Seit November diesen Jahres sind in Frankreich erneut Hunderttausende auf die Straße gegangen. Ein Bündnis aus Gewerkschaften und Journalistenverbänden ruft zu Protesten gegen das von der Macron-Regierung angekündigte „Loi Securité Global“ („globales Sicherheitsgesetz“) auf. Dieses ist ein weiterer Schritt zum Ausbau der Polizei, die dadurch neue Befugnisse zur Überwachung der Bevölkerung und ein vergrößertes Budget bekommt. Der besonders umstrittene Artikel 24 würde sogar das Filmen der Polizei „bei einer möglichen Gefährdung der Beamten“ verbieten – was genau das heißt, liegt im Ermessen der Polizei selbst.

Formierung und Aufmarsch für den Klassenkampf von oben

Emmanuel Macron und sein Innenminister Darmanin sehen in der aktuellen Corona-Lage und den letzten islamistischen Terroranschlägen wie am 29. Oktober in Nizza eine günstige Gelegenheit, die weitere Stärkung des bewaffneten Arms der französischen herrschenden Klasse voranzutreiben. Das kommt äußerst gelegen; so hat sich der von breiten Teilen der französischen Arbeiterklasse und Jugend gehasste Macron in den letzten Jahren immer wieder auf den Polizeiknüppel stützen können, um die großen Ausbrüche des Klassenkampfes in Frankreich wie die Gelbwesten-Bewegung oder die großen Streikwellen im Verkehrswesen brutal zu unterdrücken.

Seit dem 28.11. haben bis zu 300.000 Demonstranten von Lyon und Marseilles über Straßburg bis Paris genau verstanden, dass es der Regierung nicht um den „Kampf gegen den Terror“, sondern um den Kampf gegen die eigene Bevölkerung geht.

Frankreich als Vorbild für Deutschland

Dieser Kampf ist auch für die deutsche Arbeiterklasse von Bedeutung. So hat die Merkel-Regierung in der BRD sich an Frankreich ein Beispiel genommen. Mit den Polizeiaufgabengesetzen, die in den letzten Jahren in jedem Bundesland angenommen wurden, hat die deutsche Polizei weitgreifende Befugnisse bekommen, wie die Einstufung von sog. „Gefährdern“, die tagelang ohne richtige Anhörung inhaftiert werden können. In den Großstädten wurde die Ausrüstung der Polizei schrittweise erweitert, sodass Polizeistreifen mit ihren Kevlar-Westen, Maschinenpistolen und Handgranaten im Kofferraum heute eher an Soldaten erinnern. Die Bundeswehr selbst wird während der Corona-Pandemie systematisch im Landesinneren eingesetzt.

Sowohl die bürgerlichen Gerichte als auch die bewaffneten Repressionsorgane des Staates nutzen die letzten Jahre, vor allem seit dem G20-Gipfel 2017, um reichlich Präzedenzfälle für zukünftige Einsätze zu schaffen: SEK-Einsätze auf Demonstrationen und monatelange Schauprozesse (mit fleißiger Unterstützung der Medien) sollen zum Normalfall werden. In Hamburg hat die Sozialbehörde seit G20 sogar begonnen, mittels Fragebögen linke Haltungen von Jugendlichen in Jugendzentren zu erfassen. Es ist eindeutig, in welchem politischen Spektrum die Behörden und Institutionen des Staates ihren Hauptfeind sehen.

Studie zu Rassismus in der Polizei?

Gleichzeitig wird eine ursprünglich gute Idee für eine unabhängige Studie zum Thema rassistische Polizeigewalt vom Innenministerium derart pervertiert, dass sie nun in den nächsten drei Jahren unter dem Titel „MEGAVO“ („Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“) von einer nicht ganz so unabhängigen Institution wie der Hochschule der Polizei durchgeführt werden soll. Horst Seehofer nimmt das Ergebnis derweil vorweg: Es soll herausgefunden werden, wie die Polizei in ihrer Arbeit noch weitere „Unterstützung erfahren kann“. Nicht undenkbar, dass sie zum Anlass genommen wird, die Polizeiaufgabengesetze nach dem französischen Beispiel noch zu erweitern.

So oder so ist klar, dass sich die deutsche Bourgeoisie vor allem mit dem Ausbau ihres Repressionsapparates auf die nächsten Jahre, die weitere tiefe Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen sehen werden, vorbereitet.

Das Beispiel Frankreich weist den Weg: durch die großen Proteste sah sich Macron gezwungen, zumindest Artikel 24 des Gesetzes vorerst zurückzunehmen. In einer solchen kraftvollen Bewegung steckt das Potenzial, das ganze Gesetz zu kippen! Nur die gemeinsame, konsequente Organisation auf den Straßen, in den Schulen und Betrieben kann eine Antwort auf die Repression geben und unsere Interessen verteidigen, auch in Deutschland!

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