Tricksereien bei der Kurzarbeit

Lieber Hans*, du arbeitest in einem kleinen Hamburger Betrieb, der Steuerberatung und Buchhaltung anbietet. Wie viele Kollegen arbeiten in deinem Betrieb und wem gehört er?

In meinem Betrieb arbeiten etwa 20 Leute. Einige machen schwerpunktmäßig Steuererklärungen und andere vor allem Buchhaltung für Kleinunternehmer. Die restlichen Mitarbeiter kümmern sich um die interne Organisation, den Kundenempfang und das Telefon. Das Unternehmen hat zwei Besitzer.

Sicherlich ist auch euer Büro von Corona und der Krise betroffen. Wie erlebst du die Arbeit dort aktuell, und wie haben sich die Arbeitsbedingungen verändert?

Im April haben wir die Kundentermine reduziert.

Es wurde mehr per Telefon und Internet geregelt. Viele Kunden sind erst im Mai und Juni, statt im März und April für ihre Steuererklärung gekommen. Zudem wurde uns vorgeschrieben, bei Kundenterminen, die Arbeitnehmersteuererklärungen betreffen, Mundschutzmasken zu tragen, die wir selbst kaufen müssen. Bei Terminen mit Kleinunternehmern, die mehr bezahlen, müssen keine Masken getragen werden. Zudem wurde uns ein Schreiben vorgelegt, in dem wir Kurzarbeit im Betrieb per Unterschrift zustimmen sollen. Einigen Kollegen wurde mit Entlassung gedroht, für den Fall, dass sie nicht unterschreiben. Letztlich wurde aber niemand entlassen. Interessant fand ich, dass auch die Kollegen statt Gehalt Kurzarbeitergeld bekommen haben, die der Zahlung von Kurzarbeitergeld nicht zugestimmt haben.

Bedeutet das auch, dass eure Arbeitszeit entsprechend reduziert wurde?

Einige Kollegen durften im April für drei Wochen zu Hause bleiben. Dafür haben sie dann Kurzarbeitergeld ohne Aufstockung bekommen. Andere haben normal weitergearbeitet und waren wie gewohnt 40 Stunden pro Woche im Büro. Diese Kollegen haben dann Kurzarbeitergeld und dazu noch ein Darlehen bekommen, so dass sie nicht weniger auf dem Konto hatten, als zuvor. Die Stempeluhr zur Zeiterfassung wurde im April abgeschaltet.

Kurzarbeit soll ja laut Bundesregierung eine Option sein, um Betriebe aus der Krise zu „retten“ und Stellenstreichungen zu verhindern. Ist dein Eindruck, dass der Betrieb ohne Kurzarbeit vor dem Aus stünde?

Ich vermute, dass unsere Umsätze und der Gewinn der Eigentümer in diesem Jahr deutlich höher ausfallen werden. Die Ausgaben für den Chef haben sich durch die Zahlung der Löhne als Kurzarbeitergeld aus der arbeitnehmerfinanzierten Arbeitslosenversicherung deutlich reduziert. Es wurden Ende Mai / Anfang Juni sogar drei neue Kollegen eingestellt. Stellenstreichungen waren nie ein Thema.

Es gab also überhaupt keine Grundlage für die Verlagerung der Lohnkosten auf die Sozialversicherung. Hast du dich bei deinem Chef über die Situation beschwert?

Ich habe mich beschwert. Mir wurde daraufhin fehlende Solidarität mit dem Betrieb vorgeworfen, da die eingesparten Gehälter ja reinvestiert würden.

Wie ist die Stimmung unter den Kollegen?

Die Unzufriedenheit ist groß, weil wir letztendlich aus der von uns bezahlten Arbeitslosenversicherung bezahlt wurden, statt von den Eigentümern. Uns wurde aber verboten, miteinander über das Thema zu reden.

Hast du dich damit schon an ver.di gewandt?

Ja, natürlich. Dort wurde ich an die an Private ausgelagerte Rechtsberatung verwiesen, und die hat mir empfohlen so zu tun, als wüsste ich nicht, dass das Verhalten des Arbeitgebers nicht in Ordnung ist. Ich habe die Gewerkschaft darum gebeten, mir dabei zu helfen, dass der Arbeitgeber zumindest meine Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer korrekt abführt. Das hat man aber nicht tun wollen.

Denkst du in anderen Betrieben könnte eine ähnliche Situation entstanden sein wie bei dir?

Das vermute ich, denn weder die Agentur für Arbeit, noch die Sozialversicherungen, noch das Finanzamt führen regelmäßige Überprüfungen durch, die über die Prüfung der durch die Arbeitgeber vorgelegten Unterlagen hinausgehen.

 

*Name wurde zur Unkenntlichmachung der Person geändert

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