde, würde das Elend mit der Wohnungsnot einzig ein paar Jahre in die Zukunft verschoben – ein absurdes Modell, gerade wenn man bedenkt, dass die deutschen Großstädte weiterhin wachsen.

Enteignung statt halbherziger Regulierung

Statt Förderung von Privatinvestoren und halbherzigen Regulierungen wie der Mietpreisbremse kann die Verdrängung und fortlaufende Enteignung der Mieter durch Fantasiepreise nur gestoppt werden, wenn das Recht auf Wohnen auch als solches behandelt wird und der Lebensraum der Menschen der Spekulation an der Börse und den Vorstandsetagen der Immobilienkonzerne entzogen wird, in dem Vonovia, Deutsche Wohnen und Co. enteignet und die Häuser demokratisch von ihren Bewohnern verwaltet werden. In Berlin hat die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ mittlerweile die Durchführung eines Volksentscheids durchgesetzt, der am 26. September stattfinden soll, und dessen Ziel es ist, den Bestand aller privaten Immobiliengesellschaften, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen, zu vergesellschaften. Obwohl man kaum annehmen sollte, dass der Verbund aus Miethaien und Politik, der schon den Berliner Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht gekippt hat, den Willen der Wähler klaglos akzeptieren werden, ist es ein deutlicher Erfolg, dass die Volksbewegung die Frage nach Enteignung so prominent auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Der Kampf für eine gerechte Stadt, die es allen Menschen ermöglicht ihren Bedürfnissen nach zu wohnen, zu arbeiten und sich zu erholen, muss ein Kampf für den Sozialismus sein. Erst wenn wir selbst wirklich demokratisch den Grund und Boden, den auf dem wir leben, besitzen und verwalten, kann kein Konzern seinen Profit mehr aus unseren elementaren Grundbedürfnissen pressen.

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