GDL: Streiken und siegen!
Solidarität mit dem Arbeitskampf der GDL für den Streik ab August, auf das ganze Transportwesen und die EVG ausgeweitet! Gegen das Tarifeinheitsgesetz und für volle Koalitionsfreiheit und volles Streikrecht!
Der Vorsitzende der „Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer“ Claus Weselsky hat für den 8. August eine Urabstimmung in den Betrieben der Deutschen Bahn angekündigt, nachdem er von der Möglichkeit von noch „härteren und längeren“ Streiks des Bahnpersonals gesprochen hat als zuletzt 2015. Ein richtiger Schritt! Nachdem zum März 2021 die 2015 erkämpften Tarifverträge und die Friedenspflicht mit der Deutschen Bahn AG ausgelaufen waren, hat die DB der GDL-Tarifkommission ein absolut unzureichendes und dreistes Angebot gemacht, das sich an den Abschlüssen im Öffentlichen Dienst und dem mit der DGB-Gewerkschaft EVG („Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft“), die ebenfalls Beschäftigte bei der Deutschen Bahn organisiert, im letzten Jahr „orientiert“: 1,5 % mehr Lohn bei einer Laufzeit bis Februar 2023 (bei der EVG), also faktisch Reallohnverlust für die Beschäftigten.
Zwar hat die GDL im Mai auf Druck der Konzernführung ihre Forderungen auf 1,4% Lohnerhöhung dieses Jahr und 1,8% 2022 sowie einen Corona-Bonus von 600€ abgeschwächt, die Deutsche Bahn drängt aber weiter auf eine Nullrunde und hat die Verhandlungen nun platzen lassen. Begründen tun sie das mit den Milliardenverlusten der Bahn durch die Corona-Pandemie. Und das, während gleichzeitig die Vorstandsgehälter um bis zu 10% erhöht wurden, wie etwa bei Bahn-Chef Richard Lutz, der ab 2023 statt 990.000€ im Jahr verdienen wird!1 Der GDL-Vorsitzende fasst die Klagen der DB passend zusammen und zeigt klar, wie die Stimmung der Kollegen am Arbeitsplatz ist: „Rücksicht und Solidarität werden immer nur dann beschworen, wenn es dem Management dienlich ist. Es gibt in diesem Konzern aber keine Solidarität zwischen den Führungsebenen und den Mitarbeitern, schon seit Jahren nicht: Oben herrscht eine Selbstbedienungsmentalität. Wie dick kann der Firmenwagen werden, wie hoch sind die Bezüge? Unten aber sollen die Eisenbahner eine Nullrunde hinnehmen.“2
Das Tarifeinheitsgesetz ist ein Angriff auf unser Streikrecht!
Die GDL-Führung beharrt dabei aber nicht aus Zufall auf ihre gegenüber der EVG höheren (aber immer noch unzureichenden) Forderungen. Es geht um ihre Existenz selbst. Als Antwort auf den letzten harten Tarifkampf der GDL 2015 (der zu den längsten und härtesten Streiks der Bahngeschichte geführt hat) hat die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles mit Unterstützung einiger DGB-Gewerkschaften das sogenannte Tarifeinheitsgesetz (TEG) verabschiedet, das vorsieht, dass in Betrieben mit zwei oder mehr Gewerkschaften in Zukunft nur noch die größte Gewerkschaft Tarifpartner ist.
Damit ist dieses Gesetz ein scharfer Angriff auf die Koalitionsfreiheit der Arbeiter und Arbeiterinnen eines Betriebes! Den Minderheitsgewerkschaften wird nicht nur die Tarifbindung genommen, alle Arbeitskampfmaßnahmen werden als „unverhältnismäßig“ und unzulässig deklariert: eine Großoffensive gegen unser wichtigstes Recht als Beschäftigte; unser Streikrecht! Wenig überraschend war das TEG vor allem auf die kleineren Spartengewerkschaften wie Cockpit oder die GDL gemünzt, die vor allem Funktionseliten vertreten und damit in der Vergangenheit besonders kampfkräftig waren, aber in vielen Betrieben parallel zu größeren DGB-Gewerkschaften wie ver.di oder eben der EVG existieren.
Dass das TEG vor allem eine Waffe in den Händen der Unternehmen ist, zeigt sich jetzt deutlich. Die GDL konnte 2015 zunächst die Aussetzung der Anwendung des Gesetzes bis Januar 2021 erkämpfen, nun wurde jedoch ein Notar von der DB damit beauftragt, in den über 300 Betrieben „festzustellen“, wer wo die Mehrheitsgewerkschaft bildet. Wer ist dieser Notar und auf wessen Gehaltsliste steht er? Mit welchen Methoden ermittelt er die „Mehrheitsgewerkschaft“3, wo doch die Beschäftigten zu Recht davor geschützt sind, ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft angeben zu müssen? Das weiß nur der Vorstand der Deutschen Bahn. Das Ergebnis ist jedoch klar: In allen DB-Betrieben bis auf 16 Ausnahmen ist die größere EVG die „Mehrheitsgewerkschaft“ , die Klagen der GDL dagegen wurden abgelehnt. Damit wird die gesetzliche Grundlage gelegt, die Arbeitskämpfe von Gewerkschaften wie der GDL zu unterhöhlen.
Gemeinsamer Kampf statt Gewerkschaftskonkurrenz!
Als Reaktion darauf hat die GDL bereits Ende letzten Jahres angekündigt, zukünftig nicht mehr nur die Sparte des Schienenpersonals vertreten zu wollen, sondern auch Beschäftigte aus Infrastruktur, Logistik etc. aufzunehmen. Vor allem aber haben sie eine Schlammschlacht mit der EVG und die massive Abwerbung ihrer Mitglieder begonnen.
Die Wut vieler Kollegen bei der GDL auf die EVG und ihre Führung ist absolut verständlich. Die EVG-Führung hat sich zusammen mit der DGB-Bürokratie während der Krise an die Seite des Managements gestellt, anstatt kämpferisch die Interessen der Kollegen zu vertreten. Sie hat mit dem exemplarischen Ergebnis ihrer Tarifrunde 2020 der Nullrunde auch bei der GDL bewusst Tür und Tor geöffnet und der Geschäftsführung und den bürgerlichen Medien jede Menge Munition geliefert, die diese gegen die „unverhältnismäßigen“, „übertriebenen“ und „verantwortungslosen“ Forderungen der GDL schießen können. Auch jetzt finden sich auf ihrer Website statt Solidaritätsbekundungen mit ihren Kollegen vor allem Beiträge zum TEG im O-Ton: Wir wollten euch eigentlich nicht verdrängen, liebe GDL, aber wenn ihr euch so benehmt, dann sollte das Tarifeinheitsgesetz auch angewendet werden.
Dennoch kann die Antwort auf das Tarifeinheitsgesetz nicht sein, durch Mitgliederabwerbung und innergewerkschaftlichem Konkurrenzkampf selbst zur Mehrheitsgewerkschaft werden zu wollen. Stattdessen sollte es breite Solidaritätsaufrufe an alle Kollegen, egal ob aus dem DGB, dem dbb (Dachverband der GDL) oder unorganisiert, und eine gemeinsame Kampagne gegen das TEG geben! Das könnte zum Beispiel durch die Schaffung von Solidaritätskomitees erreicht werden, auch in anderen Branchen. Dass die EVG-Führung sich dem widersetzen wird, ist klar, aber das es an der Basis viel Unterstützung gibt, hat ja nicht zuletzt die Solidarität vieler EVG-Kollegen mit dem GDL-Streik 2015 gezeigt; vor allem dann, wenn es Tarifforderungen gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt. Außerdem muss die komplette Rückverstaatlichung des Bahnnetzes auf die Tagesordnung gesetzt werden und nicht etwa, wie Weselsky gefordert hat, eine Aufsplittung der Deutschen Bahn in den staatlichen Teil„ Schiene“, und einen privaten Teil, der den Rest des Konzerns umfasst.
Eine solche Solidaritätskampagne muss die nächsten Schritte im Kampf gegen das Tarifeinheitsgesetz diskutieren und auch die Möglichkeit von politischen Streiks ins Auge fassen. Mit der GDL soll ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen werden, der die ganze Arbeiterbewegung in Deutschland betrifft!
1 https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-vorstand-gehaltserhoehung-1.5240420