Die Krise zwischen den USA und Russland hat den Siedepunkt erreicht. Hört man auf die Propaganda der westlichen Medien, die nichts anderes ist als ein Echo der Pressemitteilungen des Außenministeriums in Washington, so bereitet sich Putin darauf vor, in die Ukraine einzumarschieren und seine Armeen zur Eroberung Kiews zu führen. Das klingt wie ein Witz, aber in Wirklichkeit ist es das Drehbuch, das in einer plumpen Lügenkampagne wiederholt wird, die uns in die kritischsten Momente des Kalten Krieges im 20. Jahrhundert zurückversetzen.

Die US-Diplomatie ist seit langem an solche schmutzigen Tricks gewöhnt. Hinter solchen Scherzen wie „Massenvernichtungswaffen“ oder dem Kampf gegen das „Reich des Bösen“ (Ronald Reagan, Anm. d. Ü.) verbergen sich andere wichtige Themen. Erstens, dass die Niederlage in Afghanistan im vergangenen September weit mehr als ein militärischer Rückschlag war: Sie war die Krönung von zwei Jahrzehnten großer Fiaskos im Nahen Osten, des Scheiterns im Kampf gegen den Iran, eines entscheidenden Einflussverlusts auf dem afrikanischen Kontinent, von Rückschlägen in Asien und Lateinamerika. In diesem Zusammenhang können die USA ihren politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss auf dem europäischen Kontinent angesichts des chinesischen und russischen Vormarsches keinesfalls aufgeben. Die militaristische Eskalation in der Ukraine und die Bestrebungen, die NATO bis an die russische Grenze auszudehnen, die Lähmung der Nord Stream2-Gaspipeline und die sich daraus ergebenden Spaltungen in der EU sind die sichtbarsten Auswirkungen dieser Entwicklung.

Zweitens ist dieser langwierige Niedergang des US-Imperialismus Ausdruck der schweren Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitskrise, die sich innerhalb seiner Grenzen lange vor der Pandemie manifestiert hat. Mit mehr als 878.888 Toten durch Covid, mehr als die USA im Zweiten Weltkrieg und in Vietnam zusammen zu beklagen hatten, haben die USA angesichts der Null-Covid-Strategie des chinesischen Regimes ihren Kopf verloren. Die Offensive in der Ukraine hat viel damit zu tun. Biden, der Trumps Außenpolitik fortsetzt, versucht mit dem Paukenschlag von innenpolitischen Problemen abzulenken, und wie seinem Vorgänger scheint es ihm nicht besonders gut zu gelingen.

Die Neuaufteilung der Welt

Angesichts der stagnierenden Weltwirtschaft, auf die alle internationalen Organisationen, angefangen beim IWF, hinweisen, nimmt die Ungleichheit zu, die durch die kriminelle Politik der kapitalistischen Regierungen in Bezug auf Corona noch verschärft wird. Aber in diesem düsteren Szenario hat Chinas Wirtschaftskraft quantitativ und qualitativ zugenommen. Der asiatische Riese steht nicht nur an der Spitze der Weltproduktion – ein Drittel des verarbeitenden Gewerbes entfällt auf ihn –, sondern seine Fortschritte in den Bereichen Technologie und künstliche Intelligenz verblüffen auch die anderen Mächte. Im Dezember 2021 stiegen die Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahr um 21%, und sein Handelsbilanzüberschuss erreichte einen Rekordwert von 676 Milliarden Dollar.

Der von Trump angezettelte Handelskrieg hat dem Regime von Xi Jinping nicht geschadet oder es geschwächt. In Wirklichkeit ist die Situation genau umgekehrt. Die US-Wirtschaft, die von Börsenspekulationen abhängig ist und durch die Berge von fiktivem Kapital, die in den letzten Jahren geschaffen wurden, belastet wird, hängt wie nie zuvor am Tropf der chinesischen Wachstumsraten. Wenn überhaupt, dann ist seine Verwundbarkeit gegenüber der Fähigkeit der asiatischen Macht, Lieferketten zu konditionieren, strategische Rohstoffe zu kontrollieren und globale Handelswege zu beherrschen, ebenfalls deutlich geworden.

Der Export des chinesischen imperialistischen Kapitals in alle Teile der Welt ist in allen internationalen Statistiken überwältigend. Es ist der führende Investor auf dem afrikanischen Kontinent, in den Ländern des Persischen Golfs und im Nahen Osten, und seine Vormachtstellung auf dem asiatischen Markt ist unbestritten. In Lateinamerika verdrängt es die USA als größten Handelspartner und Investor in vielen Ländern, und in Europa sind seine Fortschritte kolossal.

Wenn die USA nach 1945 im Westen ein solides imperialistisches Bündnis aufgebaut haben, das auf enormen wirtschaftlichen Ressourcen basierte, die nach einem Krieg, der die Produktivkräfte Europas, der UdSSR und Japans vernichtet hat, gestärkt wurden, so hat China in den letzten zwei Jahrzehnten ebenfalls einen immer solideren Block von Verbündeten aufgebaut, der dem US-Imperialismus in allen Bereichen, einschließlich des Militärs, die Stirn bietet, wie die Kriege in Syrien, Irak und Afghanistan verdeutlicht haben.

Drei Jahrzehnte sind seit dem Zusammenbruch des Stalinismus und dem Zerfall der UdSSR vergangen. Nach der formalen Logik hätte dieser Zeitraum für die USA ideal sein müssen, um ihre internationalen Bündnisse und ihre globale Hegemonie zu festigen. Doch die Dialektik der Geschichte hat den Strategen in Washington einen üblen Streich gespielt. Ihre Vorstellungen vom „Ende der Geschichte“ und die Arroganz, die sie zu der Annahme verleitete, sie hätten unbegrenzten Spielraum für militärische Interventionen überall auf der Welt, haben sich in einen grausamen Albtraum verwandelt.

Wir sind Zeugen einer Neuaufteilung der Welt, und sie findet ohne einen Weltkrieg kolossalen Ausmaßes statt. Ein Ereignis dieses historischen Ausmaßes wird zwangsläufig eine entschlossene Reaktion der Macht, die verdrängt wird, hervorrufen.

Russland bietet den USA die Stirn

Die hysterische Propaganda im Westen gibt Russland die Schuld an der aktuellen Situation in der Ukraine. Aber man kann das Geschehen und die Verantwortung des Imperialismus dafür nicht verstehen, ohne die Ereignisse der letzten Jahrzehnte zu betrachten.

Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus und der Restauration des Kapitalismus im Jahr 1991, die zu einem schrecklichen Zusammenbruch der Wirtschaft und der Lebensbedingungen der großen Mehrheit der Bevölkerung führte, war Russland fast zwei Jahrzehnte lang von der internationalen Bühne ausgeschlossen. Der erste Golfkrieg, die Kriege im ehemaligen Jugoslawien und die Invasion in Afghanistan fanden alle vor dem Hintergrund der völligen Ohnmacht Russlands statt, das nicht in der Lage war, in diesen Kriegen eine Rolle zu spielen.

Die Schwäche Russlands wurde von anderen Akteuren ausgenutzt. Die NATO wurde zwischen 1999 und 2004 um Ungarn, Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei, Bulgarien, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen und Rumänien erweitert. Mit anderen Worten: Washingtons Verfechter von „Demokratie und Frieden“ brachten ihre Waffen und Armeen an die Grenzen Russlands, mit den entsprechenden Folgen für die Verteidigungsfähigkeit des russischen Staates.

2008 akzeptierte die NATO den Beitrittsantrag Georgiens und der Ukraine, die siebzig Jahre lang Teil der UdSSR gewesen waren. Doch im August desselben Jahres gab es einen ersten Wendepunkt: die russische Intervention zur Beendigung der georgischen Besetzung Ossetiens und Abchasiens, die vom Imperialismus über die Türkei gefördert wurde. Von diesem Zeitpunkt an würde Moskau der US-Aggression viel aktiver entgegentreten.

2013 hing das Assad-Regime in Syrien in den Seilen, und die USA bereiteten eine Intervention vor, die es zu Fall bringen könnte. Doch Putin machte Obama klar, dass er Assad nicht fallen lassen und alles Notwendige dafür tun würde. Der Imperialismus bewaffnete die Dschihadisten weiter, schloss aber eine direkte Intervention aus. Im Jahr 2015 war das Assad-Regime trotz der Unterstützung durch den Iran erneut geschwächt. Im September desselben Jahres startete Russland eine groß angelegte Militäroperation mit Luftlandetruppen, Kampfflugzeugen und einer großen Materialmenge, deren Ergebnis die Festigung Assads und der Beginn einer weltweiten Ausbreitung militärischer Kräfte war, die seitdem nicht mehr aufgehört hat.

Heute ist der Vormarsch Russlands unbestreitbar: Nach Syrien kam Libyen, wo es zu einem wichtigen Akteur geworden ist. Im Nahen Osten ist Russland ein entscheidender Bestandteil eines jeden Szenarios und unterhält Beziehungen zu allen regionalen Mächten. In Afrika füllt es, Hand in Hand mit China, die Lücke, die der US-amerikanische und der französische Imperialismus hinterlassen haben. Jüngstes Beispiel dafür ist seine Intervention in Mali, wo es die militärische Rolle von Paris ersetzt hat.

Für einen beträchtlichen Teil der Linken, Erben des Stalinismus, wird Putin als Fortsetzer der UdSSR dargestellt und als ein Nationalist, der sich dem westlichen Ansturm widersetzen will und der bedingungslose und unkritische Unterstützung verdient. Die Realität ist jedoch weit entfernt von diesem anschaulichen und reduktionistischen Bild. Putins Regime entspricht den Interessen der russischen kapitalistischen Oligarchie, die auf den Trümmern des verstaatlichten Eigentums, der Plünderung des historischen Erbes der UdSSR und der Ausplünderung des sowjetischen Volkes an die Spitze eines wilden kapitalistischen Systems mit offenkundigen imperialistischen Bestrebungen aufstieg. Putin ist nicht der unschuldige Freund der Völker der Welt. Aber das darf nicht dazu führen, dass die Verantwortung des US-Imperialismus für die militärische Eskalation in der Ukraine unterschätzt wird.

Steht die Unabhängigkeit der Ukraine auf dem Spiel?

2014 gab es einen weiteren wichtigen Wendepunkt in der russischen Außenpolitik: die Intervention auf der Krim und im Donbass. Seit der Maidan-Bewegung und dem Sturz von Janukowitsch hat sich der amerikanische und europäische Imperialismus auf alle möglichen rechtsextremen und neonazistischen Banden gestützt, um die Kontrolle über die ukrainische Regierung, den Staat und die Armee zu übernehmen. Die Absicht war offensichtlich, einen strategischen Verbündeten an der russischen Grenze zu haben, den man gegen die wachsende Stärke des Putin-Regimes und dessen Bündnis mit China einsetzen konnte.

In der Donbass-Region ist eine Volksbewegung entstanden, die sich gegen die Gewalt dieser faschistischen Banden wehrt, die als Nachfolger der Nazi-Kollaborateure des Zweiten Weltkriegs auftreten. Die Rebellen übernahmen die Kontrolle über Teile der Provinzen Donezk und Lugansk und besiegten die rechtsextremen Milizen. Was jedoch dem populären Charakter der Bewegung ein Ende setzte, war das Eingreifen des russischen Militärs, das mit Tausenden von nicht gekennzeichneten Soldaten die Kontrolle über die Situation übernahm. Am Ende wurden die Regierungen der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Lugansk zu bloßen Erfüllungsgehilfen des Putin-Regimes.

Der Präsident der ukrainischen Regierung, Wolodymir Zelenskij, dessen Beliebtheit auf 24,7 Prozent gesunken ist, kündigte im vergangenen Februar an, die Halbinsel Krim, die nach einem Referendum im Jahr 2014 von Russland militärisch und politisch annektiert wurde, zurückzuerobern. Was die Republiken Donezk und Lugansk betrifft, deren Bevölkerung mehrheitlich Russisch spricht und sich eher russisch als ukrainisch fühlt, so boykottieren die Kiewer Behörden weiterhin die Minsker Vereinbarungen, die die Selbstverwaltung dieser Gebiete festhalten, und üben mit ständigen bewaffneten Angriffen, die Tausende von Toten gefordert haben, Druck aus. Jetzt sind sie noch weiter gegangen und haben ihre Absicht bekundet, militärisch einzugreifen, um die Rebellenrepubliken zu zerschlagen, was eine offene Provokation für Russland darstellt.

Die angebliche „Unabhängigkeit“ der Ukraine, die die NATO, die USA und die EU zu verteidigen vorgeben, ist ein Trugschluss. Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus verwandelte das ukrainische kapitalistische Regime ihr Land in eine Hölle für die Bevölkerung und in ein Paradies für die Oligarchen. Seitdem haben die USA nichts anderes im Sinn, als das Land durch alle möglichen Manöver unter ihrer Kontrolle zu halten.

Seit 2014 wird die ukrainische Armee durch das US-Militär unterstützt. Die Vereinigten Staaten helfen bei der Ausbildung von Einheiten, in denen sich alle Arten von extremrechten und offen faschistischen Gruppen tummeln, die teilweise sogar ihre eigenen Milizen unterhalten, was selbst im US-Kongress zu Kontroversen geführt hat. Der ehemalige FBI-Agent und Sicherheitsexperte Ali Soufan schätzt, dass in den letzten sechs Jahren mehr als 17.000 ausländische Kämpfer aus 50 Ländern in die Ukraine gekommen sind. Ein wahres Paradies für die militärische Ausbildung von Faschisten aus der ganzen Welt, die immer mehr den dschihadistischen Monstern ähneln, die der Imperialismus im Nahen Osten geschaffen hat.

USA und EU: Spaltung des westlichen Blocks

Was im Moment auf dem Tisch liegt, ist nicht die „ukrainische Unabhängigkeit“. Was verhandelt wird, ist, wie manche es nennen, eine „europäische Sicherheitsarchitektur“: Die Frage, welchen Platz Europa in der neuen Aufteilung der Welt einnehmen und ob Washington in der Lage sein wird, seinen grundlegenden Einfluss auf dem alten Kontinent aufrechtzuerhalten.

Die untergeordnete Rolle, die die Europäische Union in der Diskussion zwischen den USA und Russland spielt, ist ein Beweis für die Irrelevanz der EU-Außenpolitik und ihre zunehmende Unwichtigkeit in den entscheidenden geopolitischen Fragen; aber auch für die tiefen Widersprüche, die die Partner angesichts des Ukraine-Konflikts mit sich herumschleppen.

Es ist peinlich, wenn der höchste Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Josep Borrell, nach dem Drehbuch des US-Außenministeriums und des amerikanischen NATO-Kommandos sagt, dass „Europa in Gefahr ist“. Welches Europa: das von Polen, dem Vereinigten Königreich und den baltischen Staaten, die Washington viel näherstehen als Brüssel? Oder das von Deutschland und Italien, deren Bourgeoisie durch diese Affäre, die ihre wichtigen Geschäftsbeziehungen zum Putin-Regime gefährden könnte, in Unruhe geraten ist?

Die Differenzen zwischen den USA und Ländern wie Frankreich und Deutschland über den Umgang mit Moskau werden immer deutlicher. Biden und sein Bedrohungsszenario stützen sich auf Länder, die sich wie amerikanische Protektorate verhalten, wie Polen und die baltischen Republiken, über die er Waffen an die Ukraine liefert. Aber Frankreich hat in den letzten Jahren sehr konkrete Erfahrungen mit den USA gemacht. Macron behauptete im November 2019, die NATO sei „hirntot“, und hat ernsthafte Differenzen mit der US-Regierung geschürt, wobei er in einigen Konflikten (wie bspw. in Libyen) sogar auf der Gegenseite stand. Der Tropfen, der das Fass schließlich zum Überlaufen brachte, war die Unterzeichnung des AUKUS-Abkommens zwischen Australien, Großbritannien und den USA im vergangenen September, durch das Frankreich Vertrag zum Bau von U-Booten im Wert von 50 Milliarden Dollar verlor.

Deutschland, die führende Macht des Kontinents, betreibt seinerseits seit Jahrzehnten Geschäfte mit Moskau in Form von russischem Gas im Austausch gegen deutsche Technologie. Diese Politik hat starke Befürworter, wie den ehemaligen deutschen sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Angela Merkel selbst. Schröder ist Vorsitzender des Aktionärsausschusses des deutsch-russischen Konsortiums, das die Nord-Stream-Pipeline betreibt, und Vorsitzender des Verwaltungsrats der staatlichen russischen Ölgesellschaft Rosneft. Merkel ihrerseits war Vertreterin des Teils der deutschen Bourgeoisie, der bereit ist, mit Moskau und China zusammenzuarbeiten und stand damit im Gegensatz zu anderen Teilen, die einer Vertiefung der Zusammenarbeit mit Russland nur unter der Bedingung zustimmten, um es von China, seinem Konkurrenten auf dem Weltmarkt, weiter loszulösen.

Hier kommt die kürzlich fertiggestellte Nord Stream 2-Pipeline ins Spiel, die russisches Gas unter Umgehung der Ukraine direkt nach Deutschland liefern wird. Washington hat das Abkommen von Anfang an als strategische Waffe in den Händen Russlands betrachtet, da es die Abhängigkeit Deutschlands und der EU gegenüber Russland erhöht, sprach sich gegen den Bau aus – und schreckte auch nicht vor Sanktionen gegen deutsche Beamte zurück. Im letzten Sommer schließlich hob Biden die Sanktionen auf und erzielte eine Einigung mit Merkel, ein Zeichen für das Zögern der USA. Jetzt fordert er in einer neuen Kehrtwende, dass Deutschland die Einigung doch nicht umsetzt.

Wird es Krieg geben?

Der US-Imperialismus versucht, seine Position in Europa zu verteidigen. Nach all den Rückschlägen in der letzten Zeit kann er es sich nicht leisten, seine Rolle auch noch auf diesem Kontinent einzubüßen. Aber jenseits der Propaganda zeigen die USA nicht gerade Stärke. Wie an den anderen Fronten des globalen Kampfes wissen sie nicht, was in der Ukraine und in Europa zu tun ist, abgesehen davon, Russland am Vormarsch zu hindern. Aber das ist ein Wunsch, keine Strategie.

In der Ukraine-Krise erklärten sie von Anfang an, dass kein einziger US-Soldat ukrainischen Boden betreten würde. Sie haben „noch nie dagewesene Sanktionen“ angedroht, ohne diese jedoch tatsächlich umzusetzen. Biden plappert tagein, tagaus und warnt vor einem „drohenden russischen Angriff“, nur um sich dann zu korrigieren und zu sagen, dass die Art des Angriffs abgewendet werden müsse, bevor eine angemessene Reaktion in Betracht gezogen werden könne.

Außenminister Blinken warnte vor einer „unnachgiebigen Diplomatie“. Aber seit es Diplomatie gibt, bedeutet „rücksichtslose Diplomatie“, dass man einen größeren Knüppel auf den Tisch legt als der Gegner; genau das, was Putin getan hat.

Wenn man die ganze Propaganda aus der Gleichung herausnimmt, bleibt am Ende nur die Erkenntnis, dass Russland in dieser Situation in der Offensive ist. Putin hat eine Strategie, er hat Karten in der Hand, er spielt sie aus und er hat die feste Rückendeckung von China. Russland erweist sich als verlässliche Macht, mit der Vereinbarungen getroffen werden können und die im Gegensatz zu Washington das tut, was sie sagt.

Die Ereignisse in Kasachstan sind dabei nicht ohne Bedeutung. Inmitten höchster Spannungen in der Ukraine brach in Kasachstan ein Volksaufstand aus und innerhalb weniger Stunden verlegte Moskau Tausende von Truppen in die Hauptstadt, schlug den Aufstand blutig nieder, sorgte für Ordnung und verließ das Land nach nur wenigen Tagen. Und das in einem Land, in dem ausländische Investitionen hauptsächlich aus dem Westen stammen.

Welche Situation wird sich in den kommenden Wochen voraussichtlich eröffnen? Einerseits hat der US-Imperialismus nach dem letzten Treffen in Genf seine Sprache etwas gemäßigt. Er behauptet, sie würden „reden, nicht verhandeln“. Sie haben die konkreten Vorschläge Russlands, die einen Rückzug der NATO aus den osteuropäischen Ländern, zurück auf das Niveau von 1997, fordern, zunächst abgelehnt. Weiter werden sie nicht gehen! Aber wenn sie schriftlich auf die russischen Forderungen eingehen, nachdem sie sich dagegen wiederholt geweigert haben, ist klar, dass sie nicht wissen, wie sie vorgehen sollen und noch mehr Zeit brauchen.

Ein Sprecher des russischen Außenministeriums hat bereits erklärt, dass die Antwort der USA Moskau nicht zufrieden stellt und Russland seine Antwort, nach Rücksprache mit seinen Verbündeten, einschließlich China und Indien, vorbereiten wird. Innerhalb weniger Stunden danach hat die Regierung Xi Jinpings ihre unmissverständliche Unterstützung für Russland bekannt gegeben.

Es ist symptomatisch, dass Frankreich und Deutschland während der Ausarbeitung einer Antwort durch die USA einen eigenen Verhandlungsweg mit Moskau vorgeschlagen haben, der mit einem Gespräch zwischen Macron und Putin eingeleitet werden soll. Bezeichnend ist auch, dass Putin zur gleichen Zeit ein Treffen mit dem wichtigsten italienischen Arbeitgeberverband abhielt, bei dem die Bereitschaft beider Seiten festgestellt wurde, die Geschäfte, ohne ein einziges Wort über die Ukraine, fortzusetzen. Diese Fakten zeigen, wie schwierig es ist, eine einheitliche Position der USA und der EU gegenüber Russland aufrechtzuerhalten.

Was wird mit Nord Stream 2 geschehen? Es ist eine Tatsache, dass die deutsche Regierung aufgrund des erneuten Drucks seitens der USA ihre Position zumindest in der Form verhärtet hat. Aber es ist auch eine Tatsache, dass Deutschland diese Pipeline braucht, das ist unbestritten. Washington beklagt sich über die Pipeline, aber welche Alternative bieten sie? Dank Fracking könnten die USA Gas nach Europa exportieren. Werden sie das tun? Nein, denn in den USA wird Druck ausgeübt, die Exporte zu senken, damit die Preise dort weiter fallen, wo eine Megawattstunde derzeit 14 Euro kostet. Jetzt ziehen sie ein Kaninchen aus dem Hut in Form von Gas aus Katar, das natürlich teurer wäre als russisches Gas.

Es ist nicht sicher, dass die deutsche Regierung, trotz der Unterstützung der Grünen für Biden in dieser Frage, diese Anforderungen endgültig akzeptieren wird. Es steht viel auf dem Spiel, angefangen bei den Geschäften der großen deutschen Monopole. Berlin hat sich vorerst öffentlich gegen Waffenlieferungen an die ukrainische Armee ausgesprochen, hat aber zu seiner Freude 5.000 Helme zugesagt.

In den letzten Tagen hat Washington 8.500 Soldaten für einen möglichen Einsatz in osteuropäischen Ländern in „höchste Alarmbereitschaft“ versetzt. Dies soll den Anschein starker militärischer Maßnahmen erwecken, würde aber in einem möglichen Kriegsszenario keine Rolle spielen. Gleichzeitig erhöhen sie die Zahl der an die Ukraine gelieferten Waffen, allerdings in einer Menge und mit einer Qualität, die im Vergleich zum russischen Einsatz keineswegs ausgewogen sind.

Niemand will einen Krieg, das, was mit Krieg im engeren Sinne gemeint ist. Für Putin würde eine Invasion in der Ukraine keines seiner Ziele lösen und könnte schnell zu einem Vietnam werden, mit unabsehbaren, sogar revolutionären Folgen für Russland selbst. Eine andere Sache ist es, seine Position im Donbass zu stärken oder ukrainische Stellungen an dieser Front zurückzudrängen. Putin wird weiterhin seine Karten ausspielen. Er drängt Zelensky, die Minsker Vereinbarungen einzuhalten, was Zelensky nicht tun kann, weil die Einhaltung der Minsker Vereinbarungen seinen Untergang bedeuten würde.

Der Imperialismus könnte sich dafür entscheiden, Waffen an die Ukraine zu liefern, um einen Krieg „niedriger Intensität“ auf unbestimmte Zeit aufrechtzuerhalten. Diese Taktik haben wir in den letzten Jahren schon in vielen Szenarien gesehen: lieber als alles zu verlieren erzeugen sie ein Chaos, aus dem auch der Gegner nicht als Sieger hervorgeht. Genau das Gleiche haben sie in Syrien, in Libyen, in Afghanistan, in Afrika getan... Und das Ergebnis ist klar: Mittelfristig verlassen sie die Szene, ohne etwas zu erreichen.

Aber es muss gesagt werden, dass ein Krieg in Europa eine ganz andere Sache ist. Trotz des Lärms der Propaganda ist der Imperialismus gespalten und hat große Schwierigkeiten, sich einem Kriegsszenario zu stellen, wie es in seinen Erklärungen deutlich wird. Nach dem Abzug aus Afghanistan und dem Irak und angesichts der sozialen und politischen Lage auf dem alten Kontinent und in den USA gibt es in der Bevölkerung keine Unterstützung für einen blutigen Konflikt, der Zehntausende von Toten fordern würde. Die Mobilisierungen wären massiv und unmittelbar und würden die verschiedenen Regierungen, die sie unterstützen, in die Enge treiben.

Die Widersprüche erreichen einen ernsten Punkt. Für Putin steht sehr viel auf dem Spiel, und er braucht greifbare Ergebnisse. Andererseits kann es sich Washington nicht leisten, sich in Europa noch weiter zurückzuziehen. Es ist schwierig, eine geschlossene Perspektive zu zeichnen, aber ein offener Krieg mit dem Einsatz einer großen Zahl von Truppen, schweren Waffen, Interventionen mehrerer Mächte und Massenvernichtung ist nicht das wahrscheinlichste Szenario. Das Szenario weist jedoch auf die unlösbaren Widersprüche hin, die sich in dieser Phase des zwischenimperialistischen Kampfes um die Weltherrschaft abzeichnen.

Neue Kriege, die noch brutaler sind als die der letzten Jahre, sind unvermeidlich. Deshalb ist es dringend notwendig, dass die Arbeiterbewegung ihre unabhängige Stimme erhebt und eine klassenbasierte, sozialistische und internationalistische Haltung gegen den imperialistischen Krieg und gegen all jene verteidigt, die uns in die Barbarei drängen. In diesen entscheidenden Momenten werden die Organisationen, alle Organisationen, auf die Probe gestellt. Und das beklagenswerte Schauspiel der europäischen reformistischen und regierungstreuen Linken, die sich als Vasallen des westlichen Imperialismus aufführen, zeigt, dass sich wenig geändert hat und dass man, wenn man A sagt und die Logik des Systems akzeptiert, auch weiterhin B, C und das ganze Alphabet sagt, bis man militärische Interventionen unterstützt.

Krieg und Kapitalismus sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn wir also Frieden wollen, müssen wir kämpfen, um diese ungerechte und kriminelle Ordnung zu stürzen.

Wenn ihr Frieden wollt, baut eine militante und internationalistische Linke auf und kämpft für den Sozialismus!

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