Der Kampf um die Verkürzung der Arbeitszeit hält bereits seit über einem Jahrhundert an. Am 1. Mai 1886 begann in Chicago, als Teil eines Massenkampfes, der hunderttausende US-amerikanische Arbeiter umfasste, ein Streik von 90.000 Arbeitern um für den Achtstundentag zu kämpfen. Im Zuge der Ereignisse, die heute als Haymarket Riot bekannt sind, setzten sie sich gegen Streikbrecher und die Übergriffe der Polizei zur Wehr. 

Der 1. Mai wurde zu einem Kampftag der Arbeiterklasse. So auch bei den ersten 1.Mai-Protesten in Deutschland im Jahr 1890, die nicht nur als Erinnerung stattfanden, sondern mit denen auch der Kampf für einen Achtstundentag in Deutschland begann, mit allein 20.000 Streikenden in Hamburg und über 100.000 in ganz Deutschland, wobei die Arbeitgeber mit massiven Ausschließungen reagierten.

Das gleiche Spiel bei den Streiks der Metallarbeiter für Arbeitszeitverkürzung im Jahr 1986, wo auch mit massiven Ausschließungen geantwortet wurde und mit der einzigen richtigen Antwort – dem Eintreten von noch mehr Kollegen in den Streik – den Arbeitgebern gezeigt wurde, welche Kampfkraft die Arbeiterklasse besitzt.

Genau wie damals müssen wir gemeinsam auf die Straße, nicht nur am 1. Mai, und wie unsere Kollegen von damals in Chicago oder in der Metallindustrie für Verbesserungen kämpfen und uns gegen Angriffe auf unsere Rechte wehren.

Arbeitszeitverkürzung in Deutschland

Wurde am 1. Mai 1886 in Chicago noch für den Achtstundentag gekämpft, gab es in den letzten Jahren in Deutschland immer wieder Forderungen nach Arbeitszeitverkürzungen und nach der 35-Stunden-Woche – allerdings mit einem qualitativen Unterschied. Bei den bisherigen Abschlüssen mussten Arbeiter sich zwischen ihrem normalen Lohn und einer Reduzierung der Stunden entscheiden. So in der westdeutschen Metallindustrie, in der seit Oktober 1995 die 35-Stunden-Woche gilt. Metallerinnen und Metaller haben sie erzwungen. Sie scheiterten erst 1979 und 1984 dann – mit dem wohl härtesten Streik in der Geschichte der IG Metall, der fast sieben Wochen dauerte und ungefähr 57.000 Beschäftigte umfasste, konnten sie die Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden bei vollem Lohnausgleich erkämpfen. Das erste Mal war die 40-Stunden-Mauer durchbrochen und im Jahr 1995 konnte dann die ersehnte 35-Stunden-Woche erkämpft werden. Allerdings mussten auch Abstriche gemacht werden, nämlich die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Die letzten Abschlüsse der IG Metall und der Abschluss der GDL Ende März gehen in die gleiche Richtung.

Flexibilisierung der Arbeitszeit

Obwohl die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung ein großer Fortschritt ist, sind Abschlüsse, die die Flexibilisierung der Arbeitszeit enthalten, eine große Gefahr. Denn obwohl heute offiziell die 40-Stunden-Woche gilt, arbeiten Vollzeitbeschäftigte in Deutschland durchschnittlich 40,5 Stunden die Woche.

Der Anteil der Beschäftigten, die „überlange Arbeitszeit“, also im Schnitt mehr als 48 Stunden die Woche ableisten, liegt bei 8,3 Prozent – also bei knapp jedem zwölften. Das ist also der „kapitalistische Fortschritt“, von dem sie immer reden – die Profite sprudeln, die Technologisierung der Arbeitswelt schreitet voran, aber bei der Arbeitszeit haben sich keine nennenswerten Verbesserungen ergeben.

Eine andere, sozialistische Welt ist möglich!

Dass das so ist liegt einzig und allein an den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise.

Im Kapitalismus ist Arbeitslosigkeit nötig, um den Lohndruck auf die arbeitende Bevölkerung zu erhöhen und die Löhne zu senken. Vollbeschäftigung ist höchst unprofitabel, und unter kapitalistischen Bedingungen nicht zu erkämpfen. Notwendig dafür ist der Kampf für Arbeitszeitverkürzung, verbunden mit dem Kampf für eine kommunistische Gesellschaft. 

Denn wie Marx schon sagte, ist „[d]ie gesetzliche Beschränkung des Arbeitstages eine Vorbedingung […], ohne welche alle weiteren sozialen Verbesserungen unmöglich sind.“[i]

Die Produktivkräfte sind heute so weit entwickelt, dass es immer wieder zu kapitalistischen Überproduktionskrisen kommt, und die notwendige Arbeit – also die Arbeitszeit, die laut Marx nötig ist, um die Arbeitskraft selbst durch die Produktion von Lebensmittel usw. zu erhalten – nur noch einen kleinen Teil des Tages einnimmt.

Deshalb stellt sich die große Frage zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen heute nicht primär auf dem Gebiet der Produktivkraftentwicklung, sondern der Verteilung und des Widerspruchs von Kapitalismus und Sozialismus. Karl Marx hat es schon 1863 richtig erkannt:

„Wenn alle arbeiten müssen, der Gegensatz von Überarbeiteten und Müßiggängern wegfällt – und dies wäre jedenfalls die Konsequenz davon, dass das Kapital aufhörte zu existieren […] – und außerdem die Entwicklung der Produktivkräfte, wie das Kapital sie hervorgebracht hat, in Betracht gezogen wird, so wird die Gesellschaft die nötige abundance [den nötigen Überfluss] in 6 Stunden produzieren, mehr als jetzt in 12, und zugleich werden alle 6 Stunden „disposable time“ [Freizeit], den wahren Reichtum haben; Zeit, die nicht durch unmittelbar produktive Arbeit absorbiert wird, sondern zum enjoyment [Genuss], zur Muße, so dass sie zur freien Tätigkeit und Entwicklung Raum gibt.“[ii]

Vor über 160 Jahren wäre es also schon möglich gewesen, den Arbeitstag auf sechs Stunden zu begrenzen und seitdem hat der wirtschaftliche Fortschritt nicht angehalten. Wenn wir uns die neuen Entwicklungen wie die Automatisierung ganzer Produktionsprozesse, Robotik und künstliche Intelligenz ansehen, zeigt sich immer stärker, dass Überarbeitung nicht mehr notwendig ist.

Wenn sich jedoch eine Klasse bereichert – die Fabrikbesitzer, Anlagehalter, Investoren…. – und andere für sie schuften lässt, ist eine Begrenzung der Arbeitszeit nur in einem gewissen Spielraum möglich. Hinzu kommen dann noch die Menschen, die gerne arbeiten würden, aber keinen Job finden. Dass es möglich ist, schon heute die Wochenarbeitszeit sogar auf unter 30 Stunden zu reduzieren, lässt sich durch eine einfache Rechnung darstellen. Im Jahr 2019 gab es in Deutschland 45.824.857 Personen zwischen 18 und 60 Jahren. Gleichzeitig wurden insgesamt 62,6 Mrd. Stunden gearbeitet. Wenn jede Person etwas dazu beigetragen hätte, abzüglich 4 Wochen Urlaub wären das 28,5 Stunden pro Person und Woche. Und es ist noch mehr möglich: Wenn wirklich der gesamte technologische Fortschritt genutzt und die Produktion wirklich den Bedürfnissen der Menschen unterworfen wird – sinnlose Produkte wie Werbung oder allgemein geplante Obdoleszenz könnten abgeschafft werden – kann die Arbeit noch weiter reduziert werden.

Aber um das zu erreichen müssen die Betriebe unter die Kontrolle und Verwaltung der einfachen und arbeitenden Bevölkerung gestellt werden und nach einem gesamtwirtschaftlichen Plan betrieben werden, der sich nach den Bedürfnissen richtet und nicht nach Profiten. Der Kapitalismus hält uns in Ketten. Erst wenn die kapitalistische Profitlogik durchbrochen ist, die Krieg, Krise, Leid und Elend erzeugt und wir eine Gesellschaft erkämpft haben, die sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet in der keine parasitäre Klasse sich durch andere bereichert – eine kommunistische Gesellschaft – ist es möglich die Arbeitszeit auf ihr notwendiges Minimum zu reduzieren. Dafür müssen wir kämpfen: Auf der Straße, im Betrieb und in der Schule, für Sozialismus und gegen Ausbeutung! Für ein sozialistisches Deutschland! Für die sozialistische Weltrevolution!

 

[i] Karl Marx: „Resolutionsentwurf über die Beschränkung des Arbeitstages, dem Brüsseler Kongress vom Generalrat vorgeschlagen“, In: MEW, Bd. 16, S. 317.

[ii] Karl Marx: „Theorien über den Mehrwert“, In: MEW, Bd. 26.3, S. 252.

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