Rechte raus aus dem Parlament und runter von der Straße!

Die AfD präsentiert sich gern als eine Anti-Establishment-Partei, die den Ungehörten eine Stimme geben, und einen Gegenpol zu den anderen „Altparteien“ stellen will.

Dabei verfolgt sie eine hetzerische Politik im Interesse des Kapitals: Sie ist für die Abschaffung der Erbschafts-, und Vermögenssteuer, in ihr finden sich organisierte Vertreter von Unternehmerschaft und Adel, sie wurde von Anbeginn von den reaktionärsten Schichten der Reichen und Mächtigen in diesem Land unterstützt. Auch wenn der sozialdemagogische Flügel der AfD derzeit im Aufwind ist, ist sie nach wie vor eine arbeiterfeindliche Kapitalpartei.

Der folgende Artikel wird sich insbesondere mit der Strömung des Anarchokapitalismus innerhalb der AfD beschäftigen und aufzeigen, wie weit diese Strömung ihre Kreise zieht und in Wirtschaft und anderen bürgerlichen Parteien involviert ist.

Was meint Anarchokapitalismus überhaupt?

Der Anarchokapitalismus bezeichnet eine Ideologie, die den Staat minimieren und langfristig abschaffen will. Der Begriff wurde maßgeblich durch Ludwig von Mises (zusammen mit Friedrich August von Hayek der bedeutendste Vertreter der sogenannten Österreichischen Schule) geprägt, der die marxistische Losung einer „Anarchie des Marktes“ aufgriff und seinen ökonomischen Interessen – als Kind einer wohlhabenden Adelsfamilie und führender Wirtschaftsberater – entsprechend eine passende Utopie lieferte. In dieser vermeintlichen Utopie herrscht uneingeschränkt der freie Markt. Staat sowie Nationalgrenzen sind abgeschafft und weichen den Gebieten von Konzernen. Dementsprechend würde eine staatliche Polizei durch Privatarmeen und Sicherheitsdienste ersetzt, Konzerne würden private Gefängnisse betreiben und die Bewohner der jeweiligen Gebiete würden nach ihrem Wert als Arbeitssklaven der Unternehmen beurteilt werden – so etwas wie Gewerkschaften oder gemeinsame Forderungen der Arbeiter wären also unmöglich.

Der Anarchokapitalismus ist also die Vorstellung eines dystopischen Totalkapitalismus, eine absolute, unumstößliche Herrschaft der Eliten.

Die AfD und der Marktradikalismus

Die vorangegangenen Ausführungen sind nicht bloß Fantasien aus den Kommentarspalten von Reptiloiden-Videos bei Youtube, sondern ernsthafte Bestrebungen von einigen der (einfluss-)reichsten Menschen in Deutschland. Einer dieser Protagonisten ist Markus Krall. Krall ist seit September 2019 Geschäftsführer von Degussa Goldhandel. Der Name des Unternehmens hat eine lange Tradition: Degussa und Tochterfirmen wie Degesch machten während der Nazi-Diktatur fette Profite, beispielsweise mit der Verarbeitung von geraubtem Zahngold von KZ-Häftlingen oder mit Lieferungen des tödlichen Zyklon B, mit dem über ein Million Menschen vergast wurden.1

Im Jahr 2006 hat sich Degussa in Evonik Industries umbenannt und hat historisch nichts mit dem Degussa zu tun, dessen Geschäftsführer Krall ist. Stattdessen hat August von Finck Junior2, mit einem Vermögen von geschätzten acht Mrd. US-Dollar auf Platz 172 der weltweit reichsten Menschen, 2010 zwei Mio. Euro für die Namensrechte an „Degussa“ bezahlt, um sich damit freiwillig in die Tradition dieser Naziverbrechen zu stellen.

Degussa-Geschäftsführer Markus Krall steht auch für seine politischen Positionen in der Öffentlichkeit: Er hat mehrere Bücher zu einem kommenden Crash geschrieben, den er 2020 prognostizierte. In seinem Buch „Die bürgerliche Revolution“ sagt er voraus, dass es einen Umsturz geben würde, bei dem Antifa und Islamisten gemeinsam versuchen würden „ihre“ Gesellschaft aufzubauen und dass es dann eine Konterrevolution geben müsse, die sein Programm umsetzen müsse, welches eine Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts beinhaltet und stattdessen die Wahl eines Wahlkönig auf Lebenszeit vorsieht, jedoch ohne die Stimmen aller jener, die jedwede Art von staatlichen Leistungen beziehen, darunter Hartz4-Empfänger, Bafög-Bezieher ebenso wie Arbeiter aus staatlich subventionierten Betrieben.

So abwegig diese Thesen klingen, sind diese trotzdem kein Hindernis, Krall als gern gesehenen Redner über seine Agenda des Umsturzes bei verschiedensten Veranstaltungen und Medien einzuladen: 2019 bei der Landtagsfraktion der AfD Schleswig-Holstein3, 2020 beim Kopp-Kongress des rechten Kopp-Verlags, in der Jungen Freiheit, genauso wie bei Sparkassen oder der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung – seine anarchokapitalistischen Ideen ziehen also weite Kreise, sind aber in der AfD besonders wirkmächtig.

Ein weiterer Vertreter des Anarchokapitalismus, Tomasz Froelich (ehemaliger Assistent von Jörg Meuthens), moderierte 2020 ein Gespräch zwischen Markus Krall und Jörg Meuthen im Europaparlament.4 Froelich, inzwischen Pressesprecher der AfD im EU-Parlament und stellvertretender Bundesvorsitzender der AfD-Jugend, engagierte sich beim Mises-Institut, einem neoliberalen und anarchokapitalistischen Thinktank, der sich die Adresse im Impressum mit der Münchener Degussa Filiale teilt (Promenadenplatz 12). Inzwischen hat sich bestätigt, dass Degussa-Besitzer Finck indirekt mehrere AfD-Veranstaltungen in Höhe von mindestens 100.000 Euro finanziert hat. Fincks Firma war auch einer der Hauptlieferanten des Goldes, das die AfD zeitweise in ihrem Shop anbot und damit in den ersten Jahren ihre finanzielle Basis stärkte.

Die AfD und die Ideologie des Marktradikalismus hängen unmittelbar miteinander zusammen – das zeigt sich auch beim Spitzenpersonal: Zwei von Meuthens Assistenten, Tomasz Froelich und Dominik Hennig, waren Herausgeber einer „anarchokapitalistischen“ Zeitschrift und erhielten dafür den Roland Baader-Preis, eine wichtige Auszeichnung für verdiente Vertreter der ultraliberalen Österreichischen Schule.

Alice Weidel wiederum arbeitete 2005/6 als Analystin bei Goldman Sachs, und schrieb im Anschluss eine Doktorarbeit über das chinesische Rentensystem, in der sie Privatisierungen und Rentenkürzungen vorschlug. Beatrix von Storch, Alice Weidel und Peter Boehringer tauchen außerdem auf Mitgliederlisten der Hayek-Gesellschaft auf. Im Januar gab es bereits die zweite Austrittswelle aus der Gesellschaft aufgrund einer fehlenden Abgrenzung zur AfD.5

Was tun gegen Kapitalismus und AfD?

Die ultrareaktionäre Ideologie des Anarchokapitalismus und sogenannter Libertärer ist ein Generalangriff auf die Arbeiterbewegung und sozialistische Ideen. Sie verkörpert den Wunschtraum nach einer absoluten Zerschlagung der Organisierung der Arbeiterklasse und ein endgültiges Ende des Klassenkampfes von unten. Diese Dystopie wird entsprechend vor allem von dem reaktionärsten Teil der Bourgeoisie vertreten. Aus diesem Grund sind arbeiterfeindliche und marktradikale Tendenzen von Geburt der Partei an fest in der AfD verwurzelt, und eine Reihe von Millionären und Milliardären stehen schon seit Anbeginn hinter der Partei: Seien es August von Finck, der Bauunternehmer Christian Krawinkel, der der AfD 100.000 Euro spendete, der Duisburger Milliardär Henning Conle der die Partei von Anfang an finanzierte und geheime Treffen mit führenden Parteivertretern wie Alice Weidel abhielt, oder auch Folkard Edler, Hamburger Reeder und Millionär, der als „Finanzier der Neuen Rechten“ in Deutschland gilt.

So ist es kein Wunder, dass sich eben diese Strömung maßgeblich am Aufbau der AfD beteiligt hat und auf einen Schulterschluss mit den rückständigsten Teilen des Kleinbürgertums und der Mittelklasse setzt, um durch das Schüren von Rassismus Deklassierte gegen Migranten aufzuhetzen.

Diese Zusammenarbeit zeigt deutlich die Lüge auf, die hinter der Sozialdemagogie von AfD-Führern wie Höcke steckt. Wer den Kampf für höhere Löhne, Arbeit für alle und eine sozialistische Gesellschaft im Interesse der arbeitenden Klasse führen will, muss die AfD und den Kapitalismus gemeinsam bekämpfen! Dieser Kampf kann aber nur gewonnen werden, wenn wir uns organisieren – deshalb rufen wir alle dazu auf, mit uns in Diskussion zu kommen und sich unter dem Banner des Marxismus zu organisieren und zu kämpfen!

1 https://www.welt.de/print-wams/article115927/Wie-Degussa-mit-den-Nationalsozialisten-wuchs.html

2 August von Finck Junior ist selbstverständlich nicht mit eigener Arbeit so reich geworden, sondern hat geerbt. Sein Vater August von Finck Senior war ein früher Bewunderer Hitlers, schon seit 1933 NSDAP-Mitglied und nahm am Geheimtreffen vom 20. Februar 1933 teil, bei dem verschiedene Industrielle einen Wahlfonds von 3 Millionen Reichsmark für die NSDAP beschlossen. Hitler sollte von Finck dafür später mit der „Arisierung“ jüdischer Banken belohnen, wie beispielsweise der Übernahme des Wiener Privatbankhaus der Rothschilds durch die Fincks. Die barbarische Geschichte des Finck-Clans geht bis ins 18. Jahrhundert zurück, aber das soll hier außen vor gelassen werden.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-unterstuetzung-die-spur-zu-milliardaer-august-von-finck-a-1240069.html

3 Den Vortrag kann man hier ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=B6fOx7jevaM

4 http://www.wordstatt.com/images/PDF/uebersicht%20muenchner%20wirtschaftsgesprche%202012_2011.pdf

5 https://www.spiegel.de/wirtschaft/afd-streit-zerreisst-liberale-hayek-gesellschaft-a-cee3c3af-41ff-4214-8223-bfce080825fe

 

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