Zurück auf die Straße und streiken im Betrieb, um unsere Lebensbedingungen zu verteidigen!
Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP haben deutlich gemacht: die neue Regierung wird uns, den Beschäftigten, der Jugend und den Armen in Deutschland, nichts bieten als eine weitere Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen. Die mageren Wahlversprechen, die es von SPD und Grünen gab, wurden bereits in den ersten Gesprächen unter den Teppich gekehrt, als hätte es sie nie gegeben.
Gleichzeitig, während sich die soziale, gesundheitliche und wirtschaftliche Krise weiter verschärft; Tausende Beschäftigte in Deutschland erneut durch Lohnausfälle bedroht sind; unzählige Familien vor unbezahlbaren Strom- und Heizkosten stehen; während das Corona-Virus in einer Vierten Welle auf ein kaputtgespartes Gesundheitssystem trifft und unsere Leben gefährdet… bereitet die Ampel weitere soziale Angriffe vor, im verzweifelten Versuch, die Profite des Kapitals zu retten!
Nein, diese Koalition ist keine „Klimaregierung“ und auch keine Regierung des Fortschritts! SPD und Grüne zeigen ein weiteres Mal: Es ist an uns, den Kampf für eine Politik in unserem Interesse in die Hand zu nehmen.
Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
Die Geschwindigkeit, mit der auch die geringsten sozialen Forderungen durch die SPD-Verhandlungsführer fallen gelassen wurden, offenbart erneut alles über die Führung der Partei; auch nach der „linken“ Wahl von Walter-Borjans, Saskia Esken und Juso-Chef Kevin Kühnert, der sich vor vier Jahren noch durch seine Opposition zu einer „prinzipienlosen“ Koalition mit der Union einen Namen machte.
Gleich zu Beginn der Sondierungen wurde den in Unruhe geratenen Versicherungsunternehmen zu verstehen gegeben, dass es unter einer Ampel keine „Bürgerversicherung“ geben würde; also ein Versicherungssystem, das dem Zwei-Klassen-System in deutschen Krankenhäusern ein Ende macht und die privaten Krankenversicherungen abschafft. Diese Forderung war ein zentraler Punkt im Wahlprogramm der SPD! Noch im September hat sich die Partei im „Vorwärts“ gerühmt, einen „gleich guten Zugang zur medizinischen Versorgung für Alle“ durchsetzen zu wollen. Diese Phrasen sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.
Was ist mit den Arbeitern und Arbeitslosen? Zwar hat die Regierung angekündigt, den Mindestlohn im kommenden Jahr tatsächlich auf (nur) 12€ anheben zu wollen, aber die SPD-Spitze will gleichzeitig „Experimentierräume“ bei Arbeitszeiten schaffen. Im Klartext: die Höchstarbeitszeit von 8 Stunden pro Tag soll gelockert werden. Ein direkter Angriff auf eine der wichtigsten Errungenschaften der Arbeiterbewegung in Deutschland!
Auch beim Umweltschutz steht die SPD im krassen Kontrast zu ihrem Wahlkampf vor einigen Wochen. Haben sie damals Olaf Scholz als „Klimakanzler“ inszeniert, zeichnet er sich nun vor allem durch Stillschweigen aus. Es ist richtig, dass Tausende Jugendliche sich durch diese Politik betrogen fühlen! Erst vor wenigen Wochen skandierten 20.000 Schüler auf einer Fridays-for-Future Demonstration in Berlin den aus der Novemberrevolution stammenden Spruch „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ und blockierten das Willy-Brandt-Haus.[1] Doch wer den Spruch anfängt…
Wer war mit dabei? Die Grüne Partei!
…sollte ihn auch zu Ende sagen! Die Politik der Grünen gleicht einem einzigen inszenierten Theaterstück. Sie stehen der SPD in nichts nach. Konnten sie bei den Wahlen noch viele Erstwähler mobilisieren und als Opposition zur bisherigen Politik auftreten, entpuppt sich das jetzt als heiße Luft!
Einige Beispiele sind bezeichnend. Während sie in ihrem Wahlprogramm lautstark Hartz IV angriffen und von seiner nötigen „Überwindung“ sprachen, haben sie jetzt bloß die Umbenennung von Hartz IV in „Bürgergeld“ angekündigt – ein netteres Wort für das gleiche Elend! Außer, dass es bessere Möglichkeiten zum „Zuarbeiten“ geben soll, wurde kein Wort verloren, wie es sich vom bisherigen ALG II unterscheiden soll: Kein Wort zu einer Erhöhung des Monatsbetrags, keines zu einem Ende der brutalen und unsozialen Sanktionen! Sogar die eigene Jugendorganisation ist empört und fordert mindestens 600€ monatlich ohne Sanktionen und hat mit einer Ablehnung des Koalitionsvertrags gedroht.
Nein zur Zerschlagung der Deutschen Bahn. Für ein Programm im Interesse der Arbeiter und der Jugend
Ebenso stecken Grüne und FDP hinter einem der empörendsten Pläne der Ampel. Sie schlagen die Zerschlagung, Ausgliederung und Privatisierung der Deutschen Bahn AG vor, bisher zu 100% in der Hand des Bundes. Der Betrieb des Schienennetzes soll in der Hand einer GmbH nach dem „Allgemeinwohl“ funktionieren, während der Betrieb auf der Schiene vollends privaten Firmen übergeben werden soll. Das ist Privatisierung in ihrer dreistesten Form: Die Gewinne werden privaten Anbietern gegeben, während Verluste und Schäden aus öffentlichen Geldern bezahlt werden!
Jeder sollte sich angesichts dieser „grünen“ Politik fragen, in wessen Interesse die Grünen arbeiten. Sieht so Umweltschutz im Interesse der Beschäftigten, der Jugend und der Armen aus? Oder handelt es sich nicht schlicht um eine grün angestrichene neoliberale Politik aus Privatisierungen, Kürzungen und Umverteilung von Unten nach Oben?
Wir brauchen keine Privatisierung der DB, die eines der wichtigsten und umweltfreundlichsten Verkehrsmittel Deutschlands noch weiter für den „freien Markt“ (also die zerstörerische Anarchie des Kapitalismus) öffnet! Wir brauchen einen demokratisch geplanten Ausbau des Schienennetzes und des Betriebs und einen kostenlosen Nah- und Fernverkehr, im Interesse der Beschäftigten und der Kunden; eine komplette Rückverstaatlichung der Deutschen Bahn unter Arbeiterkontrolle!
SPD und Grüne werden die Sparpolitik der Merkel-Ära nicht beenden!
SPD und Grüne werden die neoliberale Kürzungsorgie der Merkel-Ära nicht beenden. An allen entscheidenden Stellen – die Aufrechterhaltung von Hartz IV und Schwarzer Null, der absurde Plan, einen Teil des Rentenfonds an den Aktienmärkten anzulegen, kein Wandel in der Wohnpolitik, Christian Lindner als Finanzminister, Verteidigung und Gesundheit,... – zeichnet sich eine Fortsetzung ab.
Diese Politik ist ein Balanceakt für die Ampelparteien und den neuen Bundeskanzler Olaf Scholz. Laut einer Forsa-Umfrage sind die Zustimmungswerte für eine Ampelkoalition allein im Zeitraum von der Wahl bis Mitte November um 10% (von 40% auf 30%) gesunken.
Und wäre ein Bruch mit der Sparpolitik in den Schranken des Kapitalismus überhaupt möglich? Im vergangenen Jahr hat die Regierung – unter Zustimmung aller großen Parteien – ein Rettungspaket für Banken und Konzerne verabschiedet, das in seinem Volumen (ein Drittel des BIP) keinen Vergleich kennt. Auch macht sich die kapitalistische Krise kräftig bemerkbar: Bereits im August ist die Industrieproduktion wieder um 4% zurückgegangen; die internationalen Konflikte der Supermächte und die bisher heftigste Corona-Welle verhindern eine „baldige wirtschaftliche Erholung“, wie sie von den kapitalistischen Ökonomen seit eineinhalb Jahren vorausgesagt wird.
Die Ampelparteien haben gezeigt, dass wir es sein werden, die die Folgen dieser Krise am heftigsten spüren. Das wird auch in Zukunft die Stabilität einer Ampel-Regierung untergraben und SPD und Grüne zunehmend in Konflikt mit großen Teilen ihrer eigenen Basis bringen. Wirkliche Veränderungen werden nicht von der Führung dieser Parteien in der Regierung kommen! Sie werden auch in den nächsten Jahren auf der Straße und in den Betrieben erkämpft werden!
Zurück auf die Straße, streiken im Betrieb! Für eine Sozialistische Offensive der Arbeiterklasse
Die sinkende Zustimmung für die Koalition und die Krise eröffnen klare Perspektiven für eine linke Politik. Es ist eine wichtige Entwicklung, dass die EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) Protest gegen die Zerschlagung der DB AG angekündigt hat, genauso wie der DGB als Ganzes Widerstand gegen eine mögliche Änderung des Gesetzes zur Höchstarbeitszeit leisten will.
Die wichtigste Aufgabe für jede Partei, die sich auf die Fahne schreibt, die Interessen der Arbeiter zu vertreten, ist es, an diesem Widerstand anzusetzen und eine wütende Kampagne in den Betrieben und Schulen gegen diese massiven Angriffe auf unsere Lebensbedingungen zu starten.
Doch die LINKE benimmt sich wie ein geprügelter Hund. Sie hat eine Wahlniederlage eingefahren, aber statt die Lehren daraus zu ziehen, hüllt sie sich in Schweigen. Dabei war das schlechteste Wahlergebnis in ihrer Geschichte die Quittung einer Politik des Anbiederns an die herrschende Politik auf Landes- und Bundesebene und die Aufgabe ihres eigenen Programms bei jeder Gelegenheit!
Der neoliberale Kurs der Ampelregierung wird neue soziale Konflikte hervorbringen. Wir kämpfen innerhalb der Partei, auf der Straße, in den Schulen und Betrieben für eine Arbeiterpartei, die mit dem Programm des Marxismus bewaffnet ist und für die Enteignung der Finanzoligarchie und die Verstaatlichung des gesamten Reichtums des Landes unter demokratischer Kontrolle eintritt – für einen echten, sozialistischen Umbau der Gesellschaft!
[1] Die bürgerliche Politik reagierte empört darauf. CDU-Politiker Christoph de Vries nannte es „Nazi- und Kommunistenrhetorik“ und forderte die Beobachtung vom Verfassungsschutz, wenn sich FFF weiter radikalisiert (https://www.welt.de/politik/deutschland/article234593108/Wer-hat-uns-verraten-Kontroverse-um-Fridays-for-Future-Kritik-an-SPD.html, https://politik.watson.de/nachhaltigkeit/analyse/784786797-radikalisierungs-vorwuerfe-gegen-fridays-for-future-das-sagt-ein-protestforscher).