Am Dienstag, den 18. Oktober, demonstrierten fast eine halbe Million Jugendliche und Arbeiter in den wichtigsten französischen Städten, wobei sie mit der harten Repression der Polizei konfrontiert wurden. Die Proteste waren Teil eines sektorübergreifenden Streiktages, zu dem die CGT und andere Minderheitsgewerkschaften gegen die Inflation, den Angriff auf das Rentensystem und in Verteidigung des Streikrechts aufgerufen hatten.
Zehntausende Eisenbahner, Arbeiter aus der Energieversorgung, Krankenschwestern, Lehrer und andere Angestellte des öffentlichen Dienstes nahmen an der Mobilisierung teil. Sie fand breite Unterstützung in wichtigen Privatunternehmen wie Magneti Marelli oder CAF. Die wichtigsten Schüler- und Studentenorganisationen riefen auch zu einem Streik in der Sekundarstufe und in der Berufsausbildung auf, an dem sich trotz der provokativen Maßnahmen und der Repression der Bereitschaftspolizei zahlreiche Menschen beteiligten.
Zuvor, am 29. September und am 16. Oktober, hatten Hunderttausende von Menschen an Protesten gegen die drohenden finanziellen Einbußen teilgenommen, zu denen die von Jean-Luc Mélenchon angeführte Linkskoalition aufgerufen hatte.
Die Regierung des reaktionären Macron hat nun einen deutlich engeren Spielraum, um zu manövrieren und ihr populistisches Geschwätz zu verbreiten. Nachdem er behauptet hatte, dass die „Ära des Überflusses zu Ende geht“, ist dieser vollendete Vertreter der Finanzoligarchie mit der Realität konfrontiert worden: Die französischen Arbeiter haben sich gegen die verheerenden Auswirkungen der Inflation auf ihre Lebensbedingungen gewehrt und es ist klar, dass das, was in den letzten Wochen geschehen ist, nur der Erste Gang ist!
Streik in den französischen Raffinerien
Es besteht kein Zweifel, dass die Aktionen des 18. durch eine andere große Schlacht des französischen Proletariats ausgelöst wurden: den Streik, den Tausende von Arbeitern in vier der sieben Raffinerien des Landes führen. Der Streik begann am 27. September, nachdem die Verhandlungen mit den Arbeitgebern gescheitert waren, und hat erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Er hat die Kraftstoffproduktion um mehr als 60 % reduziert, die vorübergehende Schließung von mehr als einem Drittel der Tankstellen verursacht und die petrochemische Industrie schätzungsweise 8 Millionen Euro pro Tag gekostet. Die Mobilisierungen haben sich auf die Belegschaften von zwei Kernkraftwerken ausgeweitet, die gerade in einen Streik getreten sind, dem sich nach Angaben der CGT in den nächsten Tagen weitere anschließen werden.
Die Raffineriearbeiter fordern eine Lohnerhöhung von 10 %, um die Preissteigerungen zu kompensieren. Eine Forderung, die durch die enormen Gewinne der Energiewirtschaft noch unterstrichen wird! In der zweiten Hälfte des Jahres 2022 haben die großen Fünf des Sektors (Exxon, Chevron, BP, Shell und Total) 60 Milliarden Euro an Gewinnen erzielt. Der französische Ölkonzern Total bot seinen Beschäftigten eine magere Lohnerhöhung von 3,5 % an, während er in diesem Sommer eine Dividendenausschüttung von 15 Milliarden Dollar an seine Aktionäre ankündigte und zu Beginn des Streiks eine weitere Ausschüttung von 2,62 Milliarden Euro!
Die Regierung und die Bosse haben mit zahlreichen Mitteln versucht, den Streik zu brechen, aber bisher ist es ihnen nur gelungen, ihn weiter zu radikalisieren. Zunächst haben sie es mit der Taktik der Aufspaltung der Gewerkschaften versucht, indem sie ein Abkommen mit der CFDT, einer mit der Sozialistischen Partei Frankreichs verbundenen Gewerkschaft, unterzeichneten. Die Vereinbarung, die eine Lohnerhöhung von 5,5 % vorsah, wurde aber abgelehnt und löste in den Reihen der Gewerkschafter Empörung aus.
Die Regierung und die Kapitalisten sind sich des Risikos einer Ausweitung der Kämpfe bewusst. In den letzten Wochen gab es Streiks bei den Fluglotsen, in der Elektrizitätswirtschaft, in der Autoindustrie, bei Amazon und jetzt auch in den Atomkraftwerken. Aus diesem Grund hat die Regierung nach dem Scheitern der Spaltungstaktik auf Polizeikräfte und die Anti-Terror-Gesetze zurückgegriffen.
Am 11. Oktober kündigte Wirtschaftsministerin Elisabeth Borne an, mehrere Treibstofflager der streikenden Raffinerien zwangsweise zu „beschlagnahmen“. Bei Widersetzung gegen diese Maßnahme drohen den Beschäftigten Gefängnisstrafen von sechs Monaten und Geldstrafen von mehreren tausend Euro. Diese Offensive hat jedoch weitere Empörung bei den Streikposten hervorgerufen und stärkte die Entschlossenheit der Arbeiter zu kämpfen nur weiter, was zu dem Aufruf für den Generalstreik am 18. Oktober führte.
Die Schwäche von Macrons Regierung
Nach der Niederlage bei den Parlamentswahlen im vergangenen Juni hat Emmanuel Macrons Bündnis „Ensemble“ (Zusammen) seine Mehrheit im Parlament verloren, wodurch die Regierung in einer sehr geschwächten Position ist. Um den Haushalt für das kommende Jahr zu verabschieden, hat sie auf Artikel 49.3 der Verfassung zurückgegriffen, der es ihr ermöglicht, Gesetze ohne Abstimmung im Parlament zu verabschieden. Ein typisch bonapartistisches Manöver, das die Schwere der politischen Krise in Frankreich widerspiegelt!
Einer der Gründe für den Streik war die Ankündigung der Regierung, das Rentengesetz zu verändern, was unter anderem eine Anhebung des Rentenalters von 62 auf 65 Jahre vorsehen würde. Diese Gegenreform ist nicht neu. In den letzten Jahrzehnten haben mehrere Regierungen versucht, sie zu verwirklichen und alle sind auf den frontalen Widerstand der Arbeiterklasse und große Massenkämpfe gestoßen. Der wichtigste war 1995 gegen den sogenannten Juppé-Plan, der die größte Streikwelle seit 1968 auslöste. Macron hat es bereits zweimal versucht, 2019 und 2020, und ist ebenfalls auf massiven Widerstand gestoßen. Die „Reform“ wurde mit der Pandemie auf Eis gelegt und jetzt hat er sie wieder aufgenommen.
In den letzten Jahrzehnten haben sich die französischen Gewerkschaftsführer darauf beschränkt, vereinzelte Streiks und Kampftage auszurufen, um Dampf aus dem Druckkessel abzulassen, zu dem die französische Gesellschaft geworden ist. Diese Möglichkeit ist jedoch zunehmend eingeschränkt.
Die Organisation eines neuen, umfassenderen Generalstreiks, der die Privatwirtschaft mit voller Wucht trifft, ist eine grundlegende Aufgabe für die gesamte französische revolutionäre und antikapitalistische Linke. Ein Streik, der von unten und nicht von der Spitze aus organisiert wird, in dem demokratische Versammlungen in allen Betrieben abgehalten werden, um Streikkomitees zu wählen, die über einen Forderungskatalog abstimmen, der sich nicht nur auf Lohnerhöhungen beschränkt und der die Verstaatlichung und Enteignung der strategischen Sektoren der Wirtschaft unter Arbeiterkontrolle, die Verteidigung der öffentlichen Dienste und die Einheit der Arbeiterbewegung mit der Jugend umfasst.
Der Streik der Raffineriearbeiter, die massiven Demonstrationen der letzten Wochen sowie der Aktionstag am 18. zeigen deutlich, wie die Stimmung in der französischen Gesellschaft ist. Es gibt die reale Möglichkeit, diese Wut und Empörung in eine Massenbewegung zu verwandeln, die in der Lage ist, Macron und seine rechte Regierung zu stürzen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.