Die USA befinden sich in einer tiefen Wirtschaftskrise, die den Kampf gegen den Aufstieg Chinas und dessen Bedrohung für den Status als globale Führungsmacht noch verstärkt. Auch die soziale und politische Krise innerhalb des Landes hat sich in den letzten Monaten weiter entflammt: vom Aufstand nach der Ermordung George Floyds bis zum von Trump angezettelten Sturm auf das Kapitol am 6. Januar.

Der Teil der Bourgeoisie, der mit der Biden-Regierung verbündet ist, setzt alles daran, die Demokratische Partei und ihre Institutionen in ein erneuertes, inklusives und progressives Licht zu tauchen. Sie versuchen, die Lage zu beruhigen und die Temperatur des Klassenkampfes zu senken.

Aber weder die Propaganda der bürgerlichen Presse noch das Lob, welches die internationale reformistische Linke dem neuen Präsidenten entgegenbringt, hält den Tatsachen und den gemachten Erfahrungen des letzten Jahrzehnts stand. Joe Biden ist kein Linker und er wird die Finanzoligarchie auch nicht in die Schranken weisen. Der Weg aus dieser Krise wird nicht anders sein als in der vorherigen Krise; ein Kapitalismus mit „menschlichem Antlitz“ ist nicht möglich.

Propaganda im Lande Hollywoods

„Nicht die Wall Street hat dieses Land aufgebaut, sondern die Mittelschichten und es waren die Gewerkschaften, die die Mittelschichten aufgebaut haben. Deshalb fordere ich den Kongress auf, das Gesetz zum Schutz der Organisationsfreiheit („Protecting the Right to Organize Act“ oder „PRO Act“. Im Februar 2021 vorgelegter Gesetzesentwurf, der die Organisierung und Gründung von Gewerkschaften vereinfachen, Union Busting erschweren und Sekundärstreiks ermöglichen soll. Der Gesetzesentwurf wird von allen großen US-Gewerkschaften und von der Biden-Regierung unterstützt, Anm. d. Ü.) zu verabschieden und die Gewerkschaftsrechte zu unterstützen.“ Mit diesen Worten ging Joe Biden in die Rede zu seinen ersten 100 Tagen im Amt. Mit außerordentlicher Demagogie versuchte dieser alte Vertreter der Wall Street, eine Verbindung zur Arbeiterklasse, die von der Krise und der Pandemie hart getroffen wurde, und zur zerfallenden Mittelschicht, von der sich große Teile der extremen Rechten zugewandt haben, herzustellen.

Um zu verdeutlichen, warum er die Lösung für die Probleme „aller Amerikaner“ sei, präsentierte er auch ein bombastisches staatliches Investitionsprojekt, das aus zwei Zehnjahresprogrammen besteht: den 2,2 Billionen Dollar schweren American Jobs Plan und den 1,8 Billionen Dollar schweren American Families Plan.

Der Plan für die Familien beinhaltet Maßnahmen wie eine Erhöhung der kostenlosen öffentlichen Bildung auf vier Jahre (für die Vorschulen), finanzielle Hilfen für Familien mit geringem Einkommen und Zuschüsse für die Kindergartenkosten, kostenlose „Universitäts-Colleges“, 12 Wochen bezahlter Mutter- und Vaterschaftsurlaub und Steuererleichterungen für Kinder.

Der Jobs Plan widmet sich derweil der Aufgabe, die Infrastruktur des Landes zu modernisieren (Highways, Flughäfen, Internetzugang, technologische Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien…) und so innerhalb eines Jahrzehnts Millionen an Arbeitsplätzen zu schaffen und das Land wettbewerbsfähiger zu machen – etwas, das im Kampf mit China entscheidend ist. Mit diesem Plan sieht Biden auch die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar pro Stunde vor, eine der innigsten Forderungen der Arbeiterklasse. Biden beteuert, dass ein Großteil der beiden Programme durch eine Erhöhung der Reichensteuer finanziert werden soll. Doch es ist nicht alles Gold was glänzt.

Zunächst ist zu sagen, dass diese Pläne noch vom Kongress, wo die Demokraten nur eine schwache Mehrheit haben, und vom Senat, wo sie nur die einsame Sprecherin des Repräsentantenhauses Kamala Harris haben, verabschiedet werden müssen.

Mit anderen Worten: Das, was schließlich genehmigt wird, könnte von den ursprünglich angekündigten Maßnahmen so weit entfernt sein wie Washington von Kalifornien. Wir sollten auch nicht vergessen, dass es sich um Zehnjahrespläne handelt, die zunächst die Zwischenwahlen im Jahr 2022 überstehen müssen, und dass das Kräfteverhältnis möglicherweise noch weniger günstig für die Demokraten sein wird.

Zweitens wird der Löwenanteil des 2,2-Billionen-Dollar-Job-Plans direkt in die Taschen der großen amerikanischen kapitalistischen Unternehmen fließen: ein Bailout in Reinkultur. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die sozialen Maßnahmen des Families Plan auf reine Wohlfahrt reduziert werden, oder dass nur diejenigen, die einen Transfer öffentlicher Mittel in private Hände beinhalten (wie z.B. Hilfen zur Bezahlung der Kita-Kosten), durchkommen werden.

Ein weiterer Aspekt, der die absolute Farce erahnen lässt, die hinter Bidens Worten steht, ist die Tatsache, dass seine „Reichensteuer“, mit der er das alles angeblich finanzieren will, aus einer Erhöhung der Körperschaftssteuer von 21 auf 28% besteht; weit entfernt von den 35% vor Trumps Steuerreform. Der Präsident selbst sagt, dass die Ausgaben innerhalb von acht Jahren getätigt werden, der Plan der Steuererhöhung selbst aber erst in 15 Jahren greifen wird. Im Klartext: Die riesige Staatsverschuldung, die das Land bereits jetzt belastet, wird in den nächsten anderthalb Jahrzehnten auf außergewöhnliche Weise steigen. Man muss kein großer Ökonom sein, um zu erahnen, wer den Preis für diesen großen Raubzug privater Unternehmen an den öffentlichen Kassen bezahlen wird.

Kurzum: Diese Pläne sind heiße Luft und im Grunde eine Propagandakampagne, die dem Land Hollywoods würdig ist. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht einige Zugeständnisse geben kann. Ihr Ziel ist schließlich die Aussöhnung der Millionen, die in den letzten Jahren auf die Straße gegangen sind, mit der delegitimierten bürgerlichen Demokratie.

Aber um die Probleme der Massen zu lösen und die Armut in den USA auszurotten, müsste man diejenigen konfrontieren, die mit dieser Pandemie ein Vermögen gemacht haben. Für Biden ist das absolut ausgeschlossen. Sein Plan besteht viel eher daraus, die öffentlichen Kassen zu plündern, um die Reichen noch reicher zu machen; absolut im Einklang mit dem, was Trump getan hat.

Die Wiederbelebung von Obamas gescheiterter Strategie

Es gibt noch weitere Punkte, die eine wichtige Rolle in dieser großen Pro-Biden-Propaganda-Kampagne spielen, wie beispielsweise die Massenimpfung der Bevölkerung (über 50% sind bereits geimpft) oder seine Unterstützung für die vorübergehende Freigabe der Impfstoff-Patente. Aber all dies resultiert nicht aus seinem sozialen Gewissen oder dergleichen. Es ist schlicht und ergreifend eine absolute Notwendigkeit, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und ein noch größeres Debakel zu vermeiden.

Die riesige Menge an Dollar, die in die US-Wirtschaft gepumpt wird, ist nicht zu übersehen. Die Rettungspakete, die erst von Trump und später von Biden genehmigt wurden, umfassen 32% des US BIPs. Allein das im März von Biden verabschiedete Paket mit einem Umfang von 1,9 Billionen Dollar übertrifft das Konjunkturprogramm Obamas um das Doppelte. Aber wird es ihnen gelingen, das wirtschaftliche, politische und soziale Gleichgewicht in den USA wiederherzustellen?

Wie alle seriösen Ökonomen warnen, gehen diese Stimuli nicht an die produktive Wirtschaft, sondern an die Spekulanten. Die Überproduktionskrise hat den Markt mit Gütern überflutet, die nicht verkauft werden können und aus denen aus diesem Grund kein Gewinn gezogen werden kann. Produktive Investitionen sind nur noch wenig rentabel und deshalb nutzen die Kapitalisten staatliche Hilfen, um ihre eigenen Aktien zurückzukaufen und den Aktienkurs künstlich hochzuhalten; d.h., Profite zu machen, ohne den Produktionsprozess zu durchlaufen. Die Spekulationsblasen und die Kluft zwischen der realen Wirtschaft und dem fiktiven Kapital vergrößert sich immer weiter.

Der größte Teil des durch staatliche Rettungspakete injizierten Geldes wirkt sich somit nicht auf die Realwirtschaft aus, schafft keine Arbeitsplätze und stimuliert auch nicht den Konsum. Es zielt nur darauf ab, den sofortigen Zusammenbruch einer komatösen Wirtschaft zu verhindern. Wie die Geschichte zeigt, ist es nicht möglich, den spekulativen Tendenzen innerhalb dieses Systems und innerhalb der Anarchie der Wirtschaft Grenzen zu setzen. Das Streben nach maximalem Profit regiert. Eine andere Möglichkeit gibt es für die Kapitalisten nicht.

Doch alle von Bidens Schoßhunden, leider einschließlich Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, verschleiern diese einfache Tatsache und geben seiner Politik eine lächerliche „linke“ Maskerade. Genau wie bei Obama nach dem Ausbruch der Krise 2008 wird uns erzählt, dass sie an einem „sozialen“ Ausweg aus dieser Krise arbeiten. Die tatsächliche Politik der Regierung Obama, die drastische Zunahme von Armut und Prekarität, von Rassismus und Abschiebungen, von Zwangsräumungen und millionenschweren Geschenken an die Banken und die großen Tycoons und der Unwillen, der Spekulationsparty ein Ende zu setzen, scheinen in ihren Köpfen einfach verpufft zu sein. Wenn wir heute in eine noch nie dagewesene Krise geraten, dann genau deshalb, weil Obamas Plan kläglich gescheitert ist und den Weg für Trumps Aufstieg geebnet hat. Bidens Strategie besteht daraus, den gleichen Weg zu gehen.

Im Kapitalismus gibt es keinen „sozialen“ Ausweg aus der Krise

Viele Sozialdemokraten in Europa behaupten, dass wir Bidens Beispiel folgen und darauf bestehen müssen, einen „sozialen“ Ausweg aus der Krise zu finden. Wollen sie damit sagen, dass der Kapitalismus „neu gegründet werden muss“, wie es Sarkozy 2008 getan hat? Dass Exzesse reguliert werden müssen und die Reichen fairer, ethischer und solidarischer sein und mehr zahlen sollen?

Wir müssen aus der Geschichte lernen. Dieser Ansatz ist vollkommen falsch. Es war nicht der „New Deal“ Roosevelts, der die Krise der 1930er Jahre beendete, sondern die Politik der Wiederaufrüstung und der Zweite Weltkrieg. Aber die Situation, in der die USA sich heute befinden, hat nichts mit der Damaligen zu tun, als das Land der Gläubiger der ganzen Welt und eine imperialistische Supermacht in klarer Überlegenheit und mit einer angesammelten Fettschicht war.

Dieses Fett gibt es heute nicht mehr. Bidens aggressive Außenpolitik, seine Rückendeckung für die Netanjahu-Regierung in Palästina, seine Unterstützung der marokkanischen Monarchie, die Wiederentfachung der Konfrontation mit Russland, die verpfuschten Versuche, in Lateinamerika wieder an Einfluss zu gewinnen; all das sind Eingeständnisse des wahren Zustands der Dinge. Die USA versuchen verzweifelt, nicht einen weiteren Meter im Kampf gegen China einzubüßen.

Aber unter diesem System hat keine staatliche Intervention die Fähigkeit, den Wirtschaftskreislauf umzukehren. Die Kapitalisten ziehen es vor, solange sie können weiterhin leichtes Geld zu machen, während sie gleichzeitig die Schrauben der Arbeiterklasse anziehen. Es spielt keine Rolle, mit wie viel Geld die Regierungen das Großkapital überhäufen werden. All diese Ressourcen werden den Bach hinuntergehen, die Staatsverschuldung wild ansteigen und die Rechnung an die Arbeiterklasse weitergegeben. Die Bourgeoisie wird niemals für eine gerechte Verteilung des Reichtums eintreten – das ist, als würde man einen Tiger bitten, Salat zu essen!

Die ganze Propaganda der Regierung Biden mag einen vorübergehenden Effekt haben, aber sie ist eine Lüge mit sehr kurzen Beinen. Der neue Präsident ist auf einer ganz anderen Basis ins Weiße Haus eingezogen als noch Obama: ohne Autorität, lediglich mit der Erwartung, den verhassten Trump loszuwerden. Die Arbeiterklasse hat im letzten Jahrzehnt eine Menge darüber gelernt, was im Kampf für ihre Rechte funktioniert und was nicht. Die Demokratische Partei hat nicht geholfen und das wird sie auch in Zukunft immer wieder beweisen. Der Klassenkampf wird sich verschärfen, ebenso wie die zunehmend autoritären und reaktionären Tendenzen, auf die der Teil der Bourgeoisie setzt, der bereits die Republikanische Partei mit Trump an der Spitze übernommen hat.

Um sich zu verteidigen und eine wirkliche Alternative zu der Barbarei, die sich vor uns auftut, zu haben, braucht die US-amerikanische Arbeiterklasse eine Organisation und ein Programm, dass konsequent mit diesem System bricht, die Propaganda entlarvt und die Diktatur des Finanzkapitals beendet. Es gibt nur ein einziges derartiges Programm: das des Sozialismus.

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