Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels bemisst sich das Ausmaß der Coronapandemie in Deutschland auf 73.369 Tote, 2.569.864 Fälle insgesamt und unzählige, die an Long Covid (Fatigue-Syndrom, Schlafstörungen, Schmerzsymptome, Angst oder Depressionen, Geruchsstörungen, Probleme beim Gehen, Haarverlust, Muskelschwäche,... als langanhaltende Folge von Corona) leiden.
Doch nur, weil Covid das Leben von Infizierten egal welchen Alters und ihre Arbeitsfähigkeit langfristig beeinträchtigen kann, machen die unerbittlichen Gesetze der kapitalistischen Wirtschaftsweise auch in der Pandemie nicht Halt vor den Profitchancen, die in menschlichen Grundbedürfnissen oder besser: deren Nicht- oder nur teilweisen Erfüllung liegen.
Die Maskenaffäre, die nun die CDU heimsucht, ist nur die Spitze des Eisbergs. Schon zu Beginn der Pandemie wurde bekannt, dass Maskenproduzenten den Preis der Masken (u.a. auch für Betriebe, die die Masken im großen Stil abnehmen) um tausende Prozent anhoben. Dazu kam der Phantasiepreis, den Impfstoffhersteller für ihre Produkte ansetzten; die Millionen öffentlicher Gelder, die ihnen zur Impfstoffproduktion vorgestreckt wurden, und die unzureichenden Margen, die sie dafür zur Verfügung stellten. An allen Ecken und Enden wurde deutlich, wie die Wirtschafts- und Gesundheitskrise ausgenutzt wurde, um ein massives Umverteilungsprogramm von Arm nach Reich, von unten nach oben, von Steuerzahler zu Großkonzernen und Banken loszutreten.
Und eben die Politiker, die diese Wahrheit zu Beginn der Pandemie noch bestritten haben und uns erzählt haben wir säßen „alle im gleichen Boot“; die Rettungspakete, von denen vor allem Großkonzerne profitieren, seien zu „unser aller Besten“ ganz nach dem Motto „es gibt keine Klassen mehr, nur noch Covid-Gefährdete“, haben nun den Beweis erbracht, dass sie eben doch mit den Chefetagen der Banken und Konzerne unter einer Decke stecken.
Verschleierungstaktik der CDU
Das öffentlich bekannte oder vermutete Ausmaß der Korruptionsaffäre, bei der mehrere CDU-Politiker gegen Bestechung Maskengeschäfte privater Anbieter vermittelt haben sollen, geht bereits so weit, dass das erste Mal in der Geschichte als gesamte Fraktion eine sogenannte „Ehrenerklärung“ abgegeben wurde – die zum einen nicht rechtlich bindend ist, und zum anderen einen bitteren Beigeschmack hat, denkt man an die Ehrenerklärung Adenauers zur Reinwaschung ehemaliger Wehrmachtsoldaten und Kriegsverbrecher, oder an die Wolfgang Schäubles für Kohl in der CDU-Spendenaffäre kurz bevor vor der Übergabe der Regierungsgeschäfte an das Kabinett Schröder im großen Stil Akten vernichtet wurden (sog. „Bundeslöschtage“).
Drei CDU-Abgeordnete sind bereits zurückgetreten: Nikolas Löbel aus Mannheim kassierte aus Maskenschäften über seine eigene Firma circa 250.000 Euro, indem er einen baden-württembergischen Lieferanten an zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelte. Georg Nüßlein stellte für die Vermittlung privater Schutzmaskenhersteller an verschiedene Institutionen der Bundesregierung 660.000 Euro in Rechnung (die er außerdem nicht versteuerte). Mark Hauptmann erhielt hohe fünfstellige Geldbeträge für die Bewerbung des Staats Aserbaidschan, steht im Verdacht sich mit Maskendeals bereichert zu haben und gründete außerdem im Sommer 2020 eine Firma namens „HGC Hauptmann Global Consult GmbH“ in Brandenburg (aufgrund des dort herrschenden niedrigen Steuersatzes), deren Sinn und Zweck noch untersucht wird. Auch Karin Strenz (CDU) betrifft der Vorwurf der Lobbyarbeit für Aserbaidschan – schon 2014 und -15 erhielt sie rund 15.000 Euro von der Firma Line M-Trade, die von einem früheren CSU-Politiker geführt wird und für aserbaidschanische Lobbyarbeit bekannt ist. Umso beachtlicher, da Strenz in dem Land als Wahlbeobachterin tätig war und noch dazu 2015 als einzige deutsche Abgeordnete im Europarat gegen die Forderung nach der Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan stimmte.
Nur die Spitze des Eisbergs
Die aktuelle Korruptionsaffäre, die die CDU heimgesucht hat, ist nur eine Pestbeule mehr am von Profitmacherei und Bereicherung durchseuchten Körper des Kapitalismus. Man denke an Merkels unablässiges Werben für Wirecard, an Amthors Lobbyismus für Augustus Intelligence, an Wulffs unzählige Verdachtsfälle wegen Bestechung und Korruption oder an Schröders Tätigkeit für Gazprom.
Dabei beschönigt man das Problem noch, würde man seinen Ursprung nur an der moralischen Schlechtheit einzelner Verbrecher in Regierungsposten verorten. Sein Kern liegt in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, in der eben die geschilderten Probleme – die Ausbeutung; der Profit aus dem Mangel und dem Leid von Arbeitern und Armen – nicht die Ausnahme, sondern die Norm sind. Der Kapitalismus ist ein System, das ohne enorme strukturelle Ungleichheiten überhaupt nicht existieren würde. Wie könnte eine Wirtschaftsordnung, die auf Lohnarbeit für die Profite anderer basiert funktionieren, wenn jeder Einzelne ein Superreicher oder Eigentümer wäre, der zum Überleben kein abhängiges Arbeitsverhältnis benötigte?
Der Kontrast von Besitzlosen und Kapitalisten gehört zu den elementaren Funktionsweisen des Kapitalismus. Dabei ist die Korruption nur ein Weg, auf dem die Profiteure dieser Wirtschaftsweise die Hörigkeit der staatlichen Institutionen sicherstellen. Oft passiert das auch durch die direkte Personalunion, durch persönliche Freundschaft oder Verwandtschaft mit privaten Eignern oder einfach dadurch, dass selbst die Politiker, die sich klinischstem Legalismus verschrieben haben, die erdrückende Macht der Banken und Konzerne im Kapitalismus nicht ignorieren können. Denn Kapitalisten können auch feindliche Politiker bestechen, Institutionen auf internationaler Ebene einschalten, Medien in Stellung bringen, mit fremden oder feindlichen Nationen Geschäfte machen, ökonomische Zusammenarbeit verweigern, gesellschaftliche Think-Tanks und Pressuregroups aufbauen, damit drohen, Firmenniederlassungen zu schließen, oder (in manchen Ländern) selbst paramilitärische Formationen aufbauen. In vielen Fällen dient die bürgerliche Politik eben dem zu verschleiern, wo die wirkliche Macht liegt: bei denen, die durch ihre Diktatur über das Wirtschaftswesen die Ressourcen und die Produktion kontrollieren.1
Es können noch so viele Unionspolitiker zurücktreten, sie können die sämtliche Personalbesetzung der Staatsgeschäfte austauschen mit den gewieftesten Juristen – weitere Korruptionsskandale werden folgen, eben weil sie nicht persönliches Laster, sondern nötiger Ausfluss der kapitalistischen Wirtschaftsweise sind. Und nur Maßnahmen, die an ihrer grundlegenden Funktionsweise etwas ändern, können nachhaltig sein.
Schon Friedrich Engels hat im „Anti-Dühring“ erklärt, dass dieses System nicht allein auf der gewaltsamen Übervorteilung des einen über den anderen basiert (auch wenn es sie notwendigerweise hervorbringt), sondern auf der Spaltung der Gesellschaft in Klassen.2 Korruption ist – zumindest bis zu einem gewissen Maßstab – durch das Gesetz verboten, da die Klasse der Kapitalisten für sich selbst „gerechte“ Bedingungen zur systematischen Ausbeutung von Arbeitern und Armen schaffen will.
Der größte Posten kapitalistischer Ausbeutung geschieht demgegenüber ganz legal – mehr noch, der Kapitalismus gestaltet Gesetze mit dem Zweck diese Ausbeutung zu ermöglichen. Oder warum wurde das Lieferkettengesetz durch Minister Altmeier immer weiter ausgehöhlt bevor es verabschiedet wurde, und betrifft nun nur noch direkte Zulieferer (damit Kinderarbeit und zivilrechtliche Verstöße weiter „legal“ bleiben)? Warum gilt an der Frage der Impfstoffproduktion, die durch den Steuerzahler subventioniert wurden, das – legale (!) – Geschäftsgeheimnis, wenn es um die Produktionskosten geht? Warum privatisieren alle regierenden Parteien selbst in der Coronapandemie ganz legal Krankenhäuser und weitere öffentliche Güter, damit sich Privatkonzerne ihre Profite aus den pauschalisierten Zahlungen der Krankenkassen abzweigen können? Warum konnte die drohende Massenarmut Griechenlands in der letzten Krise genutzt werden, um Staatsgelder an deutsche Großbanken und Häfen an chinesische Privatkonzerne umzuverteilen? Oder warum sind in der CDU Nebeneinkünfte bis 100.000 Euro ganz legal? Eben weil die kapitalistische Legalität – ebenso wie die Korruption – zur Enteignung von Arbeitern und Armen, und zum Zweck des Profits privater Banken und Konzerne konstruiert wurde.
Der Kapitalismus ist unheilbar
Die Empörung über die schamlose Ausnutzung des Elends der Coronapandemie, die Unzählige das Leben gekostet hat, ist berechtigt – ob sie nun legal oder illegal stattfindet. Denn auch wenn es CDU-Politikern nicht gestattet war – unzählige Privatkonzerne haben mit Masken, Impfstoffen und anderen gesundheitsrelevanten Gütern Milliardenprofite eingefahren. Egal wie viele Politiker der CDU zurücktreten ist und bleibt sie für eben diese Politik verantwortlich – dafür, dass Konzerne die lebensnotwendige Güter produzieren nicht den gesellschaftlichen Bedürfnissen untergeordnet wurden sondern weiter ihre Profite scheffeln durften; dafür, dass weiter Privatisierungen stattfinden, dass tausende ihre Stelle und ihre Zukunft im Kahlschlag der kapitalistischen Krise verlieren müssen und dafür, dass Hunderttausende erkranken mussten, weil ein konsequenter Eingriff in die Wirtschaft verweigert wurde.
Die CDU steckt in der Krise, und das zu Recht. Damit kommen endlich zumindest ansatzweise diejenigen zu Schaden, die die Krise auch zu verantworten haben. Wir hoffen, dass sich diese Partei von ihrer Krise nicht mehr erholt. Und was noch viel wichtiger ist: die Korruptionsaffäre der CDU beweist, dass es Zeit ist endlich mit einem System Schluss zu machen, in dem einige wenige ihren Reichtum aus unserer Arbeit, aus unserer Krankheit und aus unseren Grundbedürfnissen ziehen. Wir haben den Kapitalismus satt, doch nur wenn wir uns organisieren, können wir ihn überwinden:
Mach mit bei der Marxistischen Organisation Offensiv!
Anmerkungen
(1) Siehe dazu auch W.I. Lenin: „Über eine Karikatur auf den Marxismus und über den „imperialistischen Ökonomismus““, LW Bd. 23 S. 18ff.
(2) Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. Dietz Verlag, Berlin. Band 20. Berlin/DDR. 1962. „Herrn Eugen Dührung's Umwälzung der Wissenschaft“, S. 147ff.