Rekord-Teuerung bei Lebensmitteln und Energie – Rekord-Profite für Konzerne und Banken. Sozialistische Antworten sind nötig!
Der regelmäßige Gang zum Supermarkt wird im Moment für immer mehr Menschen zur Belastungsprobe: Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die großen Lebensmittel-Discounter wieder Preise anheben. Egal ob Nudeln, Milch, Gemüse oder Schokolade – Ausnahmen von der massiven Teuerung der letzten Monate gibt es praktisch keine. Dazu kommen explodierende Energiepreise. Gas, Strom, Benzin und Co. waren alleine im Mai 39,2% teurer als noch im Vormonat. Verbraucher sollen sich – so heißt es etwa in der Berliner Morgenpost – auf Nebenkosten-Erhöhungen im vierstelligen Bereich (!) gefasst machen…
Sozialer Abstieg für Millionen
Die aktuellen Inflationsraten von monatlich über 7% (bei Grundnahrungsmitteln und Energie sogar zweistellig) sind die höchsten seit Jahrzehnten und bedeuten nichts anderes als das Zurollen einer bislang ungekannten Welle von Massenverelendung auf weite Teile der Bevölkerung. Laut einer Umfrage aus dem Juni sind 15 Mio. Menschen in Deutschland auf ihrem Konto im Dispo, haben also keinerlei Guthaben mehr. In der Gruppe der 25-34-Jährigen trifft das sogar auf jeden Dritten zu! Schon 2021 stieg die Armutsquote auf ein Rekordhoch von 16,6% (knapp 14 Mio. Menschen) – und das war vor Beginn des Preis-Wahnsinns in diesem Jahr.
Selbst Schichten der Bevölkerung, die bisher von extremer Armut verschont waren, können jetzt binnen kürzester Frist in die Armutsfalle rutschen und sehen einem rasanten Verfall des eigenen Lebensstandards entgegen. Schon im April ergab eine Umfrage, dass 54% der Menschen in Deutschland Angst haben, wegen der Inflation ihren Wohlstand nicht halten zu können. Heute rangiert die Sorge vor Armut und Inflation auf Platz 1 der größten Ängste der Bevölkerung. Soziale Explosionen werden damit auch hier auf die Tagesordnung gesetzt.
Die Reichen profitieren
Der Zynismus der Herrschenden beim Umgang mit der aktuellen Preiskrise kennt keine Grenzen: Wirtschaftsminister Habeck fordert die Bevölkerung auf, kalt zu duschen und will Schulen und andere öffentliche Gebäude im Winter nicht mehr beheizen lassen. Gleichzeitig erklimmen die Profite der Konzerne und Banken neue Rekorde: Die Dividenden der deutschen Großkonzerne an ihre Aktionäre werden 2022 voraussichtlich 70 Mrd. Euro betragen, knapp 50% mehr als im vergangenen Jahr und 22% mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019.
Milliardenprofite in den Krisenjahren haben deutlich gemacht, dass die herrschende Klasse immer Wege findet, auch in der Krise ihre Profite auszupressen. In diesem Sinne äußerte sich der Finanzspekulant Hendrik Leber dem Focus gegenüber auf die Frage, ob er sich über einen Börsencrash freue, folgendermaßen: „Ja, ich habe meinem Team gesagt, lasst uns auf die Jagd gehen. Denn uns kommen reihenweise tolle Gelegenheiten entgegen, Aktien, die bisher immer zu teuer waren. Ich bin in einer richtig positiven Stimmung!“[1]
Besonders dreist ist vor diesem Hintergrund die Lüge der „Lohn-Preis-Spirale“, wonach angeblich Lohnerhöhungen die Inflation ankurbeln würden. Dabei sind steigende Preise kein Naturgesetz. Die betreffenden Konzerne stehen nicht vor der Insolvenz oder sind „gezwungen“, die Preise anzuheben. Sie müssen auch nicht „den Gürtel enger schnallen“ – sie wollen einzig und allein auf Kosten unseres Lebensstandards ihre Gewinnmargen retten, für die die Aktionäre selbst keine Minute arbeiten mussten. Gemäß einer Studie der LINKEN im Europaparlament ist zu erwarten, dass allein die Mineralölkonzerne in diesem Jahr Kriegsgewinne von über 1.000 Mrd. Euro einfahren werden. Statt am Lebensstandard der Ärmsten zu kürzen, wäre es daher die richtige Maßnahme, die parasitären Profiteure aus der Rechnung zu streichen und die Energiekonzerne unter Kontrolle der Arbeiter in staatliche Hand zu nehmen!
Aufstände weltweit
Die Medien bestehen darauf, dass die Krise der Lebensmittelversorgung durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst worden wäre. Aber Fakt ist, dass Inflation und Nahrungsmittelkrise schon vor dem Krieg im Entstehen begriffen waren: Die Preise für Düngemittel erreichten einen neuen Höchststand, und die Preise für Getreide und Sonnenblumenprodukte hatten bereits das Niveau von 2011 übertroffen. Dazu kommt, dass Spekulationen mit Rohstoffen für private Profite – trotz eigentlich steigender Produktionsmenge – die Preise künstlich in die Höhe treiben.
Noch drastischere Auswirkungen als in Deutschland haben die Preissteigerungen schon jetzt in anderen Ländern Europas und in Regionen des globalen Südens. In Griechenland und Albanien etwa sind seit Februar Massenproteste von zehntausenden Arbeitern und Jugendlichen ausgebrochen, die sich gegen Verarmung, steigende Benzinpreise und Kürzungspolitik der Regierungen richten. In Teilen Westafrikas drohen steigende Weltmarktpreise für Getreide zu Brotknappheit und Hunger bei knapp 40 Mio. Menschen zu führen. Auch hier sitzen die Herrschenden auf einem Pulverfass.
Ein besonders beeindruckendes Beispiel für Gegenwehr ist der revolutionäre Aufstand in Sri Lanka. Dort haben monatelange Massenkämpfe gegen Hunger und Benzinknappheit zum Sturz der Regierung, zur Flucht des Präsidenten ins Exil und zur Erstürmung seiner Residenz durch Demonstranten geführt. Die arbeitenden Massen haben die Machtfrage offen gestellt und können sie aktuell nur deshalb nicht im Sinne der sozialistischen Revolution beantworten, weil ihnen eine energische revolutionäre Führung fehlt. Der siegreiche Aufstand in Sri Lanka hat aber jedes Potenzial, eine Kettenreaktion auszulösen. Ein Überspringen der Proteste auf andere Länder des südasiatischen Raums könnte zu einer revolutionären Welle führen, wie wir sie zuletzt 2011 im Zuge des „Arabischen Frühlings“ erlebt haben.
Sozialistische Antworten auf Krise und Inflation
Die umfassende Preisexplosion dient der Profit-Sicherung der großen Unternehmen in einer Wirtschaft, deren erster Maßstab der Profit einzelner Eigentümer ist. Doch die Antwort auf die krisenhaften Lebensbedingungen der Massen ist in der kapitalistischen Profitlogik nicht zu finden. Vielmehr zeigt der Preiskampf gegen Arbeiter und Arme einmal mehr, dass diese kapitalistische Gesellschaft nicht im Sinne unserer Bedürfnisse funktioniert.
Vergangene Revolutionen liefern eindrucksvolle Beispiele dafür, wie revolutionäre Bewegungen die Krise der Versorgung und des Hungers von heute auf morgen lösen könnten. In der portugiesischen Nelkenrevolution 1974 beispielsweise wurde die Verteilung der Lebensmittel in den Supermärkten zeitweise durch Arbeiter kontrolliert, die unter anderem Preisdeckel und -kontrollen auf lebenswichtige Güter einführten.
Um die verheerenden Auswirkungen der Inflation umgehend zu beenden, wäre es nötig, die Lebensmittelindustrie, ebenso wie Energieproduzenten, Schlüsselindustrien und Banken zu verstaatlichen, und ihre Produktion unter Kontrolle der arbeitenden Klasse im Sinne der Bedürfnisse zu planen.
Ein vollständiges Ende von Inflation und Wirtschaftskrisen kann es nur in einer Gesellschaft geben, die die Produktion dem privaten Profit und dem Markt entzogen hat – in einer sozialistischen Gesellschaft. Dafür zu kämpfen bleibt das Ziel der revolutionären Marxisten.
Nötig ist heute ein Programm von folgenden Sofortmaßnahmen:
- Bindung der Löhne an die Preise in Form der gleitenden Lohnskala (automatische Lohnerhöhung mit steigenden Lebenshaltungskosten).
- Erhöhung des Mindestlohns auf 15 € pro Stunde.
- Erhöhung staatlicher Sozialleistungen (Grundsicherung, gesetzliche Renten usw.) um mindestens 10 % und Übernahme aller zusätzlich anfallenden Energiekosten.
- Finanzierung der sozialen Sonderausgaben durch eine Vermögensabgabe der Krisengewinnler aus Konzernen und Großbanken.
- Durchsetzung von Preiskontrollen und Höchstpreisen bei lebensnotwendigen Gütern durch Staat, Gewerkschaften und Belegschaftskomitees.
- Entschädigungslose Enteignung aller Unternehmen, die sich solchen staatlichen Preiskontrollen widersetzen. Fortführung der Produktion unter Leitung der Belegschaften.
- Verstaatlichung der Banken, Schlüsselindustrien und Energieriesen unter demokratischer Kontrolle der Arbeiterklasse.
[1] Focus 2020 zititert nach Klundt 2020: 13f.