Seit Anfang des Jahres kommen immer mehr Details eines ungeheuren Betruges ans Tageslicht: Während Tausende Menschen in Deutschland 2020 Kurzarbeit, Entlassungen und Lohndrückerei fürchten müssen, hat der Vorstand des Münchener DAX-Unternehmens „Wirecard“ – ein Anbieter von Online-Zahlungsdiensten – positive Bilanzen erfunden, um sich finanziell zu bereichern.

Die Finanzaufsicht BaFin, die zuständigen Wirtschaftsprüfer und die Politik – mit Wirtschaftsminister Altmaier, Finanzminister (und Kanzlerkandidat!) Scholz und dem gesamten Kabinett Merkel an der Spitze – waren nicht „blind“; sie haben bewusst ihre Augen verschlossen und noch im letzten Jahr immer wieder den deutschen „Online-Hoffnungsträger“ verteidigt, während die dubiosen Geschäfte in anderen Ländern schon längst die Behörden auf den Plan gerufen haben!

Korruption und Kapitalismus

Das ist kein Zufall. Unser Wirtschaftssystem, der Kapitalismus, trägt Korruption tief in sich. Auch wenn Deutschland den Ruf eines „seriösen Finanzstandorts“ aufrechterhält, zeigt ein näherer Blick, dass Korruption in Politik und Wirtschaft weit verbreitet ist. So waren 2018 von allen offiziell angezeigten Korruptionsstraftätern mehr als 3/4 Amtsträger. Dazu kommen allerlei erlaubte Formen der Bestechung und Vorteilnahme von Politikern, Beamten und der Wirtschaft.

Dass nicht jeder bürgerliche Staat zum Paradies für Geldschmuggler und Betrüger wird, wie es die Philippinen sind – über die ein Großteil des Diebstahls der Wirecard-Bosse abgelaufen ist – hat seine Gründe: ein weniger korrupter Rechtsstaat schafft größere Sicherheit und Verbindlichkeit für die Geschäfte der gesamten Kapitalistenklasse. Dennoch bleibt ein kapitalistischer Staat durch allerlei Möglichkeiten nutzbar für die Klasse der Kapitalisten, so dass deren Interessen immer im Vordergrund stehen werden.

Darum darf die Beschäftigung mit der Korruption nicht davon ablenken, dass auch der Regelbetrieb auf die Enteignung der Arbeiterklasse hinausläuft. Das Bürgerliche Gesetzbuch verteidigt das private Eigentum an Produktionsmitteln – an Fabriken, Maschinen, Ländereien usw., die von zentralster Bedeutung für die Erwirtschaftung und Planung des gesellschaftlichen Reichtums sind –, über das völlig undemokratisch und entlang der Profitinteressen einzelner privater Eigentümer entschieden wird. In etlichen Ländern dieser Welt drücken Arbeitgeber Löhne, zerschlagen Sozialsysteme, schaffen Steueroasen für Finanzmärkte und Bergbaukonzerne – völlig legal.

Egal ob Schäuble mit Schwarzgeldkoffern erwischt wird, ein Gerhard Schröder nach seiner Amtszeit bei Gazprom im gut bezahlten Vorstand landet, Jungpolitiker wie Amthor über 2000 „Aktienoptionen“ für „gewisse Gefallen“ im Bundestag bekommen,Millionen Euro an Parteispenden direkt von Großkonzernen ausgehen oder sich alle an die legalen Spielregeln halten: Im Kapitalismus bleibt das Resultat das Gleiche. Reiche bestimmen die Politik. Für die Interessen von Arbeitern und Armen bleibt da kein Platz.

Marsalek und Co.: Von Banken-Lieblingen zu Geächteten

Dass etwas Derartiges wie bei Wirecard möglich war ist nur das letzte Beispiel, auch wenn es durch die schieren Ausmaße und die besondere Dreistigkeit heraussticht. Der ehemalige Chef Markus Braun (inzwischen in Untersuchungshaft sitzend), der Vorstand Jan Marsalek (auf der Flucht) und ihre internationalen Gehilfen, die sich auf dem Rücken von Hunderten ehrlichen Beschäftigten, die jetzt vor eine insolventen Scherbenhaufen stehen, bereichert haben, zählen zweifellos zu den widerlichsten Fratzen eines Systems, das privaten Gewinn über Alles stellt. Ihre Verbrechen gehören restlos aufgedeckt, ihre Vermögen eingefroren und enteignet.

Aber die kritischeren bürgerlichen Kommentatoren haben zu Recht die Frage aufgeworfen: Wie konnte es dazu kommen? Denn das System, mit dem Marsalek und Co. milliardenschwere Kredite an Wirecard direkt in ihre eigenen Taschen umgeleitet haben, war denkbar einfach. Durch Kontaktpersonen aufgebaute Satellitenfirmen haben Umsätze erfunden und so die Bilanzen eines scheinbar stetig wachsenden Konzerns gefälscht, der daraufhin die großzügigen Kredite von 15 Banken ausgeschöpft und das Geld über die Partnerfirmen wieder hat verschwinden lassen. 2018 haben Banken wie die Commerzbank Wirecard auf diese Weise noch einen Kreditrahmen von 1,75 Milliarden Euro gewährt!

Die Heuchelei der „Experten“

Jeder, der sich einen neuen Fernseher über Raten finanzieren will, muss seine Zahlungsfähigkeit im Detail nachweisen, aber das größte Bankenkonsortium in Deutschland fragt nicht einmal nach, ob die angegebenen Konten überhaupt existieren, bevor es Milliarden an Euro bewilligt? Wirtschaftsprüfer wie Ernst & Young oder KPMG wollen über Jahre hinweg auch nichts bemerkt haben, können aber gleichzeitig höchst lukrativ als Unternehmensberatung für eben jenes Unternehmen tätig sein.

Aber die Insider und „Experten“, die jetzt bei Forderungen nach dieser oder jener kleinen Reform der Finanz- und Wirtschaftsprüfung stehen bleiben, die mehr Personal und Ausstattung für die zentrale Finanzaufsicht BaFin fordern und meinen, auf diese Weise so etwas in Zukunft verhindern zu können (wie es Olaf Scholz im Auftakt seines Wahlkampfes für die Kanzlerkandidatur getan hat) wollen tatsächlich gar nichts verändern!

Ja, die BaFin hatte über Jahre hinweg nur einen zuständigen Mitarbeiter für gesamt Wirecard. Aber war das ein Ausdruck mangelnder Kapazitäten? Wohl kaum, so konnten sie 2018 noch einen Rechtsstreit mit der Financial Times vom Zaun brechen – weil diese einen kritischen Artikel über Wirecard veröffentlichen wollte!

Kampf der bürgerlichen Politik und dem Finanzkapital!

Hätten wir es statt mit einer Ausbeuterklasse nur mit einzelnen Räubern wie Marsalek zu tun – wie viel einfacher wäre unser Leben! Denn der größte Skandal von allen ist doch längst aufgedeckt, wird in den bürgerlichen Medien aber nicht als solcher thematisiert: die alltäglichen Angriffe auf Arbeiterinnen und Arbeiter; die Milliardenprofite, die heute als Unternehmensgewinne völlig legal auf die Konten privater Anleger fließen, während die Millionen, die ihre Profite erarbeiten, in die Kurzarbeit geschickt werden, für weitere Millionen Entlassungen und Altersarmut drohen und lang erkämpfte Arbeitsrechte wie die 40-Stunden-Woche scheibchenweise zurückgedreht werden. Ist das die Politik der „ehrlichen“ Unternehmen, von denen uns die bürgerlichen Medien erzählen?

In einer Welt, in der unsere ehrliche Arbeit für die Profite einer Klasse an Kapitalisten ausgequetscht wird, egal ob bei Online-Dienstleistern oder in anderen Branchen, egal ob unter „ehrlichen“ Unternehmen (wie die, die das insolvente Wirecard jetzt übernehmen wollen) oder in solchen Betrugsimperien wie Wirecard, egal ob auf den Philippinen oder in der westlichen Welt: den Gewinn streichen die Bosse und ihre Politiker ein. Die Leidtragenden sind am Ende die Beschäftigten.

Ein konsequenter Kampf gegen jede Form der Ausbeutung – durch Verbot von Parteispenden, Offenlegung aller Bücher und Finanzen, Überführung der größten Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratische Kontrolle und Verwaltung der Arbeiter, Ausräucherung der internationalen Steuerschlupflöcher und Verfolgung aller korrupten Emigranten – würde direkt an die Eingeweide des kapitalistischen Systems gehen; ein System, das für die etablierte Politik höchst lukrativ ist.

Und natürlich muss auch der Wirecard-Skandal restlos aufgeklärt werden: In Hamburg müssen wir uns nur an den Warburg-Skandal erinnern. Damals sind, mit Olaf Scholz als Bürgermeister, Steuerzahlungen in Millionenhöhe durch die Warburg-Bank einfach verjährt. Politiker wie er müssen ziemliche Angst davor haben, was bei genauerer Betrachtung noch alles ans Licht kommen könnte.

Und ähnlich wie in Hamburg, oder noch davor bereits zu Zeiten von Panama-Papers und Cum-Ex, läuft auch der Wirecard-Skandal Gefahr, mit der Zeit erfolgreich unter den Teppich gekehrt zu werden, zumal in Zeiten von Corona. Da ändert es auch nichts, dass nach Marsalek jetzt international fahndet wird, inklusive Fernsehauftritt bei Aktenzeichen XY ungelöst.

Die schwärzesten Schafe sollen geschlachtet werden, damit die Herde weiter grasen kann.

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