Nach der Coronapandemie und dem Beginn des Ukrainekrieges im Februar 2022 erschüttert der nächste Schock die Weltwirtschaft und den deutschen Kapitalismus. Im größten „Bank Run“ der Geschichte (d.h. massenhaftes panisches Abheben von Geld durch Kunden, die um ihre Konten fürchten) und den darauffolgenden Kursstürzen sind innerhalb weniger Tage gleich mehrere Banken über die Klinge gesprungen: Die US-amerikanischen Institute/Regionalbanken Silicon Valley Bank (SVB) und Signature Bank of New York ebenso wie die Schweizer Großbank Credit Suisse (CS), die zu einer der weltweit 30 „systemrelevanten“ Banken gehört und mit der UBS zwangsfusioniert wurde. In Deutschland führte das zu massiven Kursverlusten bei der Deutschen Bank und der Commerzbank.
Auch wenn die Situation sich nach den ersten hektischen Tagen zunächst stabilisiert hat und die bürgerlichen Medien beteuern, dass es sich im Fall der SVB und Signature Bank um kleine Tech- und Start-Up-Institute handelt, deren riskanten Geschäftsmodelle ihnen nach Erhöhung der Leitzinsen auf die Füße gefallen sind, erleben wir erneut Symptome einer Finanzkrise, auch wenn deren Geschwindigkeit und genauen Ausprägungen natürlich offen sind.
Diese erneuten Krisensymptome sind Ausdruck der tiefen wirtschaftlichen Rezession, die sich schon vor Beginn der Pandemie angebahnt hat und die in der kapitalistischen Produktionsweise selbst ihre Ursachen hat: Allein in den USA sitzen Banken schätzungsweise noch auf potenziellen Verlusten von 620 Milliarden Dollar, einer Studie zufolge könnte 186 weitere Banken das Schicksal der SVB ereilen. Bereits jetzt wurden die Auswirkungen, die alleine die Bankenpleite einer Regionalbank wie der SVB auch auf den Rest der Wirtschaft haben kann, mehr als deutlich. In Europa ist nicht nur die CS als alteingesessene Großbank eng mit dem deutschen Finanzkapital verbunden, auch die neue Talfahrt der Deutschen Bank und Commerzbank trübt die Aussichten für die Bundesrepublik.
SVB und Deutsche Banken zeigen: die kapitalistische „Krisenbekämpfung“ von einst schürt eine neue und noch tiefere Krisen
Die Situation der Banken ist nicht losgelöst vom Zustand des Kapitalismus allgemein, und hat ihre Ursachen viel tiefer als in einer zeitweiligen „Unterkonsumtion“ der Massen oder einem „ungebändigten Raubtierkapitalismus“, dem mit einigen wenigen Reformen beizukommen wäre.
Ein chronischer Zustand weltweiter Überproduktion und niedriger Profitraten hat dazu geführt, dass Anleger ihre Kapitalbestände immer stärker in riskante Finanzgeschäfte und Spekulationsblasen investiert haben. Das führte zur Krise im Jahr 2008, die mit der Pleite von Lehman Brothers begann.
Doch seitdem hat sich nichts Wesentliches am Zustand des weltweiten Kapitalismus geändert. Im Gegenteil: Die „Lösung“ für ausbleibende Produktivität und ausbleibenden Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft war die Niedrigzinspolitik, um weiterhin billiges Geld in die Wirtschaft zu schwemmen. Paradiesische Zustände für Spekulateure aller Art und Blasen auf dem Finanzmarkt, was sich unter anderem in der Blasenbildung der Kryptowährungen, NFTs oder auch in finanzpolitischen Entscheidungen wie den Hochrisikokrediten wie die der Silicon Valley Bank ausdrückte. Obwohl also in der Krise von 2008 augenscheinlich alle einer Meinung waren – nämlich darüber, dass die Anarchie der Märkte und der Charakter des kapitalistischen Bankenwesens die eindeutige Ursache für die vergangene Krise waren – ist der Anteil an Spekulationen an den kapitalistischen Märkten alles andere als gesunken. Das zeigt ganz deutlich auf, dass die Ursachen der kapitalistischen Krise organischer Bestandteil des kapitalistischen Systems sind, das nicht einfach durch simple Reformen davon „gereinigt“ werden kann.
Noch dazu kam auch die jetzige Krise einiger Banken nicht überraschend, und wurde auch nicht nur durch einzelne Fehlentscheidungen und einen Bank Run bei der Silicon Valley Bank ausgelöst, sondern kündigte sich über einen längeren Zeitraum an. Bei der Credit Suisse wurden schon im vierten Quartal 2022 rund 107 Milliarden Franken von Kunden abgezogen. Die Sparkassen haben 2022 rund 7,8 Milliarden Abschreibungen auf Wertpapiere eingebüßt, bei der Silicon Valley Bank war schon im September 2022 der Marktwert der Papiere so niedrig, dass die Bank praktisch insolvent war.
Alle Symptome von Spekulation und Überakkumulation, die sich seit der letzten Krise nicht aufgelöst haben, haben dabei die Krisenentwicklung nicht ausgelöst, aber angeheizt. Im Fall der Deutschen Bank kamen dabei die sogenannten „Credit Default Swaps“ zum Tragen – Versicherungen auf Wertpapiere, die als Spekulationsobjekt gekauft werden und mit denen auf den Fall eines Aktienkurses gewettet wird. Ihr Wert ist im Fall der Deutschen Bank in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen, und hat die Talfahrt der DB-Aktie verschärft.
An allen Ecken und Enden wird deutlich, dass die kapitalistische Krise von 2008 nicht überwunden ist. Ihre Charakterzüge bestehen fort, und ihre Auswirkungen werden zum Schlüsselpunkt in der neuen Finanzkrise.
„Bankenrettung“? Verstaatlichung der Banken und Schlüsselunternehmen und entschädigungslose Enteignung des Finanzkapitals!
Die Krise ist noch lange nicht vorbei. Eine Studie mehrerer US-Ökonomen fand heraus, dass 10 Prozent aller US-Banken noch höhere ungesicherte Verluste besitzen als die SVB. Und wie in der Krise von 2008 und überhaupt sind die internationalen Monopolkonzerne heute durch ein dickes Geflecht internationaler Verstrickungen miteinander verbunden. Für Deutschland bedeutet das, dass gerade Unternehmen wie die Deutsche Bank, die Commerzbank, aber auch Dax-Konzerne wie Continental, Porsche oder Volkswagen, die stark von Krediten des Bankensektors abhängig sind, direkt von einer Krisenentwicklung – die in ihrem Ausmaß die Krise von 2008 übertreffen könnte – betroffen wären.
Der unmittelbare Auslöser für das Straucheln der Finanzwirtschaft ist die Anhebung der Zinsen. Doch die Herrschenden im kapitalistischen System haben nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Fed und EZB werden abwägen müssen, mit ihrer schrittweisen Erhöhung der Leitzinsen fortzufahren, um die Inflation mit ihren kapitalistischen Methoden einzudämmen, was die Finanzkrise verschlimmern würde, oder diese zurückzufahren, um ihre eigenen Finanzinstitutionen zu stabilisieren, was aber gleichzeitig die Inflation in eine noch extremere Aufwärtsspirale treiben würde.
Eine neue Finanzkrise wird nicht nur weltweit und auch in Deutschland die Legitimität der kapitalistischen Institutionen noch weiter untergraben. Auch werden die Bankenrettungsprogramme, die jetzt schon von den Regierungen geschnürt werden, soziale Verteilungskämpfe weiter befeuern und das in einem Moment, wo Europa von Generalstreiks erschüttert wird und Frankreich sich in einer revolutionären Krise befindet.
Die herrschende Klasse kennt diese Realität und bereitet sich auf alle Szenarien vor. Auch in Deutschland unternimmt sie entsprechende Anstrengungen: Sie kurbelt an der Staatsverschuldung, um Rettungsschirme und Milliarden-Aufrüstungspakete für den Kampf um die globale, imperialistische Vormacht zu schnüren.
Gleichzeitig zeigen die sozialen Kämpfe, die Frankreich, Deutschland und die ganze Welt erfasst haben, dass die herrschende Klasse genau weiß, woher sie das Geld für ihre Systemrettung nehmen wird: Aus den Taschen der Arbeiter und Armen, und durch soziale Kürzungen. Es geht darum in den heutigen Klassenkämpfen um viel mehr, als um Tarifabschlüsse. Es geht darum, welche Klasse für die Lösung der kapitalistischen Krise bezahlen wird. Und dabei gibt es nur zwei Wege: Die Fortsetzung und Vertiefung des kapitalistischen Krieges, die ökologische Zerstörung des Planeten, die Fortsetzung der Verarmung der Massen und des Klassenkampfs von oben – oder die Abschaffung dieses dreckigen kapitalistischen Systems, durch die Verstaatlichung der Banken und Schlüsselindustrien unter Kontrolle und Verwaltung der Arbeiterklasse, durch den weltweiten Sozialismus!