Diesen Januar wurde der Abschlussbericht zur Untersuchung des größten bisher bekannten Missbrauchsnetzwerks Deutschlands in Bergisch-Gladbach veröffentlicht – ein Skandal mit 439 Tatverdächtigen, 65 befreiten Kindern und hunderttausenden Foto- und Videodateien.

Zeitgleich kam eine neue Missbrauchsreihe in der katholischen Kirche ans Licht. Skandalös am Fall des Priesters Peter H. ist, dass der benannte Priester des Erzbistums München-Freising schon in vergangenen Wellen von Missbrauchsskandalen am Pranger stand, und trotz aktenkundigen Berichten sexueller Gewalt an Kindern im Amt seit fünfzig Jahren (!) nicht nur weiterarbeiten durfte, sondern die kirchlichen Institutionen weitere Hinweise auf Missbrauch über Jahrzehnte vertuscht haben.

Fünfzig Jahre Missbrauch, keine Konsequenz!

Der Missbrauch durch Peter H. wurde durch kirchliche und staatliche Urteile dokumentiert, aber nie beendet. Schon 1986 wurde der Pfarrer durch das Amtsgericht Ebersberg für den sexuellen Missbrauch an zehn minderjährigen Jungen für schuldig befunden, aber in der Folge nur ein Jahr später von kirchlichen Vorgesetzten nach Garching versetzt, wo die Fälle der Bevölkerung unbekannt waren.

Die Praktik, Vorgesetzte und Würdenträger nicht zu belangen und die Arbeit aktenkundiger Sexualstraftäter mit Kindern zu dulden, hat nichts anderes hervorgebracht als neue Übergriffe und weitere schockierende Fälle missbrauchter Kinder!

Nur die Spitze des Eisbergs!

Dieses schockierende Ausmaß des Kindesmissbrauchs lässt schwer davon ausgehen, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handelt.

Das katastrophale Handeln der deutschen katholischen Institutionen, hunderte Missbrauchsfälle in den Reihen der spanischen katholischen Kirche1 und 330.000 Fälle von Kindesmissbrauch, die in der französischen katholischen Kirche im vergangenen Oktober aufgedeckt wurden, können nur den Hauch einer Vorstellung liefern, welches Ausmaß von Missbrauch noch im Dunkeln liegt.

Auch an anderer Stelle wird das unfassbare Ausmaß des organisierten Verbrechens mit sexuellem Kindesmissbrauch deutlich. Man muss nur an die Verwicklungen der faschistischen NSU-Terroristen mit einem Kindesmissbrauchsring oder den Fall Edathy denken, gegen den wegen Besitz kinderpornographischer Medien ermittelt wurde, wobei auch ein führender BKA-Beamter aus dem Bereich „Schwere Organisierte Kriminalität“ als Kunde von verkauften Kindesmissbrauchs-Videos enttarnt wurde.

Durch Internetplattformen und Darknet ist für Pädokriminelle ein neuer Umschlagsplatz entstanden. Von Perversen, die tausende Dollar zahlen, um der Vergewaltigung von Kindern per Livecam zuzusehen, über Hoster, auf deren Foren ganze Terabyte von Dateien mit Misshandlungen zu finden sind. Erst im Dezember letzten Jahres war auf STRG_F ein Bericht zu sehen, der zeigte, dass schon in wenigen Stunden Arbeit Unmengen von kinderpornographischem Material aus dem Internet entfernt werden könnten – dass staatliche Stellen diese Arbeit aber nicht erledigen.

Kein staatlicher Schutz für die Schwächsten der Gesellschaft!

Das Argument, warum staatliche Behörden sich kaum um Löschungen bemühen, ist, dass sie ihre Kräfte lieber der Verfolgung des Missbrauchs widmen. Aber: Verfolgt der bürgerliche Staat Kindesmissbrauch konsequent?

Was das angeht, hat der Fall Lügde einiges Aufsehen erregt: Zwischen Anfang 2008 und 2018 wurden Kinder in mindestens 1.000 Fällen (!) auf einem Campingplatz in Lügde von mehreren Tätern missbraucht. Das erste Kind, das misshandelt wurde, wurde dem Haupttäter, der nicht der Vater war, vom Jugendamt zugesprochen, um mit ihm in seiner verfallenden Baracke auf dem Campingplatz zu leben.

Die Ermittlungen weiteten sich in einen massiven Institutionenskandal aus: Mehrere Polizisten, die in der betrauten Kreispolizei arbeiteten, stellten sich als Pädokriminelle heraus. Jugendamtsmitarbeiter haben Hinweise auf die Pädophilie des Täters nachträglich aus den Akten gelöscht und hunderte Datenträger mit Hinweismaterial verschwanden aus den Polizeigebäuden.

Ein staatliches Auffangnetz gibt es nicht.

Das organisierte Verbrechen mit dem Kindesmissbrauch bringt nicht nur den Moder der kirchlichen Institutionen und die Verkommenheit der kapitalistischen Gesellschaft zum Ausdruck – es deutet auf schwere Lücken im Netz der Kinderschutzinstitutionen hin!

Sie führen dazu, dass der Grausamkeit Einzelner freie Hand gelassen wird. Und durch all die verlogenen Argumente der Verantwortlichen in den Medien wird ein schützender Mantel um diese Grausamkeiten gelegt: Durch ein Schweigen über die kriminelle Unterfinanzierung der Schutzinstitutionen, die mit den schockierenden Beispielen der Kinderschändung ihre hässlichen Blüten treibt.

Wo Mangel herrscht, wächst Korruption. Auch hier hat der Fall Lügde Licht auf weiteren Schmutz geworfen: Er zeigt, wie Jugendämter bei Inobhutnahmen vorgehen. Seit den 1990er-Jahren hat sich ihre Anzahl in Deutschland verdoppelt, auf 45.444 im letzten Jahr. Gleichzeitig wurden Stellen zur Aufnahme und die verantwortlichen Jugendämter kaputtgespart. Für Korrupte und Verbrecher schafft das den Boden für ein lukratives Geschäft: Freie Träger erhalten vom Staat Summen von über 5.000€  im Monat, vermitteln Kinder aber teilweise sogar nach Osteuropa, wobei den Familien nur wenige hundert Euro für ihre Betreuung überwiesen werden.  Die Unterkünfte werden kaum geprüft.

So zahlt der Staat für die Kinderbetreuung immense Gelder an private Träger, die damit ihre Gewinne machen; gleichzeitig heißt es aber, es gäbe kein Geld um mehr Personal zur Verfolgung von Missbrauch anzustellen.

Profitorientierung und Kindesmissbrauch

Profitorientierung in der Jugendhilfe und das Kaputtsparen der Schutzinstitutionen machen den Kindesmissbrauch zu einem flächendeckenden Krebsgeschwür.

Was hinter den Kirchenmauern passiert, was Jugendämtern und Polizei gemeldet und übergangen wird,… – es sind keine Einzelfälle!

Parallel dazu, dass hunderttausende Frauen und Kinder Opfer brutalster Misshandlungen werden, wurden im vergangenen Jahr Rettungspakete im historischen Ausmaß geschnürt, um Großkonzerne in der Krise zu retten – oft ohne jede Verpflichtung für die Konzerne.

Ein solches Handeln wäre von Seiten des kapitalistischen Staates nicht denkbar, wenn es um die Vermeidung des hunderttausendfachen Verbrechens des Kindesmissbrauchs geht.

Diese barbarischen Zustände sind nur in einer Welt möglich, die so gnadenlos nach dem Gesetz des Profits der Reichsten dieser Gesellschaft funktioniert.

Nur die sozialistische Revolution; die Umgestaltung der Welt nach den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung, der Arbeiterkinder und -jugend, kann dem ein Ende setzen!

 

[1] Hier zum Artikel unserer Sektion im spanischen Staat

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