Deutschland steckt in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise und seit über einem Jahr in einer ernsten Pandemie. Massenhaft Beschäftigte in Kurzarbeit, regelmäßig erscheinen neue Berichte über Entlassungen und komplette Betriebsschließungen. Wir befinden uns in einer Situation, in der der Kampf um die Interessen von Beschäftigten und Armen von links dringend nötig ist, um eine kämpferische Opposition zum kapitalistischen System darzustellen.
Trotzdem stagniert DIE LINKE in Wählerumfragen, und auch bei den letzten Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kam sie nicht über 3,6% bzw. 2,5%.Wir wollen in diesem Artikel diskutieren, wie die aktuelle Entwicklung der Linkspartei einzuschätzen ist.
Was fordert DIE LINKE während Pandemie und Wirtschaftskrise?
Einer der wichtigsten Gründe für die Stagnation der Partei ist, dass sie sich an den derzeit wichtigsten gesellschaftspolitischen Fragen – Coronapandemie, Wirtschaftskrise, Lockdown – nicht klar von den anderen Parteien unterscheidet. Sie laviert zwischen der Regierungslinken, die in manchen Bundesländern die Aufgabe der kapitalistischen Mitverwaltung erfüllen, und gewerkschafts- und bewegungsnahen Kräften, die sich teilweise stärker auf die einfache Bevölkerung stützen.
Das wird an den Positionen der Partei zur Coronapolitik deutlich. In ihrem „Programm für einen Corona-Winter“ äußerte die LINKE Bedenken gegenüber einem Lockdown im Winter, denn „die Gastronomie würde eine Schließung über die kalte Jahreszeit hinweg nicht überleben“, und auch die Begrüßungen von Wagenknecht im Februar, dass es „immerhin zu Teilöffnungen komme“ oder dass es unter dem LINKE-Ministerpräsidenten Ramelow in Thüringen massive Öffnungen gab, führen zum unklaren Bild, was denn das Programm der LINKEN für einen Ausweg aus der Pandemie wäre.
So versäumt es DIE LINKE, die Interessen der einfachen Arbeiterinnen und Arbeiter konsequent voranzutreiben, und hat auch erst im Nachklang der Initiative „ZeroCovid“ inhaltlich angeschlossen – natürlich ohne dass ihre Landesregierung ein entsprechendes Programm umsetzen würden. In keinem einzigen Bundesland stellt die LINKE die Führung eines entschlossenen Kampfes um Arbeitsplätze und Gesundheitsschutz im Betrieb – die entscheidenden Fragen der vergangenen Monate! Insofern ist die Frage, wie die Partei auf kämpferische Teile der Arbeiterschaft orientieren kann, tatsächlich die alles entscheidende.
Vergangener Parteitag
Auf dem vergangenen Parteitag am 24. und 25. Februar konnte vor allem die Strömung „Bewegungslinke“ weitreichende Erfolge verbuchen. Sie teilt sich heute im Parteivorstand die Macht mit der klaren Parteirechten (fds, Emali). Vor allem der Flügel um Sahra Wagenknecht wurde auf dem vergangenen Parteitag abgestraft; die AKL (Antikapitalistische Linke) wurde geschwächt und hat nur noch einen einzigen Vertreter im Parteivorstand.
Die Strömung der Bewegungslinken zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie die entscheidenden inhaltlichen Konflikte innerhalb der Partei (insbesondere die Frage einer LINKE-Regierungsbeteiligung) pausieren und nicht lösen will – zum Vorteil für die Parteirechte!
So sitzen prominente Vertreter der Bewegungslinken, wie Sofia Leonidakis (Fraktionsvorsitzende Bremer Bürgerschaft), selbst in Landesregierungen mit LINKE-Beteiligung. Im Selbstverständnis der Bewegungslinken heißt es zur Regierungsfrage: „Manche von uns betonen dabei das Scheitern aller Versuche linker Regierungen im Kapitalismus. Andere verfolgen die Perspektive einer linken Regierung, die zusammen mit gesellschaftlicher Macht von unten antikapitalistische Strukturreformen durchsetzt. Und wieder andere setzen auf die Strategie einer Reformregierung, die mit dem Neoliberalismus bricht und sozial-ökologische Einstiegsprojekte auf den Weg bringen kann.“
Der Sinn dieses Projekts soll sein, statt ideologischen innerparteilichen Kämpfen nur den Kampf in Bewegungen und auf der Straße zu führen. Die Frage, mit welchem Programm diese geführt werden sollen, steht wohl noch aus. Damit vertritt die Bewegungslinke Positionen, auf die sich alle einigen können, integriert den linken Flügel in die Parteimitte und stellt für die Regierungsrechte keine Gefahr dar.
Währenddessen zieht die Parteirechte mit Henning-Welsow an ihrer Spitze ungehindert ihre Kampagne für Rot-Rot-Grün bzw. „CDU abwählen“ im Bund an und wirbt für ein „progressives Bündnis“ – dass Hartz IV von Rot-Grün eingeführt und der erste Auslandseinsatz nach 1945 vom Kabinett Schröder beschlossen wurde, hat dieser Flügel längst vergessen und konzentriert sich lieber auf eventuelle zukünftige Ministerposten.
Parallel dazu wurde mit Thies Gleiss die einzige Person der Antikapitalistischen Linken (AKL) in den Parteivorstand gewählt, die zweite Kandidatin der AKL, Inge Höger, wurde leider (aufgrund ihrer konsequenten Haltung zum Nahostkonflikt gegen die israelische Besatzung) nicht gewählt.
Matthias Höhn, der im Vorfeld ein Papier veröffentlichte, in dem er eine Aufweichung der Ablehnung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr, sowie unter anderem die Einrichtung einer europäischen Armee forderte, und damit von wichtigen friedenspolitischen Positionen der Partei abrückte, erhielt bei seiner Wahl zum Parteivize 40,5% – nicht genug um gewählt zu werden, aber immer noch erschreckend viel Zustimmung. Trotz dessen wurden die friedenspolitischen Positionen der LINKEN bekräftigt und in Diskussionen auf dem Parteitag verteidigt.
Der Flügel um Wagenknecht ist abgeschlagen und konnte auf dem Bundesparteitag kaum eine Rolle spielen. Einzig Ali Al-Dailami ist als Vizevorsitzender gewählt worden, neben ihm ist kein Vertreter des Wagenknecht-Flügels im Parteivorstand. Überlegungen zur Gründung einer eigenen Partei des Wagenknecht-Lagers wurden in öffentlichen Facebook-Foren angestellt. Es scheint als wären die Kräfte gegenüber dem Block aus Reformerlager und Bewegungslinker marginalisiert.
Kämpfe in der LINKEN
Der Konflikt um die Ausrichtung der LINKEN ist – zumindest was weite Teile der Parteilinken und Regierungslager betrifft – derzeit befriedet, aber objektiv nicht gelöst: die Frage, wie DIE LINKE statt einem Kurs der Anpassung die Rolle einer kämpferischen Partei im Interesse der Beschäftigten spielen kann, besteht weiter als offener Widerspruch. Weder Kipping noch Wagenknecht haben dabei wirkliche Kampfperspektiven für die Arbeiterklasse aufgezeigt.
Was müsste die LINKE tun?
Derzeit gibt es, trotz homeoffice bei einigen Beschäftigten und Lockdown, etliche Ansatzpunkte offener Klassenkonflikte: massenhafte Stellenstreichungen, fehlender Gesundheitsschutz, Maskendeals und Korruption der Regierungsparteien, ausbleibende Lohnerhöhungen und Angleichung Ost-West, Kampf um staatlichen Wohnraum und niedrige Mieten, gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens,…
DIE LINKE hätte die Ressourcen und Möglichkeiten die Interessen von Beschäftigten im Parlament eine Stimme zu geben, schlagkräftige Proteste auf der Straße zu organisieren und in den Betrieben, an der Seite von Gewerkschaftern, zu kämpfen. In Kampagnen wie der Berliner Mieterbewegung könnte sie wichtige Ressourcen und Unterstützung bereitstellen, um entschlossen auf den gekippten Mietendeckel zu reagieren und die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ durch die Abhaltung einer Mietenkonferenz und den Aufbau langfristiger Kampfstrukturen der Mieterinnen und Mieter den Rücken zu stärken.
DIE LINKE müsste in Bewegungen und sozialen Kämpfen die vorantreibende Kraft sein, die den Kampf auf die Spitze treibt, und die Notwendigkeit eines sozialistischen Programms und einer Orientierung auf die Arbeiterklasse betont. Die Erfolge einer solchen Partei lassen sich nicht vorwiegend in Wahlergebnissen messen, sondern an ihrer tatsächlichen Rolle im Klassenkampf und im Kräftemessen mit der herrschenden Klasse.
Wie weiter für DIE LINKE?
Trotz allen Schwächen sammeln sich in der LINKEN weiterhin viele, die ihre eigenen sozialen Interessen vertreten und für eine bessere Gesellschaft kämpfen wollen, und bereit sind, sich dafür zu organisieren. Die Partei wird weiterhin als einzige kritische Stimme zum Hartz IV-System wahrgenommen, und LINKE-Mitglieder spielen in den SPD-durchtränkten gewerkschaftlichen Apparaten häufig eine fortschrittliche und vorantreibende Rolle.
Deshalb beteiligen wir als Offensiv uns auch an der Arbeit in der Linkspartei und unterstützen fortschrittliche Projekte, die von ihr ausgehen. Aber wenn DIE LINKE nicht zu einer SPD 2.0 werden und sich damit selbst überflüssig machen will, müssen massive Veränderungen in Programm und Orientierung der Partei stattfinden.
Wir als Offensiv sind Mitglieder der AKL und kämpfen innerhalb der LINKEN für einen kämpferischen und sozialistischen Kurs. Vor allem aber sind wir bei Demonstrationen und Streikposten anzutreffen, um mit einem marxistischen Programm auf der Straße und in den Betrieben für jede soziale Verbesserung der Arbeiterklasse zu kämpfen. Schließ dich uns an!