„Prostitution zerstört Gleichheit, Solidarität und Kameradschaft zwischen den beiden Hälften der Arbeiterklasse. Ein Mann, der die Gunst einer Frau kauft, sieht sie nicht als Gefährtin oder als gleichberechtigte Person. (…) Seine Verachtung für die Prostituierte, deren Gefälligkeiten er gekauft hat, beeinflusst seine Einstellung zu allen Frauen. Die Entwicklung der Prostitution stärkt, anstatt das Wachstum von Gefühlen der Kameradschaft und Solidarität zu ermöglichen, die Ungleichheit der Beziehungen zwischen den Geschlechtern.“ – Alexandra Kollontai 

Die materiellen Grundlagen 

Weit davon entfernt, der „älteste Beruf der Welt“ zu sein, ist die Prostitution stattdessen mit dem Privateigentum, der Spaltung der Gesellschaft in soziale Klassen und einer ausreichenden Entwicklung des Waren- und Geldverkehrs entstanden. Im 19. Jahrhundert hat die Entwicklung der kapitalistischen Industrieproduktion eine große Masse von Frauen unter Bedingungen extremer Unsicherheit und Armut in die Städte vertrieben und diese gezwungen, zum Überleben nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern auch ihre eigenen Körper zu verkaufen. Die Prostitution etablierte sich als riesige Institution. Sie erscheint als das verborgene Gesicht der bürgerlichen, monogamen Familie: Während Frauen streng zur sexuellen Freiheit gezwungen werden – um den erblichen Übergang von Eigentum zu gewährleisten –, erhalten Männer völlige Freiheit, Frauen zu benutzen.

Das sind, kurz gesagt, die historischen Ursprünge eines der lukrativsten Unternehmen der Welt – der Sexsklaverei. Seit seiner Etablierung ist dieses Geschäft wiederrum ein grundlegender Bestandteil der wirtschaftlichen Basis des Machismo, der sich in allen Formen der Gewalt gegen Frauen materialisiert: Objektivierung, Belästigung, Vergewaltigung, Femizide.

Die bürgerlichen „Lösungen“

Im Angesicht der brutalen Realität des Verkaufs von Frauen und Kindern auf globaler Ebene hat die Bourgeoisie in erster Linie vor allem ihre Moral bestätigt; Sie hat die Prostitution als tragisches Spiegelbild der menschlichen Natur verurteilt, als Verderbtheit von „Familienwerten“, den Kapitalismus von Schuld freigesprochen und Prostituierte als krank und kriminell beschuldigt, als Frauen, die sich für ein „einfaches Leben“ entschieden haben, während sie gleichzeitig anhaltende Arbeitslosigkeit, miserable Löhne und Lebensbedingungen, Abhängigkeit von der Familie und alles andere, was Frauen zur Prostitution verurteilt, durchgesetzt haben.

Als herrschende Klasse ist die Bourgeoisie nur in der Lage, Lösungen zu präsentieren, die ihr System nicht gefährden. Die erste ist die Kriminalisierung von Prostituierten. Was diese Maßnahme wirklich bezweckt, ist die Unterdrückung und Verfolgung armer Frauen und der schwächsten Teile der Arbeiterklasse, wie Migrantinnen oder Trans-Frauen. Marxisten stellen sich kompromisslos gegen die Kriminalisierung und Verfolgung armer Frauen.

Aber in dieser Zeit des organischen Zerfalls des Kapitalismus sucht das Bürgertum nach neuen Profitmöglichkeiten und einige von ihnen sehen die Legalisierung der Prostitution in Kombination mit einer wachsenden Anzahl an Frauen, die Opfer von Prekarisierung und Austerität werden, als Chance. Gleichzeitig ist die Legalisierung eine politische Antwort. Angesichts des Aufstiegs des Klassenkampfes und des feministischen Kampfes kann die Bourgeoisie nicht nur Repression anwenden. Die Legalisierung der Prostitution bedeutet für die Bourgeoisie in der Tat einen ideologischen Triumph: einen Schritt weiter in der Trivialisierung des Kaufs und Verkaufs armer Frauen.

Es ist kein Zufall, dass das Legalisierungsprogramm, das Prostituierte als Dienstleister und die Zuhältermafia als Arbeitgeber maskiert, gerade jetzt vom kleinbürgerlichen Feminismus auch in Portugal übernommen und gefördert wird, parallel zum ungezügelten Wachstum des Tourismus. Wie immer funktioniert die kleinbürgerliche Linke als Injektionspunkt der bürgerlichen Ideologie in die Arbeiterklasse. Die aktivsten Förderer der Legalisierung von Zuhältern sind oft gerade in der Sexindustrie als Unternehmer und Grundbesitzer tätig oder haben die Aussicht, dies durch eine Legalisierung zu werden. Dazu zählen sogar Frauen, die ihren Körper selbstständig verkaufen oder ein eigenes Unternehmen haben (einige sind sogar Zuhälter). Diese Gruppe ist zahlenmäßig unbedeutend, genießt eine viel größere Kontrolle über ihr Leben und stellt die Prostitution als „empowernden“ Beruf dar, während ihr arme Frauen, die im Prostitutionssystem gehandelt und versklavt werden, völlig gleichgültig sind.

Die Befürwortung der Legalisierung mit dem Ziel einer Versbesserung der Bedingungen der Prostitution bedeutet jedoch, den Charakter nicht nur der Prostitution selbst sondern auch des bürgerlichen Staates an sich vollkommen zu ignorieren. Eine solche Befürwortung verteidigt letztlich die Aufrechterhaltung der sexuellen Sklaverei unter „besseren Bedingungen“; Sie hält an Illusionen fest, dass der bürgerliche Staat zugunsten prostituierter Frauen und gegen Zuhälter eingreifen würde, wo dieser aufgrund seiner Natur immer zugunsten der Arbeitgeber handelt.

Es ist der Höhepunkt des kleinbürgerlichen Idealismus zu denken, dass die Gewalt eines Unternehmens, das aus der Inhaftierung und systematischen Vergewaltigung von Frauen Profit zieht, per Dekret aufgehoben werden kann. Die Prostitution kann nur in ihrer Beziehung zum Menschenhandel und zum Großkapital verstanden und darf in keiner Weise von ihren Auswirkungen auf den sozialen Überbau, d.h. auf Kultur und Ideologie, von ihrer Stärkung von Frauenfeindlichkeit und der Gewalt an Frauen getrennt werden.

Die Legalisierung in Deutschland hat dies bereits zweifelsfrei mit dem Fall von Jürgen Rudloff bewiesen. Der selbsternannte „König der Bordelle“, der wegen Beteiligung am Menschenhandel, Zwangsprostitution und Betrugs verhaftet wurde, sitzt heute eine lächerliche Strafe von fünf Jahren ab. In Rudloffs Bordellen, die wie Tausend andere in ganz Deutschland funktionieren, kamen Frauen über internationale Schlepperorganisationen an, wurden inhaftiert, zur Prostitution gezwungen und geschlagen, wenn sie die von Zuhältern bestimmte Anzahl von „Kunden“ nicht „bedienen“ konnten. Nach den Worten einer dieser Frauen wurden sie „wie Tiere behandelt“.

Die Prostitution bleibt nach der Legalisierung genau gleich. Alles, was sich ändert, sind die Ausmaße: Es gibt mehr Kunden, mehr und größere Bordelle… und vervielfachte Gewinne für die sklaventreibenden Zuhälter.

Ein wachsendes Problem

In Portugal sind derzeit 56% der Frauen in der Prostitution Ausländerinnen. Die Mehrheit davon sind Frauen aus Brasilien, den PALOP-Ländern oder aus Osteuropa. Viele kommen durch Menschenhandel ins Land. Diese Realität ist in allen europäischen Ländern verbreitet – in Deutschland liegt der Prozentsatz sogar bei 85%! Das zeigt die enge Verbindung zwischen Neokolonialismus, Rassismus und Prostitution.

Die Folgen der Krise und der Sparpolitik für die Prostitution in Portugal zeigen einmal mehr ihren direkten Zusammenhang mit der Armut. Die Prostitution nimmt im Land weiter zu, heute noch mehr als in der Troika-Zeit. Der exorbitante Mietpreis, der elende Mindestlohn und die Zerstörung der öffentlichen Dienstleistungen treiben immer mehr Frauen in die Prostitution, zunehmend in neuen Formen.

Eine dieser neuen Formen ist der Weg, den Vermieter gefunden haben, um spekulative Mieten und die Armut von Tausenden Frauen auszunutzen. In Lissabon und Porto können Frauen Zimmer „mieten“ und dafür „intime Gefälligkeiten“ erhalten! Großgrundbesitzer verwandeln ihre Immobilien in echte Bordelle – es gibt Wohnungen im Zentrum von Lissabon, für die Frauen exorbitante Mieten zahlen und gezwungen werden, „Kunden“ zuhause zu empfangen, in einem vom Hausbesitzer festgelegten Tempo.

Eine andere neue Form sind die aufkommenden Anwendungen für Online-Prostitution. Auf der Website einer dieser Plattformen können wir Dinge wie „dies ist eine Plattform übergreifende Anwendung von Kontaktanzeigen, die Dienstleistungen in ihrem geographischen Gebiet anbieten“ oder sogar „es gibt zwei Akteure auf der Plattform: die Kunden – als Nutzer – und die Dienstleister - als Frucht“ lesen.

Natürlich hätte die Legalisierung der Prostitution in Portugal genau die gleichen Auswirkungen wie in Deutschland, mit dem erschwerenden Faktor, das Portugal ein Zielort des Sextourismus werden würde.

Die Klassenposition: Abolitionismus

Esquerda Revolucionária (Schwesterorganisation von Offensiv in Portugal) führt einen bewussten Kampf gegen die Prostitution und ihre ideologischen Folgen in der Arbeiterklasse. Dies ist nur mit der Zerstörung ihrer materiellen Grundlagen möglich. Dafür sind die Stärke und Organisation unserer Klasse, der Arbeiterklasse, nötig, die die einzige Klasse ist, die kein Interesse an Prostitution und Frauenunterdrückung hat, kein Interesse daran, die Hälfte ihrer Stärke patriarchaler Unterdrückung zu unterwerfen.

Es gibt keine Boote und keine Lastwagen, die versklavte Frauen befördern, ohne dass Lohnarbeiter für ihren Betrieb notwendig sind. Es gibt keinen Container, der ohne die Hand der Arbeiter entladen wird. Das Proletariat ist die einzige Klasse, die in der Lage ist, der Prostitution ein für allemal ein Ende zu setzen: indem sie sich organisiert und Vollbeschäftigung, freies Wohnen, Gesundheit und Bildung erkämpft, dem Kapitalismus ein Ende setzt und eine Gesellschaft aufbaut, in der keine Frau als Ware behandelt wird; eine sozialistische Gesellschaft.

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