Parallel zu einer Diskussion um einen zweiten Lockdown und steigende Infektionszahlen sind auch die kapitalistische Weltwirtschaftskrise und ihre katastrophalen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt längst nicht vorbei. Während die Regierungen westlicher Länder im Angesicht eines kaputtprivatisierten und -gesparten Gesundheitswesens eine Durchseuchung mit Corona und zehntausende Tote nicht verhindern können, darf nicht vergessen werden, dass auch massenhafte Stellenstreichungen den Ruin von Arbeiterfamilien und ganzer Regionen bedeuten. Wir wollen eine Zwischenbilanz dessen ziehen, was seit Beginn der Pandemie und der Wirtschaftskrise passiert ist und was wir in den nächsten Monaten und Jahren zu erwarten haben.

Die aktuell am stärksten betroffenen Branchen sind der Tourismus, die Veranstaltungswirtschaft, die Gastronomie und der stationäre Handel. Hier wurden bereits im großen Stil Stellen gestrichen. Die prominentesten Beispiele sind wohl der Reisekonzern Tui, der trotz Milliarden-Staatshilfen 8.000 Stellen gestrichen hat, und der Warenhaus-Konzern Galeria Karstadt Kaufhof, der nach abgeschlossenem Insolvenzverfahren über 40 Filialen schließt und 4.000 Beschäftigte vor die Tür setzt. Doch auch vielen Beschäftigten in kleineren Betrieben droht die Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Insolvenzanträge war in den letzten Monaten niedriger als gewöhnlich; allerdings nur, weil die Meldepflicht bis Ende September ausgesetzt wurde. Die Bundesbank rechnet mit einer Insolvenzwelle in den nächsten Monaten und hat die Banken aufgefordert, sich darauf vorzubereiten.

Massenentlassungen

Massive Stellenstreichungen und Werkschließungen sehen wir aber auch in der Industrie. In der Autoindustrie haben alle großen Konzerne und Zulieferer Stellenstreichungen angekündigt; trotz Kurzarbeitergeld und der fortgesetzten Ausschüttung von Dividenden. VW hat in den letzten vier Jahren bereits 11.000 Stellen gestrichen, in den nächsten Jahren werden wohl etwa 20.000 weitere wegfallen. Die VW-Töchter MAN und Audi wollen jeweils 9.500 Stellen abbauen und Werke schließen. Daimler plant, weltweit 30.000 Stellen abzubauen, 5.000 davon in Deutschland. BMW hat angekündigt, 6.000 Stellen zu streichen und verlangt außerdem Kostensenkungen von seinen Zulieferern, da man die Lasten der Krise nicht allein tragen könne: Ein Paradebeispiel für die Verachtung der Bosse gegenüber der gesamten Arbeiterklasse.

Die Krise wird auch von Unternehmen, die jahrzehntelang fette Gewinne eingestrichen haben, dazu genutzt, massive Angriffe auf ihre Belegschaften zu fahren. Das springt bei den großen Autokonzernen besonders ins Auge, aber auch die Arbeiter in den Zuliefererbetrieben sind massiv betroffen. Continental will Werke schließen, Unternehmensteile verkaufen und 13.000 Stellen in Deutschland „verändern“; viele davon werden wegfallen. Eine Reihe von Automobilzulieferern kündigen Werkschließungen an: Mahle will zwei Werke schließen und 2.000 Stellen streichen nachdem bereits 6.700 Stellen seit 2018 weggefallen sind, Wafa schließt ein Werk mit 200 Stellen, ZF will 7.500 und Schaeffler 4.400 Stellen in Deutschland streichen. Bosch schließt zwei Werke und will tausende Stellen streichen. Gußwerke Leipzig hat die Produktion eingestellt; 400 Arbeiter sind betroffen.

Dass Thyssenkrupp seinen Auto-Anlagenbau aufspalten und dabei 800 Stellen streichen will, verblasst vor der Aussicht, dass bald die gesamte Stahlsparte an Liberty Steel verkauft werden könnte. Damit droht die Zerschlagung von Thyssenkrupp Steel Europe und die Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze allein in NRW. Die Beschäftigten und die IG Metall stemmen sich gegen diesen Verkauf und fordern einen Staatseinstieg in der unrentablen Stahlsparte, wogegen sich Bundes- und Landesregierung jedoch bislang sperren (siehe dazu unseren Artikel „Handlungskonzept Stahl“ aus der letzten Ausgabe).

Bei der Lufthansa, die neun Milliarden Euro Steuergeld erhalten hat, sollen nun 27.000 Stellen gestrichen werden. Gleichzeitig gründet der Konzern die neue nicht-tarifgebundene Plattform „Ocean“, bei der er zu Dumping-Löhnen wieder einstellen will. Auch der Flugzeugbauer Airbus hat tausende Stellenstreichungen angekündigt. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen.
Arbeitslosigkeit steigt

Bislang sind seit dem Beginn der Corona-Pandemie offiziell rund 820.000 Arbeitsplätze weggefallen. Mit der erwarteten Insolvenzwelle werden in den nächsten Monaten viele weitere folgen. Die wieder steigenden Infektionszahlen könnten erneut zu Einschränkungen und zu einer weiteren Vertiefung der Krise führen. Das Auslaufen der Regelungen zu Insolvenzanträgen und auch zur Kurzarbeit wird zu weiter steigenden Arbeitslosenzahlen führen. Letztere laufen Ende 2021 aus, passenderweise kurz nach der Bundestagswahl. Das ist die Zeit, in der mit den schwersten Angriffen auf die Arbeiterklasse zu rechnen ist.

Als Marxisten haben wir von Beginn an erklärt, dass diese Krise des Kapitalismus die tiefste seit dem Zweiten Weltkrieg sein wird. Dass es massenhaft zu Stellenstreichungen, Kürzungen, Angriffen auf die Arbeiterklasse und harten Verteilungskämpfen kommen wird. Bereits jetzt sehen und spüren wir die Offensive der Bosse in den oben genannten und vielen weiteren Unternehmen. Die Krise wurde als Vorwand genutzt, um schon lange geplante Gegenreformen wie die Wiedereinführung von 60-Stunden-Woche und Sonntagsarbeit durchzusetzen, Stellen zu streichen und Löhne zu kürzen, während sich die Bosse und Aktionäre weiterhin eine goldene Nase verdienen. Mit dem Auslaufen der Rettungsmaßnahmen, die vor allem Verschleppungsmaßnahmen sind, wird sich die Situation weiter zuspitzen und die Verteilungskämpfe heftiger werden.

Gewerkschaften in die Offensive!

Im Angesicht des Klassenkampfs von oben brauchen wir kämpferische Gewerkschaften, die sich den Angriffen entschlossen entgegenstellen und konsequent die Interessen der Arbeiterklasse verteidigen. Stattdessen sind die Führungen der großen Gewerkschaften in der Krise von ihrer Politik der Sozialpartnerschaft zu einer des Co-Managements übergegangen. Im Frühjahr sind die Gewerkschaften nahezu komplett von der Straße verschwunden. Zum ersten Mai, dem traditionellen Kampftag der Arbeiterbewegung, wurde nicht mobilisiert. Auch jetzt noch wird auf öffentlichkeitswirksame Demonstrationen, bei denen Solidarität und Kampfgeist geschmiedet werden, weitgehend verzichtet. Stattdessen gab es bspw. im öffentlichen Dienst viele betriebsinterne Streiks ohne politische Reden, bei denen im Grunde nur das Streikgeld abgeholt wurde. Anfang des Jahres war die IG Metall ohne Lohnforderungen in die Tarifverhandlungen gegangen.

Mit Blick auf die Bundestagswahl in weniger als einem Jahr und die massiven Kürzungsmaßnahmen, die von der neuen Regierung zu erwarten sind, ist diese Strategie nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Die Basis für die Mobilisierungsfähigkeit in den kommenden Kämpfen wird jetzt gelegt. Die Gewerkschaften müssen ihre defensive Haltung grundsätzlich ändern. Den Stellenabbau sozialverträglicher zu gestalten oder andere Versuche von Schadensbegrenzung motivieren niemanden zum Kampf. Um der Offensive der Bosse erfolgreich entgegenzutreten, braucht es eine Gegenoffensive der Arbeiter und ihrer Organisationen. Propagandamaterial ist reichlich vorhanden. Die Krise hat einmal mehr offengelegt, dass der Markt eben nichts regelt und eine profitorientierte Wirtschaft für die Mehrheit der Menschen entweder keine oder zu viel Arbeit und ständige Unsicherheit bedeutet.

Verstaatlichung und Arbeiterdemokratie jetzt!

Es ist genau der richtige Zeitpunkt, dieses System grundsätzlich in Frage zu stellen und offensiv die Verstaatlichung großer Teile der Wirtschaft zu fordern. Angefangen beim Gesundheitswesen und den Schlüsselindustrien wie Energie, Stahl-, Auto- und Rüstungsindustrie. Diese Forderung, die jetzt im Fall von Thyssenkrupp Steel aufgestellt wird, darf sich nicht nur auf verlustträchtige Sektoren beschränken, während Gewinne weiter privatisiert werden. Die ganzen Konzerne müssen enteignet und unter demokratische Kontrolle der Beschäftigten, Gewerkschaften und des Staates gestellt werden. Nur so kann eine bedarfsgerechte Versorgung der gesamten Bevölkerung, der Erhalt aller Arbeitsplätze und die Umstellung der Industrie auf zivile und ökologische Produktion gewährleistet werden.
Um das zu erreichen, kämpfen wir für demokratische Gewerkschaften, in denen alle Funktionsträger jederzeit rechenschaftspflichtig sowie wähl- und abwählbar sind und nur einen durchschnittlichen Arbeiterlohn erhalten. Wir kämpfen außerdem für den Aufbau einer Partei, die ein klares, marxistisches Programm vertritt und einen Ausweg aus der kapitalistischen Elendsverwaltung aufzeigt!
Gegen Bürokratismus, für Arbeiterdemokratie!

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