Organisieren und weitermachen, für echte Entlastung und kämpferische Gewerkschaften!
In der Nacht des 18. Mai wurde von den Tarifparteien im Arbeitskampf der Sozial- und Erziehungsdienste ein Ergebnis vorgelegt. Darin sind kleine Verbesserungen angedeutet, die aber im Großen und Ganzen die Arbeitgeber wenig kosten, und an den Bedingungen der Überlastung in den SuE-Arbeitsbereichen nichts verändern.
Kolleginnen und Kollegen im Sozial- und Erziehungsdienst sollten diesen Abschluss ablehnen und sich für kämpferische Gewerkschaften und eine höhere betriebliche Verankerung einsetzen!
Kernthema Entlastung
Die Tarifrunde wurde von den ver.di-Spitzen als „Tarifrunde Entlastung“ angekündigt. Im Kern standen die Probleme, die durch massiven Personalmangel in den Betrieben und die daraus folgende chronische Überlastung und Arbeitsverdichtung entstehen.
Im Vorfeld der Tarifrunde wurde von den ver.di-Spitzen argumentiert, dass die Forderung nach fünf wöchentlichen Stunden Vorbereitungszeit genutzt werden sollte, um auf diesem Weg die Problematik der Personalschlüssel anzugehen. Auch die Frage des Konsequenzenmanagements, also tariflich festgelegter Sanktionsmaßnahmen gegenüber den Arbeitgebern, wenn die personelle Besetzung bestimmte Kriterien unterschreitet, stand zur Diskussion.
Verhandlungsergebnisse
Von diesen dringenden Belangen taucht im Verhandlungsergebnis nichts mehr auf. Die Strategie, Personalschlüssel „durch die Hintertür“ einzuführen ohne sie zu fordern ist krachend gescheitert.
Die wichtigsten Ergebnisse, die sich nun im vorgelegten Abschluss finden, sind eine monatliche Zulage von 130 Euro für ErzieherInnen (etwa 70 Euro nach Steuerabzug), 70 Euro für Praxisanleitungen, zwei zusätzliche Urlaubstage und zwei weitere Tage, die durch Gehaltseinbußen erreicht werden können. Die Laufzeit, die ausgehandelt wurde, endet im Dezember 2026.
Das fällt weit hinter das zurück, wofür zehntausende Erzieherinnen bundesweit auf die Straße gegangen sind. Die 2-4 zusätzlichen Urlaubstage werden nicht durch finanzielle Mehrausgaben für mehr Personal ausgeglichen, was bedeutet, dass für Kollegen kleiner Teams noch mehr Tage anstehen, in denen sie auf sich gestellt sind. Ähnlich ist es mit der Ausweitung der Vorbereitungszeit von 19,5 auf 30 Stunden. Dass die meisten Kollegen vor der Tarifrunde gar nicht wussten, dass eine Vorbereitungszeit existiert, zeigt, dass es schon bisher keine wirksamen Mechanismen gibt, sie durchzusetzen.
Die Mär von den „Entlastungstagen“
Es ist völlig falsch, die Mär der Arbeitgeber von den „Entlastungstagen“ zu wiederholen.
Wenn im Rahmen des Konsequenzenmanagements von „Entlastungstagen“ die Rede ist, ist damit gemeint, dass Urlaubstage angeboten werden, wenn Personalschlüssel nicht eingehalten werden. Das soll Druck auf die Arbeitgeberseite aufbauen, eine höhere Personalbemessung zu gewährleisten, und verbindliche Personalschlüssel durchsetzbar machen.
Eine solche Situation gibt es in den Kindertagesstätten nicht, auch wenn genau das wünschenswert wäre und genau dafür gekämpft werden müsste.
Wie die Tarifkommission aus den Verhandlungen berichtete, waren es genau solche Forderungen, die die Arbeitgeberseite um jeden Preis vermeiden wollte. Damit wollten sie verhindern, dass sich Fortschritte, die von den Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitswesen wie in der Berliner Charité hart erkämpft wurden, auf andere Branchen ausweiten.
Um zu kaschieren, dass sie sich den Kernforderungen der Kolleginnen und Kollegen völlig verweigerten, sprechen die Arbeitgeber nun von „Entlastungstagen“ – bieten aber keine Entlastung bei der Personalfrage an. Es ist völlig falsch, wenn Funktionsträger der Gewerkschaften solche Beschönigungen wiederholen, statt zu skandalisieren, dass die Arbeitgeber nicht bereit sind, die dramatischen Arbeitsbedingungen in den Betrieben endlich zu verbessern.
Für eine Offensive im SuE-Bereich!
Dabei ist genau das dringend nötig, und sollte von ver.di zum Kern ihrer Anstrengungen gemacht werden. Dafür müssen klare und bezifferte Forderungen nach einem Personalschlüssel, voller Ausfinanzierung der Kindertagesstätten und Schulen, eine Abschaffung des Gutscheinsystems wie es in manchen Bundesländern existiert, und Konsequenzenmanagement in die gewerkschaftlichen Kämpfe aufgenommen werden.
Es haben sich 45.000 Erzieherinnen und Erzieher an den Streiks beteiligt – nicht viel weniger als im Mai 2015, als 50.000 Mitglieder der Gewerkschaften beteiligt waren! Und um neue und frische Schichten in die Gewerkschaften zu ziehen, müssen diese unter Beweis stellen, was verändert werden kann, wenn wir uns organisieren und entschlossen kämpfen.
Dafür ist eine grundlegende Veränderung der Gewerkschaften nötig.
Im Sozial- und Erziehungsdienst wären mögliche Wege die Lügen der Arbeitgeber in aller Deutlichkeit zurückzuweisen, eine Agenda des Kampfes um wirksame und bessere personelle Ausstattung auszugeben, die klar und deutlich formuliert, welche Forderungen die Gewerkschaften aufstellen muss, und alle Kolleginnen und Kollegen über die verschiedenen Gewerkschaften hinweg erreicht.
Um wirksame Kämpfe zu führen ist viel mehr möglich als Petitionen:
- Die direkte betriebliche Verankerung und Handlungsfähigkeit muss verbessert werden, durch Betriebsgruppen die direkt in den Betrieben angesiedelt sind, sich unmittelbar gegen Angriffe der Arbeitgeberseite zur Wehr setzen und neue Kolleginnen und Kollegen unmittelbar für die Gewerkschaft gewinnen können.
- Kämpfe müssen verbunden werden: Der Streik muss weitergehen, und sich direkt mit dem Kampf der Krankenhäuser und der ausgegliederten Reinigungs- und Hauswirtschaftskräfte verbinden!
- Die Gewerkschaften müssen einen Kampfplan aufstellen, in dem nicht das was die Arbeitgeberseite zustimmt, sondern alles das, was nötig ist für gute Arbeit ganz klar kommuniziert wird.
- Jede Privatisierung im Gesundheits- und Sozialsystem muss klar zurückgewiesen werden!
- In Kämpfen auch im Sozial- und Erziehungsdienst müssen Kampfmaßnahmen wie Streikposten angewandt werden, um weitere Einrichtungen zu schließen und kampfkräftiger zu werden!
Wir brauchen eine demokratische Versammlung!
Jeder Kampf, der mit einem Ergebnis weit hinter den Bedürfnissen abgeschlossen wird, wird die Autorität der Gewerkschaften in den Belegschaften weiter schwächen.
Das zu ändern geht nur mit einem entschlossenen Kampfprogramm. In der Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienst wollen wir demokratische Versammlungen der Belegschaften, die diesen Abschluss debattieren, bevor es zu einer allgemeinen Mitgliederbefragung kommt.
Kolleginnen und Kollegen sollten beim vorgelegten Abschluss mit „Nein“ stimmen. Er beinhaltet keine Verbesserungen, die entweder den enormen allgemeinen Lohnverfall durch die Inflation noch die desaströsen Arbeitsbedingungen beenden.
Statt einem schlechten Kompromiss, brauchen wir einen neuen, kämpferischen Auftakt für die TvöD-Runde, der endlich einen Schlussstrich unter die Defensive der Gewerkschaften zieht. Es ist möglich, dass frühkindliche Bildung und Pflege endlich als das anerkannt werden, was sie sind: elementar für das Wohl der Bevölkerung und die soziale Gleichheit für die Familien von Arbeitern und Armen.
Aber das können wir nur erreichen, wenn wir alle gemeinsam dafür kämpfen!