2021 stehen sechs Landtagswahlen und die Bundestagswahl an. Nach einer Phase des „nationalen Zusammenhalts“, um Coronapandemie und Wirtschaftskrise gemeinsam zu begegnen, werden die Parteien nach der Sommerpause bald wieder in den Wahlkampfmodus schalten. Umso mehr, da die ökonomischen und sozialen Folgen der Maßnahmen in den kommenden Monaten immer deutlicher zu Tage treten werden, die Straßen sich bereits wieder mit Hunderttausenden Demonstranten füllen und das aus dem Schock geborene blinde Vertrauen in die Regierung wieder zu schwinden beginnt.
Durchaus ein Anlass, sich strategisch zu positionieren. Die Parteispitze der LINKEN (Kipping, Riexinger, Schindler, Wolf) hat das im Mai mit einem längeren Strategiepapier getan. Man wirbt für breite „progressive“ Bündnisse und „Mehrheiten links der Union“, wobei SPD und Grüne ausdrücklich als potenzielle Partner im Kampf für einen „sozialökologischen Systemwechsel“ angesehen werden. Die Partei soll diesmal ganz auf Rot-Rot-Grün im Bund setzen.
Diese Strategie trifft parteiintern auf immer weniger Widerstand. Bodo Ramelow ist, obwohl oder gerade weil er inhaltlich weit rechts vom Parteiprogramm steht, über alte Lagergrenzen hinweg der neue Shootingstar der Partei. Der Flügel um Sahra Wagenknecht kooperiert eng mit der Parteirechten, während für etliche Vertreter der „Bewegungslinken“, die sich als neue Parteilinke versteht, die Ablehnung von Regierungsbeteiligungen längst kein schlagendes Kriterium mehr ist. Um antikapitalistische, gar revolutionäre, also konsequent linke Positionen stand es noch nie so schlecht in der LINKEN.
Nicht unser Staat!
Der für die politische Praxis wohl wichtigste Unterschied zwischen Marxisten auf der einen und Linksliberalen und Sozialdemokraten auf der anderen Seite, ist das Verständnis davon, was der bürgerliche Staat (und mit ihm seine Regierung) eigentlich ist.
Linksliberale und Sozialdemokraten glauben, dass der bürgerliche Staat eine neutrale Instanz ist, die von den gerade regierenden Parteien relativ beliebig für ihre jeweiligen Ziele genutzt werden kann. Marxisten wissen, dass dies nur zutrifft, solange diese Ziele nicht mit den herrschenden Eigentumsverhältnissen in Konflikt geraten, die den Staat erst notwendig gemacht haben und auf deren Erhaltung er folgerichtig ausgerichtet ist.
Der Staat entsteht als direkte Folge aus der Herausbildung von Klassen mit gegensätzlichen und unversöhnlichen Klasseninteressen. Er wird notwendig als regulierende Macht, die scheinbar außerhalb der Klassen und über ihnen steht, damit diese koexistieren können. Er lässt Klassenkonflikte zu, gibt ihnen aber einen gesetzlichen Rahmen, der die Aufhebung der Klassen überhaupt ausschließt. Er ist somit immer ein Instrument der herrschenden Klasse zur Sicherung ihrer Herrschaft, unabhängig davon, wie repressiv oder integrativ diese Herrschaft im konkreten Fall ausgeübt wird. Diesem Zweck dienen auch seine Apparate – Justiz, Polizei, Geheimdienste, Schulen, usw. Sie sind dafür gebaut, die Grundlage bürgerlicher Herrschaft zu sichern: das Pri-
vateigentum an Produktionsmitteln.
Diese Staatsmaschine kann nicht einfach durch einen Regierungswechsel zweckentfremdet werden, um das Gegenteil dessen zu tun, wofür sie gebaut wurde. Die Arbeiterklasse muss sie zerschlagen und an ihre Stelle eine neue Staatsmaschine setzen, die das Gemeineigentum an Produktionsmitteln verteidigt, in der Beamte keine von der Bevölkerung losgelösten Eigeninteressen entwickeln können, weil sie dieser rechenschaftspflichtig und jederzeit wähl- und abwählbar sind. Eine Maschine, die nur so lange fortexistiert, wie sie den Interessen der Arbeiterklasse nützt.
DIE LINKE auf Abwegen
Zurück zur Ausgangsfrage. Was bedeutet die Beteiligung einer linken Partei an einer bürgerlichen Regierung? Sie bedeutet die Beteiligung an der Führung des bürgerlichen Staates. Das beinhaltet die Möglichkeit, die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse in begrenztem Maße zu verbessern, aber gleichzeitig auch den Zwang, diese Verbesserungen zu beschränken und im Zweifel den Status quo gewaltsam gegen sie zu verteidigen. Dies gilt umso mehr in Koalitionen mit so offen prokapitalistischen Parteien wie SPD und Grünen. Nicht umsonst koalieren diese lieber mit der CDU als mit der LINKEN.
Wo DIE LINKE mitregiert, trägt sie bereits Sparpolitik, Privatisierungen, Abschiebungen und den Ausbau des staatlichen Repressionsapparats mit. Sollte es tatsächlich zu Rot-Rot-Grün im Bund kommen, müsste sie außerdem Auslandseinsätze der Bundeswehr mittragen und sich zu NATO und EU bekennen. Sie würde endgültig zu nichts weiter als dem linken Flügel des deutschen Imperialismus verkommen. Sie würde sich einreihen in eine lange Reihe linker Parteien, die die Bewegungen, die sie zu vertreten behaupteten, maßlos enttäuscht und verraten haben, sobald sie in eine bürgerliche Regierung eintraten, und damit im Klassenkampf die Seiten wechselten.
Das Beispiel der Rifondazione Comunista
Ein anschauliches Beispiel ist die italienische Rifondazione Comunista, die von 2006-2008 Teil der Mitte-Links-Regierung unter Führung der Demokratischen Partei war. In dieser Funktion war sie Teil der Politik des Sozialabbaus, der „Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes und der Privatisierungen in Italien. Seit 1992 fester Bestandteil des Parlaments, wurde sie für diese Politik 2008 so hart abgestraft, dass sie selbst im Bündnis mit 3 anderen Linksparteien die 4%-Hürde nicht erreichte und seitdem in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist.
In anderen Fällen sind ehemals als fortschrittlich geltende Parteien in der Regierung zu gewöhnlichen bürgerlichen Parteien geworden. Diesen Prozess hat z.B. Syriza in Griechenland durchlaufen und durchläuft aktuell Podemos im Spanischen Staat. Auch in Deutschland hat Rot-Grün als erste vorgeblich „linke“ Regierung zum ersten Mal Bundeswehrsoldaten in den Krieg geschickt und den härtesten Angriff auf die Arbeiterklasse seit dem Faschismus geführt. Diese Parteien sind im Kampf um die Befreiung des Menschen von Ausbeutung nicht nur nutzlos geworden, sondern aktiv hinderlich.
Wir brauchen eine revolutionäre, marxistische Arbeiterpartei!
Mit der LINKEN sei kein Staat zu machen, sagen sie. Anstatt ihnen selbstbewusst zu entgegnen „Nein, mit uns ist kein bürgerlicher Staat zu machen! Ist mich euch ein Arbeiterstaat zu machen?“, übt sich die Parteispitze in vorauseilendem Gehorsam, verteidigt den Parlamentarismus, die Polizei und Milliardengeschenke für Konzerne, obwohl sie noch nicht einmal in der Regierung ist. Die Führung der LINKEN ist bereit, eine kämpferische linke Alternative für ein paar Regierungsposten zu opfern. Das zeigt die Dominanz angepasster Elemente in der LINKEN wie in anderen „neuen linken Formationen“ und die Notwendigkeit einer echten sozialistischen Arbeiterpartei. Eine solche Partei aufzubauen, ist heute mehr denn je die erste und wichtigste Aufgabe von Marxisten.