In fast allen Bundesländern sind neue verschärfte Polizeigesetze eingeführt worden oder werden gerade vorbereitet. Nun plant auch der rot-grüne Senat in Hamburg eine Verschärfung. Medial wird es gern so dargestellt, als würde das Hamburger Polizeigesetz kaum eine Veränderung bedeuten. Zum Beispiel steht in einem Artikel der taz, dass im Hamburger Gesetz auf die Präventivhaft „verzichtet“ würde. Dabei ist die Hamburger Polizei im bundesweiten Vergleich schon heute mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und kann auch heute einfach schon Menschen bis zu zehn Tage in Gewahrsam nehmen, ohne, dass es dafür ein neues Polizeigesetz braucht. Auch Staatstrojaner, die für Online-Überwachung genutzt werden, stehen nicht im neuen Gesetzesentwurf, sondern sind bereits heute in kleinerer Variante erlaubt. Dieses Gesetz würde dafür andere Folgen haben, wie das Einführen von elektronischen Fußfesseln für potenzielle „Gefährder“, sowie die den leichteren Zugang zu Daten von Kontaktpersonen der „Gefährder“, die Ausweitung des Einsatzes von verdeckten Ermittlern auf bis zu neun Monate– statt wie bisher drei Monate – und die automatisierte Auswertung von gesammelten Personendaten, wie der politischen Meinung oder Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Auch die sogenannte Mitziehregel bedeutet in der Praxis, dass jeder, der zweimal auf Demonstrationen registriert wird, 20 Jahre lang in der Datenbank der Polizei gespeichert wird.
Die Verantwortlichen
Der Polizeigesetzesentwurf wird von Rot-Grün als moderater Kompromiss verkauft und soll nun möglichst schnell in der Bürgerschaft durchgepeitscht werden, damit kontroverse Debatten dazu rechtzeitig vor der Bürgerschaftswahl 2020 beendet sind. Der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) ist federführend bei der Einführung des Gesetzes, ohne jeglichen Widerstand innerhalb der SPD. Auch wenn die Grünen die Onlinedurchsuchung bundesweit angeblich ablehnen würden, haben sie in Hessen die Onlinedurchsuchung eingeführt, gemeinsam mit dem Koalitionspartner CDU. Die einzig kritische Stimme zum Gesetzesentwurf in der Bürgerschaft ist von der LINKEN zu hören.
Die Hintergründe: Polarisierung in Deutschland
Das Hamburger Polizeigesetz setzt einen Trend der letzten Jahre fort, bundesweit, europaweit und international – hin zu autoritären Maßnahmen wie dem Ausbau polizeilicher Befugnisse, der Verschärfung repressiver Mechanismen des Staates auf der einen Seite und Beschränken klassisch bürgerlich-demokratischer Rechte, wie die Einschränkung der Unschuldsvermutung auf der anderen. Der Grund dafür ist die tiefe Krise des Establishments: die Spaltung und Schwäche der herrschenden Klasse und der instabile Charakter der Regierungen, sowie ihre Angst vor der bevorstehenden Rezession.
Der Witz von einer Großen Koalition verliert ständig an Rückhalt und ob sie den Rest der Legislaturperiode überlebt, ist unklar. Die SPD kriegt die Quittung für die Agenda 2010, Hartz-Reformen und Riester-Rente. Unser Alltag ist geprägt von unsicheren Arbeitsverhältnissen, Wohnungsnot und schlechter werdender Infrastruktur, also die Kürzungspolitik der letzten Jahrzehnte, die das Establishment zu verantworten hat. Der Unmut unter der Oberfläche nimmt zu. Und so schwindet das Vertrauen in die klassischen bürgerlichen Parteien immer weiter und die politische Polarisierung nimmt zu: Massenproteste häufen sich, langsam kommt es wieder zu größeren gewerkschaftlichen Mobilisierungen aber gleichzeitig kommt es zu Wahlerfolgen der AfD, die zum Teil die Anti-Establishment-Stimmung einfangen kann.
Wie und wann der Unmut zum Vorschein kommt, können wir nicht vorhersagen. Aber klar ist, welche Rolle der Staat dabei spielt: Er tendiert dazu, sich für die kommenden Kämpfe zu rüsten. Sie bereiten mit den Polizeigesetzen, Aufrüstung von Polizei und Bundeswehr und anderen Maßnahmen ihren Kampf gegen die Linke und die Arbeiterbewegung vor. Schon jetzt nimmt die Repression gegen Linke zu, nicht nur mit den G20-Massenfahndungen, sondern auch mit den Repressionen gegen Gruppen wie den Jugendwiderstand, die in den letzten Monaten Opfer von Razzien, Outings und anderen Angriffen geworden sind. Wir stehen mit allen Teilen der Arbeiterbewegung und politischen Linken, die von dieser staatlichen Repression betroffen sind, in Solidarität.
Wie kann das Polizeigesetz gestoppt werden?
Hamburg müsste sich die großen Proteste gegen die neuen Polizeigesetze in NRW und Bayern als Vorbild nehmen. An den Aktionsbündnissen in einzelnen Bundesländern hat sich zum Beispiel auch die Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten beteiligt. Aber auch die Gewerkschaft ver.di hat in NRW mit zur Großdemonstration gegen das Polizeigesetz mobilisiert. Sowohl der DGB mit seinen bundesweit Millionen Mitgliedern müsste offensiv zu den Protesten mobilisieren und Veranstaltungen gegen das Polizeigesetz organisieren. Es hat schon bei Protesten und Bewegungen in der jüngsten Hamburger Vergangenheit Befehlsverweigerungen von ganzen Hundertschaften gegeben (1).
Die Gewerkschaften GdP und DPolG trommeln hingegen für die neuen Polizeigesetze in den Bundesländern. Der DGB ist der wichtigste Teil der deutschen Arbeiterbewegung und wir dürfen nicht vergessen: früh genug wird die Ausweitung polizeilicher Repression seine Mitglieder betreffen. Gerade das ist ein Grund mehr dafür, die Auseinandersetzung im DGB zu führen und auch Kooperationen, wie die mit den kritischen Polizistinnen und Polizisten zu nutzen.
(1) https://taz.de/Polizeieinsatz-gegen-Fluechtlinge/!5040536/