In den vergangenen Wahlen zum Grazer Gemeinderat am 26. September wurde die KPÖ mit 34.283 Stimmen (28,84%) zur stärksten Partei gewählt.
Das erste Mal seit vielen Jahrzehnten hat in Österreich eine Partei, die sich selbst „kommunistisch“ nennt, einen solchen Wahlerfolg errungen. Die Ursachen für ihren Erfolg, und die Gefahren, die mit dem Eintritt in eine Koalitionsregierung mit SPÖ und Grünen einhergehen, halten für die Linke wichtige Lehren bereit.
Kapitalistische Politik in der Krise
Die kapitalistische Krise und die Diktatur des Finanzkapitals haben den Massen der österreichischen Arbeiterklasse boshafte Einschnitte auferlegt: 2010, 2011 und 2017 sind die Reallöhne gefallen. Die Mittelschicht, ein zentraler politischer Faktor zur Stabilisierung der bürgerlich-demokratischen Ordnung, ist seit der Krise 2008 weiter geschrumpft.
Die anhaltende Austeritätspolitik durch die Feder von ÖVP und SPÖ hat zum Niedergang ihres Rückhalts in den Massen geführt: Seit den Wahlen von 1945 von gemeinsam 94,4% der Stimmen auf weniger als die Hälfte in Umfragen.
Doch auf der Straße und in den Betrieben fanden wichtige Kämpfe statt: 2011 mit dem ersten landesweiten Vollstreik von 200 Metallbetrieben seit 25 Jahren, 2017 mit mehr als zehntausend Teilnehmern gegen den erneuten Regierungseintritt der FPÖ, 2018 gegen die Einführung des 12-Stunden-Tages, an dem sich Hunderttausende beteiligten und der alle linken Teile der Gewerkschaftsbewegung in einem Kampf vereinigte...
Aufstieg der FPÖ und Lehren für die Linke
SPÖ und ÖVP reagierten auf die Krise von 2008 mit scharfem Klassenkampf von oben: 2010 beschloss ihre Koalition unter SPÖ-Kanzler Faymann die Erhöhung der Massensteuern, Kürzungen der Sozialhilfe für junge Arbeiter und Rentner und Kürzungen der Krankenkassen. 2016 ging die Kanzlerschaft an den Sozialdemokraten Kern, der die kapitalistische Kürzungsorgie weiterführte. Sein „Plan A“, der als „New Deal“ für Österreich verkauft wurde, war eine Fortsetzung der neoliberalen Austerität, verklärt durch heuchlerische Reden des Sozialdemokraten auf Massenbetriebsversammlungen.
Die österreichische Sozialdemokratie versuchte, den Diener zweier Herren zu mimen – und scheiterte! Ihre Politik der gespaltenen Zunge enttäuschte viele und ebnete den Weg für die Rechtspopulisten: 12% der SPÖ-Wähler der Nationalratswahl 2013 unterstützten 2017 die FPÖ. ÖVP und FPÖ gewannen zusammen 823.779 Stimmen, SPÖ und Grüne verloren 286.878.
Wieder an der Regierung erwies sich die FPÖ erneut als aggressiver Kettenhunde des reaktionären Bürgertums: Durch Angriffe wie eine Neuauflage ihrer aggressiven, ausländerfeindlichen Kampagnen, die Anhebung der Arbeitszeit auf 12 Stunden täglich,...
Eine deutliche Gegenantwort der Gewerkschaftsbewegung sowie der Aufschrei über die Ibiza-Affäre machten die Verhasstheit dieser Politik in der Bevölkerung deutlich. Die FPÖ musste dem Antrag der SPÖ zur Auflösung der Regierung zustimmen, und die Bundesregierung verlassen.
Doch während die anderen bürgerlichen Parteien ihre „Empörung“ über ihre hässliche Politik der FPÖ zur Schau stellen, hat ihre Politik der Rechten die Tore geöffnet: Durch eine parteiübergreifende Austeritätspolitik, die die Arbeiter entwaffnet und es der FPÖ ermöglicht hat, rückständige Schichten der Bevölkerung mit ihrer hetzerische Propaganda anzusprechen und sie gegen die Arbeiter ins Feld zu führen. Diese Lehren für die KPÖ und ihre Perspektiven in der Grazer Regierung von entscheidender Bedeutung!
Eine klassenkämpferische Linke aufbauen, um die Reaktion zu schlagen!
Der Regierungszeit der FPÖ, in der sie ihr arbeiterfeindliches Gesicht zeigte, folgte 2019 ihr Einbruch auf 16,17%. Aber die Krise der bürgerlichen Parteien erfasst nicht nur die FPÖ! Auch die Grünen, die keinen stabilen Ausweg aus der kapitalistischen Krise bieten können, stagnieren bei elf bis 14, die SPÖ bei 24 Prozent.
Eine Politik, die die kapitalistische Austerität als alternativlos darstellt, findet in der Arbeiterklasse wenig echte Resonanz. Nur eine Partei, die sich als entschlossene, kämpferische Alternative präsentiert, kann die Resignation bekämpfen und die Rechte schlagen.
Das hat der Wahlerfolg der KPÖ in Graz bewiesen. Dass ein solcher Wahlsieg möglich war, hängt mit der Tradition der Partei zusammen, die sich zur Zeit der Krise des Stalinismus in den 90er-Jahren anders aufstellte als im Rest des Landes. Statt auf sozialdemokratische Wahlbündnisse orientierte sie auf eine eigenständige, linksreformistische Kommunalpolitik. Während die landesweite KPÖ heute dem öffentlichen Bild der „pluralistischen“ Neuen Linken gleicht, behielt sie im steirischen Landesverband in Worten den Bezug zu Marxismus und Kommunismus bei, auch wenn sie es weit von sich weist, wirklich revolutionär zu sein.
Die Funktionäre der steirischen KPÖ greifen die Gegenreformen der SPÖ öffentlichkeitswirksam an und beziehen nur einen Arbeiterlohn, wobei sie alles darüber an soziale Zwecke abgeben. Dazu kommt die betriebliche Rolle der KPÖ, die mit ihrem Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) – wenn auch nach wie vor in den Grenzen des Reformismus – stellenweise Alternativen zum Klassenkompromiss der Gewerkschaftsführungen aufzeigt.
Dieser Wahlsieg ist kein Zufall. All die heftigen öffentlichen Attacken auf die Partei im Vorfeld haben an der Wahlurne genau das Gegenteil bewirkt. Was könnte die Erosion des Vertrauens in die Institutionen des Bürgertums noch eindrucksvoller beweisen?
Die Erfahrung in Graz zeigt das Potenzial für eine klassenkämpferische Linke und beweist, dass die Vorurteile der reichen Schichten gegen die Ideologie des Marxismus nicht die der arbeitenden Massen sind.
Kein Schritt zurück! Auf den Wahlsieg mit dem Kampf in den Straßen und Betrieben aufbauen!
Auf die Wahl der KPÖ folgte eine Flutwelle antikommunistischer Propaganda: Die deutsche Tagesschau spricht vom „Graznost“; andere Blätter behaupten, der Wahlsieg der KPÖ würde nicht an der Partei, sondern an der „Rolle der Persönlichkeiten, die mittlerweile eine große Rolle spielen“ liegen.
Es ist kein Wunder, dass die bürgerlichen Kräfte alles getan haben, um den Sieg der KPÖ kleinzureden! Hinter ihren politischen „Analysen“ stecken eindeutige Interessen: Alleine 2019 flossen 250 Millionen Euro privates Kapital in den Grazer Wohnungsmarkt. 2021 sind die Mieten in Graz auf 9,59 Euro pro Quadratmeter um mehr als 20 Prozent gestiegen.
Die KPÖ fordert ein Ende von Privatisierungen, Stellenstreichungen und Lohnkürzungen. Doch Graz ist um rund 1,5 Millionen verschuldet. Auch lastet die internationale Wirtschaftskrise auf den Industriebetrieben: 2021 hat Magna seine Produktion für zwei Wochen eingestellt; nach Regionen wurde im Großraum Graz anteilig am häufigsten Kurzarbeit eingeführt.
Bleiben die Konzerne privat und der gesetzliche Rahmen unangetastet, hat der Gemeinderat kaum Mittel, Kürzungen zu verhindern. Die Koalition, die die KPÖ mit SPÖ und Grünen eingegangen ist – in der die KPÖ als stärkste Partei nur drei Regierungsmitglieder stellt! – wird daran nichts Fundamentales ändern. Wegen der Proporzregel sind selbst ÖVP und FPÖ in der Regierung vertreten!
Unter dem Banner der Revolution kämpfen!
Die Warnungen der Vergangenheit sind deutlich. Die KPÖ Graz darf sich nicht auf ihre Arbeit im Parlament und den kapitalistischen Rahmen beschränken! Sie muss der Arbeiterklasse und Jugend einen Kampfplan vorlegen, denn nur sie können in den Betrieben und auf der Straße den Kampf um Verstaatlichungen und die demokratische Kontrolle des Wohnraums, der Banken und der Industrie gewinnen.
Auch muss die KPÖ jetzt Druck für entscheidende Reformen aufbauen: die Enteignung aller Immobiliengesellschaften, eine zentrale Vergabe des Wohnraums, totale Trendwende beim Bau städtischer Gemeindewohnungen, Einführung einer 30-Stunden-Woche der städtischen Beschäftigten, Verstaatlichung der wichtigsten Betriebe und Konzerne…
Eine Bürgermeisterin, die gestützt auf die Kämpfe der arbeitenden Masse derart populäre Reformen fordern würde, wäre ein Leuchtturm für ganz Österreich. Wenn sich die Koalitionsparteien einem solchen Kurs entgegenstellen, muss die KPÖ die Koalition verlassen, ihre Vorstöße auf der Straße und in den Betrieben verteidigen und Neuwahlen erwirken.
Die karitative Ausrichtung der Grazer KPÖ, der sie die Eigeninitiative der Arbeiterklasse unterordnet, wird einer solchen Perspektive enge Grenzen setzen. Seit 1998 hat die KPÖ mit ihren Funktionärsabgaben 2,5 Millionen Euro weitergegeben. Aber zehntausende Arme, explodierende Mieten und Lohnverluste können nicht durch karitative Abgaben von Parlamentariergehältern kompensiert werden, auch wenn diese Abgaben unbedingt erhalten bleiben müssen!
Ohne eine revolutionäre Bewegung und einen antikapitalistischen Bruch wird die Perspektive eines Umbruchs scheitern. Es ist die Aufgabe der Marxisten, für einen revolutionären Kurs der KPÖ einzutreten und unter dem Banner des Marxismus für eine wirklich kommunistische Partei zu kämpfen, die Arbeiter und Arme im Kampf um eine sozialistische Zukunft vereint!