Zurzeit diskutieren wir viel über Rassismus: darüber, dass es ihn gibt – nicht nur in den USA sondern auch in Deutschland – und darüber, wie man ihn bekämpfen kann. Tägliche Abschiebungen, der rassistische Anschlag von Hanau, die NSU-Morde und der Verfassungsschutz, der die NSU-Akten schreddert und unter Verschluss hält, sind Alltag in Deutschland. Was wir aber auch sehen, sind riesige Wellen der Solidarität, große Proteste und die Jugend in der ersten Reihe dieser Kämpfe.
Wir als Marxisten sehen unsere Aufgabe darin, die berechtigte Wut zu kanalisieren und ihr eine Richtung zu geben, sodass Rassismus endgültig abgeschafft werden kann. Dafür wollen wir uns zunächst die Entstehungsgeschichte des Rassismus ansehen.
Die Entstehung des Rassismus
Da Rassismus heute allgemein verbreitet ist, denken viele, dass eine vermeintliche „Fremdenfeindlichkeit“ natürlich sei, dabei liegt nichts ferner. Es sind Grabmalereien aus dem alten Ägypten zu finden, die Menschen mit verschiedenen Hautfarben nebeneinander zeigen, Persönlichkeiten der römischen Geschichte stammten häufig aus Nordafrika, mindestens ein Kaiser – die Hautfarbe wird in keinem Text erwähnt. Ebenso in holländischen Malereien des frühen 16. Jahrhunderts, zum Beispiel in dem Gemälde „Moses und Zippora“ von Jakob Jordaens, in dem Moses Ehefrau als Schwarze dargestellt wird.
Rassismus ist weder naturgegeben, noch immerwährend, sondern hat seine Grundlage in bestimmten historischen, materiellen Verhältnissen und kann mit diesen auch abgeschafft werden. Er kam auch nicht von heute auf morgen als fertige Ideologie auf, sondern entwickelte sich im Laufe von drei Jahrhunderten.
Die antike Sklaverei wurde zunächst durch römische und griechische Schriften ideologisch untermauert, in denen die Versklavung von in „gerechten Kriegen“ Gefangenen legitimiert wurde. Als aber der atlantische Sklavenhandel Mitte des 18. Jahrhunderts ein solches Ausmaß erreicht hatte, dass die Behauptung, dass diese Sklaven alle aus „gerechten Kriegen“ stammten, unglaubwürdig wurde, musste eine neue Begründung her. Kleinere Farmer waren zunehmend verärgert, weil sie unterboten wurden von Sklavenbesitzern, die das beste Land nutzten und durch Sklavenarbeit effektiver bewirtschaften konnten. Jedoch fanden in Häfen wie London einige entlaufene Sklaven Zuflucht in Armenvierteln, weshalb die Sklavenbesitzer und -händler eine Möglichkeit finden mussten, um unter Weißen Angst und Misstrauen vor Sklaven zu schüren. Daraufhin entstanden verschiedene Begründungen für Sklaverei: bestimmte rechtfertigende Bibelstellen, „wissenschaftliche“ Argumente, wonach Afrikaner „wilde Untermenschen“ seien, etc.
Die Kolonialmächte Portugal, Holland und England begannen gegen 1600 mit dem kommerziellen Anbau von Zucker und Tabak. Dafür wurden massenhaft Arbeitskräfte benötigt, die sich zunächst mehrheitlich aus Schuldknechten zusammensetzten. Diese waren arme Arbeiter aus Europa, die sich für die freie Überfahrt einige Jahre dazu verpflichteten, auf den Plantagen ohne Lohn zu arbeiten. Einige von ihnen waren Kriegsgefangene, andere waren Straftäter oder Opfer von Entführungen. Schuldknechte und Sklaven wurden mehr oder weniger gleich behandelt, arbeiteten gemeinsam, knüpften Kontakte untereinander, leisteten sich Beistand bei der Flucht und leisteten gemeinsamen Widerstand – zum Beispiel während der Rebellion unter Nathaniel Bacon 1676. Die Plantagenbesitzer ergriffen deshalb Maßnahmen zur Spaltung der beiden Gruppen. Darunter sind verschiedene Gesetze des Parlaments in Virginia zu fassen, so eines aus 1680, das dreißig Peitschenhiebe anordnete falls ein Sklave „es wagt seine Hand gegen einen Christen zu erheben“ oder eines, wonach Weiße, die einen Schwarzen heirateten, aus der Kolonie zu verbannen waren. Die Plantagenbesitzer erkannten, dass Weiße und Schwarze enge Kontakte miteinander knüpfen konnten und die Kolonialbehörden versuchen dies zu verhindern, indem sie den Sklavenbesitzern Macht über Leben und Tod verliehen und Rassismus schürten. Rassismus ist also eine Folge der späten Sklaverei – nicht umgekehrt.
Der Migrant als Sündenbock für soziale Probleme
Die Strategie, verschiedene Teile der Bevölkerung gegeneinander aufzuhetzen, damit sie nicht gemeinsam gegen ihren eigentlichen Feind kämpfen und sich so aus ihrer Unterdrückung befreien (auch bekannt als Teile und Herrsche-Politik), ist also schon alt und tief verwurzelt in der Ideologie kapitalistischen Klassengesellschaft, die heute von BILD, Focus und wie sie alle heißen verbreitet wird. Diese Politik wird genutzt, um vom eigentlichen Feind abzulenken, Kriege und Abschiebepolitik zu legitimieren oder Lohndrückerei zu organisieren.
Erzählungen wie „der Migrant nimmt dir deinen Arbeitsplatz weg“ oder „durch Migration wirst du aus deiner Wohnung und Gegend verdrängt“ sind Lügen, die uns die herrschende Klasse versucht zu verkaufen und jene, die es glauben, schneiden sich damit nur selbst ins eigene Fleisch. Denn das, was höhere Löhne, Arbeitszeitverkürzung und bezahlbaren Wohnraum schafft, ist der gemeinsame Kampf der Arbeiterklasse – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, etc.
Daneben hat der Rassismus für die herrschende Klasse direkten wirtschaftlichen Nutzen: ausländische Saisonarbeiter können (wie im bekanntgewordenen Fall der Spargelstecher von Bornheim) zu deutlich niedrigeren Kosten in elenden Verhältnissen untergebracht oder Flüchtlinge unter ständiger Androhung einer Abschiebung für Hungerlöhne beschäftigt werden. Deshalb gilt das Asylrecht im Kapitalismus vor allem dann, wenn für das Kapital Profit aus der Migration von Niedriglöhnern schlagen kann.
Deshalb drängen wir Rassismus überall dort zurück, wo wir auf ihn treffen, weil er uns schadet und davon ablenkt, dass die Grenzen nicht zwischen den Völkern verlaufen, sondern zwischen oben und unten. Wir haben gemeinsame Interessen als Arbeiterinnen und Arbeiter, die gegensätzlich zu denen der wahren Verantwortlichen für Rassismus und Spaltung stehen: die bürgerlichen, etablierten Parteien a la CDU, SPD, AfD und Grüne. Trotzdem zeigt sich natürlich auch, dass der Rassismus als Ideologie nicht nur nach Kalkül angewandt wird, sondern sich auch verselbständigen kann: Ein Faschist kann selber zutiefst überzeugt von den eigenen rassistischen Vorstellungen sein und genauso mag es Teile der herrschenden Klasse geben, die „toleranter“ als andere sind.
Dennoch: Die Regierenden, Herrschenden und die hinter ihnen stehenden Bosse von Banken und Konzernen sind schuld an Armut, Wohnungsnot, usw. und unsere Interessen durchsetzen werden wir nur, wenn wir es von unten erkämpfen.
Gemeinsam gegen Rassismus und Sozialabbau aktiv werden
Während die AfD hetzt, setzt der restliche kapitalistische Einheitsbrei Asylrechtsverschärfungen, Hartz 4 und Sozialabbau durch und entzieht uns damit immer weiter die Lebensgrundlage. Diese unsoziale Politik ist die Saat auf dem Boden, auf dem Rassismus wächst. Deshalb können wir Rassismus nur mit einem sozialistischen Programm begegnen und nicht auf die etablierten Parteien als Bündnispartner zählen. Dauerhaft und endgültig Rassismus abschaffen können wir aber nur, wenn wir ihn an der Wurzel packen: dem kapitalistischen System, das uns spaltet.