Das Coronavirus hat das wahre Gesicht des Kapitalismus enthüllt. In jedem Land nutzen die großen Monopole und das Finanzkapital ihren jeweiligen Staat, um ihre Unternehmen zu retten. Und überall auf der Welt greifen sie unsere demokratischen Rechte an, um die Pandemie zu bekämpfen. Engels definierte den Staat letztlich als Gruppe von bewaffneten Menschen zur Verteidigung von Eigentum. Diese Krise erweist sich als eine brutale Bestätigung.

In Portugal hat die Regierung das Streikrecht unter dem Deckmantel des Ausnahmezustands ausgesetzt, wobei sie nicht die Aussperrungen verbietet, sondern das Recht der Beschäftigten auf Widerstand. In Ungarn hat der reaktionäre Premierminister Orbán per Dekret die volle Regierungsgewalt ohne zeitliche Begrenzung erhalten. Außergewöhnliche Maßnahmen werden gleichermaßen von diktatorischen Regimes und von „konsolidierten Demokratien“ ergriffen: Jordanien, Israel, die Philippinen, die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Chile... In einem Land nach dem anderen wird die Rolle des Militärs gestärkt, die Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren normalisiert, die Arbeits- und Gewerkschaftsrechte werden beschnitten, ebenso wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Demonstrationsrechte, was der Zensur die Tür öffnet.

Militärische Sprache

Der spanische Staat bildet da keine Ausnahme. Obwohl er eine theoretisch „linke“ Regierung hat, hat sie die Sprache und die Mittel des Militärs übernommen. Als der Alarmzustand verordnet wurde, erklärte sich die Exekutive zur „kompetenten Behörde“: alle Polizeikräfte wurden dem Innenminister unterstellt, und die Hauptfigur dieser kompetenten Behörde ist der Verteidigungsminister. Nichts könnte weiter von einem Krisenkabinett wegen eines gesundheitlichen Notstands entfernt sein.

Es wurde ein technischer Verwaltungsausschuss eingesetzt, dem José Ángel González, stellvertretender Direktor für Polizeieinsätze, Laurentino Ceña, General der Guardia Civil, Miguel Villaroya, Chef des Verteidigungsstabs, und María José Rallo, Generalsekretärin für Verkehr und Mobilität, angehören. Ihre Pressekonferenzen sind denen einer Militärjunta ähnlich. Zwischen patriotischer Rhetorik und Kaserne-Terminologien fordern sie von der Bevölkerung „soziale Disziplin“, sie stellen fest, dass „wir alle Soldaten in diesem Krieg sind“ oder sie erinnern uns daran, dass „Felipe VI der erste Soldat Spaniens ist“.

Die von der Regierung proklamierte „nationale Einheit“ ist ein Trugschluss. Wir werden nicht gemeinsam aus dieser Krise herauskommen. Die Kapitalisten werden keine Opfer bringen.

Die „Regierung des Volkes“... die nur der Polizei vertraut

In den ersten 18 Tagen des Alarmzustandes haben die verschiedenen Polizeikräfte 216.326 Geldstrafen (vorgeschlagene Sanktionen) verhängt und 1.849 Personen verhaftet. Auf diese Bußgelder wird das Knebelgesetz „Ley Mordaza“[1] angewendet. Der Grund dafür ist, so die Generaldirektion der Polizei selbst, dass sie es im Vergleich zu anderen Gesetzen für „das empfehlenswerteste“ hält, weil es „agil und kontrastreich“ ist. Der Vergleich mit Italien ist niederschmetternd: 50.000 Menschen wurden dort mit einem Monat Haft bestraft.

Sie verhängen Bußgelder, wenn mehr als eine Person in einem Auto unterwegs ist, während Arbeiter mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrem Arbeitsplatz gelangen müssen. Sie schicken weder die Polizei noch die Guardia Civil, um die Arbeitsplätze zu inspizieren, an denen die Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten werden. Die Vernachlässigung der Gesundheit von Beschäftigten ist schlichtweg unbedeutend. Die Regierung, die das Knebelungsgesetz aufheben wollte, gibt den Repressionsorganen einen Deckmantel der Straflosigkeit, indem sie ihnen freie Hand lässt, damit sie diese zu ihrem Vorteil nutzen können.

In den sozialen Netzwerken sind Bilder von polizeilicher Willkür, von unverhältnismäßiger Gewaltanwendung nun ständig im Umlauf... Bei vielen Gelegenheiten jubeln diejenigen, die diese Bilder aufnehmen, der Polizei zu. Was nun weithin als „Balkonpolizei“[2] bezeichnet wird, erscheint nicht einfach aus dem Nichts. Ihre soziale Grundlage ist die Rechtsentwicklung eines Teils der Gesellschaft in den letzten Jahren, jenem sozialen Staub, der sich um Vox gruppiert hat. Die Aktionen dieser „Regierung des Volkes“ hat ihnen den Rücken gestärkt, indem sie zur „sozialen Disziplin“ als individuelle Einstellung aufruft, zur Überwachung des eigenen Nachbarn und des täglichen kleinen Elends. Ein echtes Beispiel dafür, was eine Regierung der Rechten tun würde.

Die Rolle der Armee in dieser Krise

Die Einbeziehung des Militärs in die Bewältigung der Coronavirus-Krise wurde von Anfang an auf die Tagesordnung gesetzt. Das erste, was sie zeigt, ist die Schwäche der Katastrophenschutzstrukturen im spanischen Staat. Die berühmte Militärische Notstandseinheit hat seit ihrer Gründung im Jahr 2006 rund 3 Milliarden Euro gekostet. Dieses Budget hätte man unendlich besser einsetzen können, wie zum Aufbau der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes usw. Was in dieser Krise gebraucht wird, ist Gesundheitsversorgung, Krankenhäuser, die Verstaatlichung der privaten Gesundheitsfürsorge, persönliche Schutzausrüstung, Atemschutzmasken usw. und nicht die Paraden der Legionäre vor dem provisorischen Krankenhaus am Ifema,[3] um die Fahne auf Halbmast für die Gefallenen zu hissen.

Darüber hinaus hat die Ausweitung des Alarmzustandes die wahren Absichten des Einsatzes der Armee deutlich gemacht: Das Militär wird mit Polizeibeamten an Patrouillen auf den Straßen teilnehmen. Was will die Armee mit Patrouillen auf halbleeren Straßen oder mit Verkehrskontrollen erreichen? Wenn man sich daran gewöhnt, dass das Militär und die Polizei „für die Situation zuständig“ sind oder Soldaten auf der Straße stehen, bereitet man die Bevölkerung psychologisch darauf vor, dass sie im Namen der Ausnahmesituation Demonstrationen und Streiks verhindern und unsere demokratischen Rechte weiter beschneiden sollen.

Sie bereiten die Repression gegen die Arbeiterbewegung vor

Die repressiven Maßnahmen, die weltweit ergriffen werden, werden nicht aufgehoben, wenn das Schlimmste der Pandemie vorbei ist. Frankreich ist ein deutliches Beispiel: Im November 2015 wurde nach den Dschihad-Angriffen in Paris der Ausnahmezustand verhängt; dieser Ausnahmezustand wurde zwei Jahre lang aufrechterhalten – was die Entwicklung von Demonstrationen und Streiks beeinflusste –, bis ein neues „Antiterror“-Gesetz verabschiedet wurde, das wichtige Teile der „Notstands“-Gesetzgebung in der Praxis anwendbar machte und gegen die Gelbwesten eingesetzt wurde. Der 2016 aufgrund der Migrationskrise verhängte Ausnahmezustand ist in Ungarn immer noch in Kraft. Und wir dürfen den Fall des spanischen Staates nicht vergessen: Die gesamte Notstandsgesetzgebung der Jahrzehnte des „Kampfes gegen den Terrorismus“ und „Wir sind alle ETA“[4] ist unverändert geblieben und wurde gegen Streiks, Streikposten, soziale Bewegungen usw. eingesetzt.

Überall auf der Welt wird ein Krieg geführt, aber nicht gegen das Coronavirus: Es ist ein Klassenkampf. Deshalb ist es kein Zufall, dass der spanische Staat dem Militär und der Polizei und deren martialischen Hetzreden an die Bevölkerung eine zentrale Rolle zugewiesen hat. Diese Regierung hat sich in die Arme der Uniformierten geworfen, weil sie bereit ist, dem Diktat der herrschenden Klasse bis zum Ende zu gehorchen. Sie bereiten sich gründlich vor, also müssen auch wir Revolutionäre dies zur Kenntnis nehmen und uns vorbereiten.

 

 

 

 

 

[1] Gesetz, das im Jahr 2014 eingeführt wurde, und demokratische Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit weitgehend beschnitten hat. Für unerlaubtes Protestieren oder in diesem Fall Aufhalten im Freien können horrende Geldstrafen über mehrere Hunderttausend Euro verhängt werden. Siehe hierzu: https://www.freitag.de/autoren/dame-von-welt/demokratieabschaffung-spanisch-ley-mordaza https://www.heise.de/tp/features/Eigentlich-muesste-die-UNO-laengst-Blauhelmtruppen-nach-Spanien-schicken-3369245.html, Anm. d. Ü.
[2] Menschen, die von ihrem Balkon aus „Polizei spielen“, Anm. d. Ü.
[3] Messegelände in Madrid, Anm. d. Ü.
[4] ETA war eine politische Organisationen, die für die Unabhängigkeit des Baskenlandes eintrat, Anm. d. Ü.

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