Am vergangenen Freitag, dem 14. April, gab der französische Verfassungsrat grünes Licht für die Rentenreform und nur wenige Stunden später, in den frühen Morgenstunden des Samstags, setzte Präsident Macron die Reform im Eiltempo zum 1. September in Kraft. 

Diese Entscheidung war so vorhersehbar, dass nicht einmal die Gewerkschaften, die am ehesten bereit waren, mit der Regierung zu verhandeln, die Hoffnung hegten, dass es im Rahmen der institutionellen Verfahren irgendwelche Schlupflöcher geben würde, die das Inkrafttreten dieser unpopulären Reform verhindern könnten.

Angesichts einer Herausforderung wie der dieses historischen Arbeiteraufstandes hat die französische Bourgeoisie die Möglichkeit, Zugeständnisse zu machen, völlig ausgeschlossen. Sie ist sich voll bewusst, dass jeder Rückschritt ihrerseits als großer Sieg der Arbeiterklasse gewertet würde, der dem Kampf einen wichtigen Impuls verleihen würde.

Die Aussichten für den Weltkapitalismus sind nicht gerade optimistisch und Frankreich, das langsam aus seinen ehemaligen Kolonien in Afrika vertrieben wird, steht vor einer Phase des beschleunigten Niedergangs. Macrons jüngste Ermahnungen nach seiner China-Reise, die Europäische Union solle sich vom Einfluss der USA distanzieren, sind ein erbärmlicher Versuch, eine Großmachtrolle zurückzugewinnen, die Frankreich für immer verloren hat.

Der französische Kapitalismus ist schon lange nicht mehr bereit, der Arbeiterklasse Zugeständnisse zu machen. Die Aufrechterhaltung seiner außerordentlichen Profite - vergessen wir nicht, dass der reichste Mann und die reichste Frau der Welt Franzosen sind - erfordert einen bösartigen Angriff auf die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen, und der gesamte französische Staatsapparat wurde zu diesem Zweck mobilisiert: von den Sicherheitskräften, die eine in den letzten Jahrzehnten nicht gekannte Brutalität an den Tag gelegt haben, bis hin zu den regelrechten Aristokraten des Verfassungsrats, die zur Verteidigung der von ihnen vertretenen Kapitalistenklasse ihre Reihen geschlossen haben.

Verstärkte Mobilisierung zum Sturz von Macron und seiner Regierung

Die französischen Gewerkschaften haben auf die Entscheidung des höchsten Gremiums der Republik mit der Ankündigung reagiert, dass die Streiks und Demonstrationen fortgesetzt werden. Wie wir bereits erklärt haben, hat die Bewegung die Erfahrungen aus dem Kampf gegen die Arbeitsreform von Hollande im Jahr 2016 verinnerlicht. Damals folgte auf die Verabschiedung der Reform per Dekret, wie es Macron jetzt auch getan hat, ein Rückzug der Gewerkschaftsführer auf den Weg der juristischen Klage, der erwartungsgemäß völlig erfolglos war.

Fast sieben Jahre später stellen sich die französische Arbeiterklasse und die Jugend offen gegen den bürgerlichen Staat, dem sie jegliche Legitimation absprechen, ihre Rechte und sozialen Errungenschaften zu beschneiden. Wenn die Führer aller Gewerkschaften so weit gekommen sind, dann nicht aus Überzeugung oder wegen ihres Willens, einen revolutionären Ausweg zu bieten. Es liegt an dem unaufhaltsamen Druck der Basis, an der Vervielfachung der Initiativen von unten zur Ausweitung und Verstärkung der Streiks und Mobilisierungen. Der jüngste CGT-Kongress endete mit dem Sieg des Gewerkschaftsapparats und der Wahl einer Führung, die für den Dialog und "soziale Vereinbarungen" offen ist, wobei die Vertreter des linken Flügels der Gewerkschaft, der Strömung Unité CGT, außen vor blieben. Doch dieser Sieg nützte der Gewerkschaftsbürokratie wenig, die keine andere Wahl hat, als sich an die Spitze einer Bewegung zu setzen, die sie seit Wochen nicht mehr kontrollieren kann.

Dieser Trotz und Instinkt der Arbeiterklasse wird durch die kämpferische Haltung von France Insoumise deutlich verstärkt. Ihr Vorsitzender, Jean-Luc Mélenchon, und die Abgeordneten und Mandatsträger haben an vorderster Front an den Demonstrationen und Streikpostenketten teilgenommen und die Härte der Polizeigewalt am eigenen Leib erfahren. Alle stillschweigenden politischen Vereinbarungen, die in Frankreich von den wichtigsten politischen Kräften, von der Rechten wie von der Linken, geschaffen wurden, werden durch diesen Aufstand allmählich über den Haufen geworfen.

Aus diesem Grund mobilisiert die Bourgeoisie alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, um Mélenchon einzuschüchtern und wenn möglich zu vernichten. Die französische Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet, und der äußerste rechte Flügel der NUPES-Koalition, angeführt von der PS und der PCF, versucht, seine Autorität aus den eigenen Reihen zu untergraben, mit dem Generalsekretär der französischen Kommunisten, Fabien Roussel, als Hauptangriffsmittel.

Aber die Kampagne zur Diskreditierung Mélenchons ist so stark, dass sie über Frankreich hinausgeht. Am Samstag, den 15. April, veröffentlichte die spanische Tageszeitung El País eine wahnwitzige Meinungskolumne, in der sie zwar einräumt, dass die extremrechte Marine Le Pen nicht einmal in die Nähe der Demonstrationen kommen kann, aber zu dem Schluss kommt, dass ihre politische Formation (Rassemblement National) von den Protesten profitieren würden, weil angeblich die französischen Bürger, die die Rentenreform mit überwältigender Mehrheit ablehnen, die "Ausbrüche" und "Ausfälle" Linken von France Insoumise nicht akzeptieren und stattdessen die "gut gekleideten" neofaschistischen Abgeordneten begrüßen würden.

Die Realität ist genau das Gegenteil. Was der Kolumnist von El País als "Ausbrüche" bezeichnet, ist nichts anderes als die richtige Entscheidung von France Insoumise, die parlamentarische Farce öffentlich anzuprangern und damit zu beweisen, worauf Marxisten schon immer hingewiesen haben: dass unter dem kapitalistischen Staat die so genannte Demokratie nichts anderes ist als ein formaler Kunstgriff, um zu versuchen, die tatsächliche Diktatur zu verschleiern, die mit eiserner Faust vom Finanzkapital ausgeübt wird. Indem France Insoumise die Fortsetzung der Mobilisierung trotz der strikten Einhaltung der bürgerlichen Legalität unterstützt, stellt sie de facto die bürgerliche Demokratie in Frage. All das hilft den fortgeschrittensten Teilen der Arbeiterklasse und der Jugend, zu revolutionären Schlussfolgerungen zu gelangen.

An diesem Punkt ist es an der Zeit, der Präsidentschaft Macrons den entscheidenden Schlag zu versetzen, indem ein unbefristeter Generalstreik ausgerufen wird, der den Präsidenten und seine Regierung zu Fall bringt. Der erste Schritt dazu muss die Bildung von Aktionskomitees in allen Betrieben und Bildungseinrichtungen sein, die alle Aufgaben des Streiks organisieren und die Besetzung von Arbeits- und Studienplätzen leiten und sie unter die Kontrolle der Arbeiterklasse und der Jugend stellen.

Unité CGT und France Insoumise haben eine große Verantwortung zu tragen. Der Kampf um die Renten ist zu einem Kampf gegen das Finanzkapital und sein Herrschaftssystem geworden. Um diesen Kampf zu gewinnen, ist es unerlässlich, ein Programm und einen Kampfplan zu haben, der die Enteignung des Finanzkapitals und der Monopole, die heute in Frankreich herrschen, auf die Tagesordnung setzt. Angesichts eines Kapitalismus, der nicht reformiert werden kann, ist die einzige Alternative die sozialistische Revolution. Heute sind es die französische Arbeiterklasse und die Jugend, die eine Bresche schlagen können, die bald in der ganzen Welt fortgesetzt werden wird.

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