Wir stimmen Heidi Reichinnek voll und ganz zu, wenn sie sagt, dass der Kapitalismus abgeschafft werden muss. Dass die Linke sich in ihren letzten Auftritten wieder radikaler gibt und zu einer „Klassenpolitik“ zurückkehren will, ist gut. Was wir schon vor den Wahlen angemerkt haben [1], gilt auch weiterhin: Viele wenden ihren Blick gerade aus den richtigen Gründen der Linken zu, auf der Suche nach einer Alternative gegen die Krise des Kapitalismus, das Horror-Kabinett Merz und den Aufstieg der AfD. Allein in den letzten Monaten sind 50.000 neue Mitglieder eingetreten.

Gleichzeitig ist die Rolle, die die Parteiführung in den Wochen nach den Wahlen gespielt hat, verheerend. Anstatt zu Mobilisierungen auf den Straßen und in den Betrieben aufzurufen, gegen die Aufrüstung und die skandalösen Pläne der neuen Regierung Merz, hat sie treu die linke Stütze des deutschen Kapitalismus gespielt – sei es durch die offene Zustimmung zu den Kriegskrediten in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern [2], ihre Weigerung, ihre Sperrminorität im neuen Bundestag einzusetzen, um Merz‘ Pläne zu blockieren, oder nun die Unterstützung für den neuen Kanzler, einen zweiten Wahlgang zur Kanzlerwahl durchzuführen.

Wenn Heidis Forderung nach dem Sturz des Kapitalismus ernst gemeint ist, die sich auch durch alle Reden der Parteispitze auf dem Parteitag vom 9. bis 11. Mai in Chemnitz zog, dann braucht es einen klaren Kurswechsel!

 Von Sozialismus reden aber an die CDU appellieren? Klassenkampf in Taten, nicht in Worten!

Doch die Parteiführung hat alles in ihrer Macht Stehende getan, um die dritte Tagung des neunten Parteitages möglichst unkontrovers zu gestalten, anstatt eine ernsthafte, inhaltliche Debatte über die wichtigen politischen Fragen zu ermöglichen.

Dabei ist genau das nötig: der Zollkrieg und die eskalierenden zwischenimperialistischen Spannungen, das Erstarken der ultrarechten AfD zur stärksten Partei und die offensichtliche Kriegsvorbereitung setzen die Notwendigkeit einer tatsächlichen und konsequenten revolutionären Arbeiterpartei so dringend wie nie auf die Tagesordnung. Die Parteiführung ist sich dabei sehr wohl bewusst, dass es innerparteiliche Kritik an ihrem opportunistischen und staatstragenden Kurs gibt, sei es aus der Parteijugend oder in Form der Unterschriftenliste gegen die Zustimmung zur Aufrüstung, die in kürzester Zeit über 2.500 Unterschriften von Parteimitgliedern sammelte.

Anstatt zu diesen Fragen klar Stellung zu beziehen, waren die Eröffnungsreden der Parteivorsitzenden von Verbalradikalismus durchzogen, im Versuch, die tatsächliche Rolle der Parteispitze zu verbergen. Worte wie Sozialismus, Klasse und Klassenkampf waren überall zu hören – was an sich natürlich nichts Schlechtes ist, aber was für ein himmelschreiender Widerspruch zur tatsächlichen Politik!

Wie kann der Bundesgeschäftsführer Janis Ehling beispielsweise mit dem Aufruf starten, dass wir „diesem Kanzler das Land nicht überlassen werden“ – nachdem die Bundestagsfraktion genau das getan hat, indem sie zwar auf dem Papier nicht für Merz gestimmt hat, gleichzeitig mit ihren Stimmen aber einen schnellen zweiten Wahlgang in der Kanzlerwahl ermöglicht hat, nachdem der erste gescheitert war?

Das sind keine unwichtigen Details oder Spitzfindigkeiten, sondern Ausdruck einer Rechtsentwicklung in der Politik der Parteispitze. Sie reden von Sozialismus und sprechen dabei verständlicherweise vielen Jugendlichen und Aktivisten aus dem Herzen, aber wollen eine Zusammenarbeit mit der CDU und appellieren an die „Demokratie“ – eine bankrotte „Demokratie“ für die Reichen, die uns Krieg, Armut und Faschismus bringt. Diese Politik ist ein offener Verrat an der Chance, eine wirklich kämpferische sozialistische Kraft aufzubauen.

Die historische Erfahrung zeigt: Reformistische Führungen, die sich dem parlamentarischen Spiel unterordnen, haben in entscheidenden Momenten stets die Bewegungen gebremst oder verraten. Wer von Klassenkampf spricht, muss ihn führen - gegen Aufrüstung, gegen Sozialabbau, gegen den Schulterschluss mit bürgerlichen Parteien wie der CDU. Dabei braucht es auch eine klare Absage an Regierungsbeteiligungen mit pro-kapitalistischen Parteien. Ein klarer Bruch mit der reformistischen Ausrichtung der Parteiführung ist deshalb notwendig, wenn die Linke mehr sein will als nur eine alternative Verwaltung des Bestehenden.

Parallel zu den Vorbereitungen zum Parteitag hat die Parteiführung auch noch eine widerliche Hetzkampagne gegen die Genossin Ulrike Eifler für einen richtigen Post in Solidarität mit Palästina losgetreten. Wir haben unsere Solidarität mit der Genossin bereits ausgedrückt [3] und sagen: Wenn der Parteivorstand die Beschlüsse, die der eigene Parteitag schließlich angenommen hat, ernst nimmt, wäre eine Entschuldigung angebracht!

Parteiführung scheitert gleich mehrmals und kämpferische Positionen setzen sich durch

Eine ganze Reihe von Genossen aus verschiedenen Landesverbänden und vor allem dem Jugendverband Linksjugend solid und dem Studierendenverband SDS haben diese Politik der Parteiführung scharf angegriffen und an vor allem zwei Hauptlinien für kämpferische Anträge argumentiert, die sich am Ende durchsetzen konnten und einen politischen Fortschritt darstellen.

So wurde mit „Ohne Wenn und Aber: Sage Nein zu Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit“ ein Antrag angenommen, der sich der historischen Aufrüstung und Militarisierung entgegenstellt, Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel ablehnt und der imperialistischen Kriegsvorbereitung ein Programm des Internationalismus entgegenstellt: „Für die verhärtete Auseinandersetzung großer Mächte tragen hier und überall die Armen und Arbeiter*innen die Kosten. Sie zahlen für die Aufrüstung und sterben im Kriegsfall auf den Schlachtfeldern, während Rheinmetall & Co. Rekordprofite einfahren.“

In einem Antrag des Jugendverbandes wurden sogar die Linke Mitglieder der Landesregierungen Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, die im Bundesrat diesem Aufrüstungsprogramm zugestimmt haben, zum Rücktritt aufgefordert! Dieser Forderung schließen wir uns voll und ganz an: nicht Genossen wie Ulrike Eifler haben in unserer Partei nichts mehr verloren, sondern solche Verräter! Ines Schwerdtner musste persönlich gegen diesen Antrag reden, und trotzdem ist die Abstimmung nur knapp mit 192 zu 219 Stimmen verloren worden.

Auch die Annahme der „Jerusalemer Declaration on Antisemitism“ (JDA), die als neue politische Grundlage der Partei angenommen wurde, ist ein großer Fortschritt und ein Sieg im Kampf gegen zionistische Positionen innerhalb der Partei. Diese trennt Kritik am Staat Israel und Antizionismus klar von tatsächlichem Antisemitismus und ermöglicht so konsequente Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand – unentbehrlich im Kampf für eine wirklich antikapitalistische und antiimperialistische Partei!

Teil von dem Antrag war ebenso die Ablehnung der Resolutionen zu „Antisemitismus“ im Bundestag, hinter denen sich ein autoritärer Angriff auf jegliche Palästinasolidarität verbirgt und zu denen sich die Linksfraktion enthalten hatte.

Auch diese Fortschritte mussten hart gegen die Parteiführung erkämpft werden. Am Abend vorher veröffentlichte der Parteivorstand den Beschluss „Das Existenzrecht des Staates Israel ist für uns nicht verhandelbar“, auf den Genossen auf dem Parteitag passend antworteten: „Seit wann solidarisiert sich eine sozialistische Partei mit einem kapitalistischen Staat, mit einem kapitalistischen, genozidalen Apartheidsstaat?“ Der Antrag selbst konnte nur abgestimmt werden, weil sich Genossen gegen eine Verschiebung und für eine Verlängerung der Sitzung aussprachen, was knapp und auch hier nur gegen die Intervention der Parteispitze, in diesem Fall Jan van Aken, angenommen wurde.

All das ist ein Erfolg und Ausdruck einer Linksverschiebung an der Basis der Partei. Auch wenn diese Anträge nur knapp angenommen wurden, stark umkämpft waren und zweifelhaft bleibt, ob sie ohne weiteres wirklich zu einer Kursänderung der Parteiführung beitragen werden, ist es ein großer Fortschritt im Vergleich beispielsweise zum Augsburger Parteitag vor zwei Jahren, wo Redner noch ausgepfiffen worden, nur weil sie vom Völkermord in Gaza gesprochen haben.

Chance für den linken Flügel: Eine echte revolutionäre Partei der Arbeiterklasse aufbauen

All das macht Hoffnung. Gleichzeitig ist klar: Es braucht einen organisierten, revolutionären und kommunistischen Flügel innerhalb der Partei. Es darf nicht bei diesen Anträgen bleiben, sondern sie müssen die Grundlage für eine tatsächliche und radikale Neuausrichtung der Partei werden.

Es ist wichtig zu erkennen, dass dieser Parteitag ein Ausdruck sich verändernder Kräfteverhältnisse mit Delegierten ist, die noch vor der aktuellen Eintrittswelle gewählt worden sind. Gerade mit Hinblick auf die Tausenden Neumitglieder müssen wir ein klassenkämpferisches, antikapitalistisches und internationalistisches Programm verteidigen und die unzähligen Arbeiterinnen und Arbeiter, Jugendlichen und Aktivisten innerhalb und außerhalb der Partei, die gerade nach einer Alternative zu Krieg, Krise und Kapitalismus suchen, für ein kommunistisches Programm gewinnen.

Die Linke hat eine große Chance, aber sie ist noch weit davon entfernt die Partei zu sein, die wir brauchen: eine Partei, die zum Kampf auf der Straße, in den Betrieben, Schulen und Unis aufruft und sich auf die kommenden Klassenkämpfe vorbereitet; die die Überwindung des Kapitalismus, die Enteignung der Banken und Konzerne und die revolutionäre Machtergreifung der Arbeiterklasse auf die Tagesordnung setzt.


Wir fordern:

1. Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Keine Komplizenschaft mit dem eigenen Imperialismus, weder in der Ukraine noch in Gaza, Deutschland raus aus der NATO!

2. Nein zu jeder Regierungsbeteiligung oder Annäherung an CDU, SPD, Grüne! Wer den Kapitalismus stürzen will, darf ihn nicht mitverwalten!

3. Internationalismus heißt Antizionismus! Gegen den Genozid in Gaza, volle Unterstützung für die Solidaritätsbewegung in Deutschland!

4. Konsequenzen ziehen – radikal nicht nur in Worten, sondern in Taten! Die Verantwortlichen für die Zustimmung der Kriegskredite im Bundesrat in MV und Bremen müssen zurücktreten!

5. Der Sozialismus wird auf der Straße und in den Betrieben erkämpft! Für die Verstaatlichung von Banken und Konzernen unter demokratische Kontrolle und Verwaltung der Arbeiterklasse!

 

Anmerkungen:

[1] https://offensiv.net/index.php/deutschland/23-02-gegen-die-faschistische-bedrohung-die-linke-waehlen-und-fuer-eine-revolutionaere-alternative-auf-der-strasse-kaempfen.

[2] https://offensiv.net/index.php/deutschland/die-schuldenbremse-und-die-linke.

[3] https://offensiv.net/index.php/deutschland/solidaritaet-mit-ulrike-eifler.

 

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