Die Zeiten sind nicht einfach für die Bauern in Deutschland. Im Milliardenbusiness der Nahrungsmittelwirtschaft sitzen sie oft genug am kürzeren Hebel als die großen Verarbeiter, wie Nestlé, Cargill oder Dr. Oettker oder die Supermarktketten, die für viele Produkte die Preise diktieren können.

Nicht zuletzt die sinkende Anzahl an Unternehmen, die in Deutschland Landwirtschaft betreiben, bringen den Sektor immer wieder in die Medien und Bauern auf die Straße. Insbesondere gegen das Agrarpaket der Bundesregierung gab es im letzten Herbst große Treckerdemos in fast allen großen Städten. Vor allem die kleinen Einschränkungen der weitverbreiteten Überdüngung mit Gülle und des Einsatzes verschiedener Pflanzenschutzmittel, die in dem Gesetzespaket enthalten waren, waren der konkrete Anlass für die Proteste, in denen sich offensichtlich aber viel lange angestauter Unmut entladen hatte. Betrachtet man die Organisatoren der Proteste, insbesondere der Initiative „Land schafft Verbindung“, fällt schnell auf, dass einige unter ihnen kaum an den Rand gedrängte Kleinbauern sind, die am Hungertuch nagen. Der Familienbetrieb von Dirk Andresen etwa, einem der bekannteren Sprecher, erhielt EU-Subventionen für 1325 Hektar, eine Fläche, deren Gegenwert nach den Durchschnittspreisen für Ackerland in Mecklenburg-Vorpommern, mehr als 25 Millionen Euro wären.

Wie in jede andere Branche ist auch der Agrarsektor fest in das kapitalistische Wirtschaftssystem integriert und der Tendenz zur Bildung immer größerer Betriebe unterworfen. Diese Tendenz verschärft sich mit jedem Innovationsschub, der große Produktivitätssteigerungen ermöglicht, zumindest für die Betriebe, die ausreichend Kapital für die Investitionen bereit hatten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten so die Bauern, die sich Traktoren und andere Maschinen für die Bestellung größerer Felder leisten konnten, die kleineren Höfe schlucken, deren Betriebe gegen die Preise der motorisierten Konkurrenz nicht konkurrieren konnten. Dieselbe Dynamik schlug auch in den letzten drei Jahrzehnten zu, in denen sich die Computertechnik mehr und mehr in der scheinbaren ländlichen Idylle breitgemacht hat.

Obwohl sich seit 1990 die Produktivität in der Landwirtschaft in etwa verdoppelt hat, sind es natürlich nicht die einfachen Mitarbeiter, die in den Genuss von Lohnsteigerungen kommen. Insbesondere arbeitsintensive Schritte, wie die Ernte von Beeren oder Spargelstechen sind längst mit katastrophalen Löhnen und Arbeitsbedingungen an osteuropäische Saisonarbeiter vergeben.

Während insbesondere viele Stadtbewohner dieser Wirtschaftsweise ihre idealisierte Vorstellung von bäuerlicher Landwirtschaft in der „guten, alten Zeit“ entgegen halten, muss man als Sozialist zweifellos anerkennen, das der technologischer Fortschritt in der Landwirtschaft unzählige Menschen vom Schicksal als verarmte Kleinbauern, die kaum genug für sich selbst erwirtschaften konnten, erlöst hat. Allerdings führt dieser fortschreitende Prozess dazu, dass auch die Unternehmen, die gestern noch kleinere geschluckt haben heute selbst gefährdet sind.

Die prekäre Situation dieser „mittelständischen“ oder kleinen Unternehmen, immer bedrängt von der Großindustrie und der Angst vor dem Verlust der eigenen Produktionsmittel scheint oft genug ein reaktionäres Gesellschaftsbild zu forcieren. Zuletzt wurde dies bei einer Aktion offensichtlich, bei dem hunderte Landwirte das Symbol der Landvolkbewegung, einer antisemitischen rechten Bewegung aus den Zwanzigern mit ihren Treckern in Nordfriesland nachstellten.

Ernährungsautarkie und der Erhalt von Kulturlandschaften sind mit Sicherheit im Interesse der Gesamtgesellschaft. Die Forderungen von „Land schafft Verbindung“ und co. sollen allerdings nur sicher stellen, dass private Betriebe weiterhin auf Kosten von Allgemeingütern, wie etwa sauberem, nitratfreiem Grundwasser Profit machen dürfen. Sie fordern auch in Ausnahmesituationen wie der Coronakrise osteuropäische Arbeiter und Arbeiterinnen als Niedrigstlöhner ausbeuten zu dürfen, nicht aus individueller Gier, sondern weil sie den Gesetzen des Marktes folgen müssen. Eine Nahrungsmittelindustrie, die für jeden von uns eine gesunde, bezahlbare Ernährung und den Erhalt einer intakten Umwelt ermöglicht, ist in diesem System undenkbar. Weder internationale Agrarmultis noch die romantische Illusionen von regionalen Kleinstbauern können den Bedürfnissen einer wachsenden Weltbevölkerung gerecht werden. Statt dessen brauchen wir Produktion, die nach unseren Bedürfnissen geplant und demokratisch kontrolliert wird!

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