Weltperspektiven

  1. Die demütigende Niederlage des US-Imperialismus und seiner Verbündeten in Afghanistan, nach 20 Jahren Besatzung und fast 250.000 Toten, hat der Weltöffentlichkeit die Dekadenz der westlichen Großmacht vor Augen geführt. Die Wall Street und der militärisch-industrielle Komplex haben mit diesem Krieg Rekordgewinne erzielt, aber insgesamt ist die Bilanz aus Sicht ihrer Interessen verheerend. Die außenpolitische Strategie der US-Bourgeoisie nach dem Zusammenbruch der UdSSR – in der Rolle der Weltpolizei freie Hand zu haben – hat im letzten Jahrzehnt einen Misserfolg nach dem anderen geerntet.
  2. Afghanistan ist der krönende Abschluss eines umfassenderen Prozesses, der nach der Großen Rezession von 2008 weiter an Fahrt aufgenommen hat. Der Aufstieg Chinas zur Supermacht und die Ausbreitung seines politischen, diplomatischen und militärischen Einflusses führen zu tiefgreifenden und unumkehrbaren Veränderungen der internationalen Beziehungen. Dazu kommen die Ereignisse der letzten anderthalb Jahre, in denen die Pandemie eine gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Katastrophe ausgelöst hat, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Die 5 Millionen Toten und 216 Millionen Infizierten zeigen die extreme Degeneration der herrschenden Klasse und ihres Systems.
  3. Die Produktivkräfte stoßen auf die Zwangsjacke des Privateigentums an den Produktionsmitteln und des Nationalstaats. Die exponentielle Zunahme von Armut, Massenarbeitslosigkeit, Prekarität und extremer Ausbeutung, die unaufhaltsame Ungleichheit und die Klimakatastrophe sind der Preis für die stratosphärischen Gewinne der globalen Finanzplutokratie. Noch nie in der Geschichte war die Kluft zwischen Arm und Reich so groß wie heute.
  4. Die Diktatur des Finanzkapitals ist so allgegenwärtig geworden, das Gleichgewicht des Systems so offensichtlich gestört, dass die traditionellen Formen der bürgerlichen Herrschaft empfindlich gestört sind. Die Krise des bürgerlichen Parlamentarismus und der traditionellen Parteien des Systems, der Bankrott der neuen Organisationen der reformistischen Linken, der Aufstieg des reaktionären Populismus und der extremen Rechten, die weit verbreiteten Angriffe auf die demokratischen Rechte sind das Ergebnis der gesellschaftlichen Sackgasse, ebenso wie die Kette von sozialen Explosionen, Aufständen und Volksaufständen, die in den letzten zwei Jahren zahlreiche Länder erschüttert hat.

Imperialistisches Debakel in Afghanistan[1]

  1. Der überwältigende Sieg der Taliban hat einen Umbruch ausgelöst und der schockierten Welt gezeigt, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen den Mächten radikal verändert hat. Der Einmarsch der Fundamentalisten in Kabul, ohne dass ein einziger Schuss fiel, der Zusammenbruch und die Auflösung von Ghanis Marionettenregierung und seiner von den Amerikanern ausgebildeten und finanzierten Armee sowie die chaotischen Bilder der Evakuierung am Flughafen machen das Ausmaß der Niederlage deutlich.
  2. Trotz der enormen Mittel, die für die Besatzung aufgewendet wurden (2,26 Billionen Dollar), waren die einzigen Nutznießer der militärisch-industrielle Komplex und seine Auftragnehmer, die Wall-Street-Banken und eine korrupte Elite von afghanischen Politikern, die mit der Beute geflohen sind. Die US-Regierung hat bereits 500 Milliarden an Zinsen für einen durch massive Kredite finanzierten Krieg gezahlt. Es wird geschätzt, dass die Gesamtausgaben, einschließlich der Kreditschulden, 6 Billionen Dollar erreichen könnten.
  3. Mindestens 25% des afghanischen Bruttoinlandsprodukts wurden in den letzten Jahren von der Korruption verschlungen, an der sich Kriegsherren und eine bunt zusammengewürfelte Clique von kollaborierenden Sepoys[2] bereicherten, die eine „Staatsverwaltung“ aufbauten, die innerhalb weniger Stunden wie ein Kartenhaus zusammenbrach. Was mit der Armee geschehen ist, ist beispiellos: Sie ist voll von „Phantom“-Bataillonen, für die ihre Offiziere mit hohen Summen bezahlt wurden, und sie ist nicht in der Lage, einen Kampf zu führen. Jetzt lassen dieselben Kriegsherren, auf die sich die Besetzung stützte, ihren amerikanischen Freund im Stich, um ihre Geschäfte mit den Taliban fortzusetzen.
  4. Das afghanische Volk ist durch die Inter- vention zu Boden geworfen worden. Mehr als 80% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, und mehr als 30% sind von „Ernährungsunsicherheit“ betroffen. 87% der afghanischen Frauen sind Analphabetinnen (zwei Drittel der Mädchen gehen nicht zur Schule) und 75% der heranwachsenden Mädchen werden zwangsverheiratet. Das neue Strafgesetzbuch, das auf Geheiß der Besatzer verabschiedet wurde, änderte die aus der Taliban-Ära stammende Gesetzgebung zur Gewalt gegen Frauen nicht und behielt die Steinigung bei Ehebruch bei. Unter dem afghanischen Militär und der Polizei war bacha bazi (wörtlich: „Spielen mit Kindern“, ein Euphemismus für Kindersexsklaverei) weit verbreitet. Die westlichen Befehlshaber wussten von diesen weit verbreiteten Missbräuchen und sahen einfach weg. Die wenigen US-Soldaten, die es wagten, sich zu äußern, wurden aus der Armee ausgeschlossen.
  5. Seit der US-Invasion hat sich die Mohn- anbaufläche vervierfacht. Afghanistan produziert heute 90% des weltweiten Heroins. Diese Situation hatte verheerende Folgen für die Bevölkerung. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist die Zahl der Süchtigen von 200.000 im Jahr 2005 auf fast 2,5 Millionen im Jahr 2015 gestiegen, wobei schätzungsweise 9,5% der Süchtigen Frauen sind und 9,2% der Kinder bis 14 Jahre positiv auf eine oder mehrere Drogen getestet wurden.
  6. Das ist das düstere Bild, das die Anwesenheit des Imperialismus im Lande hinterlässt. Der Abzug der US-Truppen ist jedoch nichts anderes als die Umsetzung der von der Trump-Regierung mit den Taliban im Jahr 2020 unterzeichneten Vereinbarung. So sehr sich die republikanische extreme Rechte auch brüsten und den Demokraten die Schuld an diesem Debakel geben möchte, keine der beiden Parteien der herrschenden Klasse war in der Lage, den Zusammenbruch der Glaubwürdigkeit der USA und das Misstrauen zu verhindern, das in Bezug auf ihre Fähigkeit, China und Russland gegenüberzutreten, entstanden ist. Trumps und Bidens Proklamationen einer Wiedergeburt der nationalen Größe der USA stehen im völligen Widerspruch zur Realität.

Ein historischer Wandel in den internationalen Beziehungen

  1. Die Niederlage der USA in Afghanistan ist eine große Chance für China. Es ist kein Geheimnis, dass die Taliban auf Chinas politische und militärische Unterstützung zählen und nun seine aktive Unterstützung beim Erlangen internationaler Anerkennung wünschen. Das Versprechen erheblicher Investitionen im Gegenzug für die Aufrechterhaltung einer angemessenen inneren Stabilität durch die künftige fundamentalistische Regierung hat die Taliban zu Gesten veranlasst, die vor Jahren noch undenkbar gewesen wären. Aber es ist noch zu früh, um zu sagen, ob sie ihre Ziele erreichen werden.
  2. Eine Sache ist klar: Die Taliban sind sich sehr wohl bewusst, dass sie nur mit Pekings Hilfe ihre Macht festigen können, wenn auch nur vorübergehend. Wenn es ichnen nicht gelingt, die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln, und sie auf offene Repression setzen, wird es ihnen nie gelingen, eine aus- reichend breite gesellschaftliche Unterstützung zu gewinnen, um eine neue Implosion in einen Bürgerkrieg zu verhindern. Andererseits ist das Interesse Chinas an Afghanistan, einem Land mit einer geostrategischen Schlüsselposition und riesigen Reserven an Mineralien und seltenen Erden für die Technologieproduktion, offensichtlich. Aber es sind noch weitere Kräfte im Spiel, und auch die US-Bourgeoisie wird nicht tatenlos zusehen.
  3. Syrien, Irak, Afghanistan, Iran, Libanon, Sudan, Jemen, Palästina, Ukraine, Weißrussland, Venezuela, Bolivien, Myanmar, Algerien... in all diesen Ländern, auch wenn die Liste noch länger ist, hat die imperialistische Agenda des Weißen Hauses schwere Rückschläge erlitten.[3] China und Russland sind eindeutig gestärkt aus den großen Zusammenstößen hervorgegangen, ebenso wie andere kleinere imperialistische Mächte.
  4. Dem Iran, dem ewigen Feind der USA, ist es gelungen, sich als vorherrschende Macht im Nahen Osten zu etablieren. Die Strategie der Embargos und des wirtschaftlichen Drucks hat es nicht geschafft, die Mullahs von der Macht zu verdrängen, sondern hat sie stattdessen dazu gebracht, ihre Beziehungen zu China auszubauen und Investitionsabkommen im Wert von 400 Milliarden Dollar zu unterzeichnen.
  5. In Syrien haben Russland und der Iran und indirekt auch China einen unangefochtenen Sieg errungen. Das Regime von Bashar Al-Assad hat seine Position an der Spitze eines durch einen reaktionären Krieg verwüsteten Landes gesichert. Die Rolle des US-Imperialismus in Verbindung mit dem Islamischen Staat war entscheidend für die Entwicklung des bewaffneten Konflikts und seine zerstörerische Wucht. Diese Niederlage, die zu den Niederlagen in Afghanistan und im Irak hinzukommt, hat die Interessen der USA im Nahen Osten und in Zentralasien völlig zunichte gemacht.
  6. Alte Verbündete der USA, wie die Türkei und Pakistan, haben ihre Position geändert. Letzteres ist beispielhaft. Nachdem sie jahrzehntelang ein Bollwerk des US-Imperialismus waren, haben sich die verkommene pakistanische Bourgeoisie und ihr Militärapparat, einschließlich der mächtigen Geheimdienste, unter den Einfluss Chinas begeben und bieten sich an, eine wichtige Rolle in dessen „Neuer Seidenstraße“ zu spielen.[4] Die sich daraus ergebenden Vorteile liegen auf der Hand. Deshalb werden auch sie, nachdem sie aktiv zugunsten der Taliban interveniert haben, alles tun, um Afghanistan in das chinesische Projekt einzubinden.
  7. Saudi-Arabien und Ägypten haben ebenfalls Abkommen mit China unterzeichnet und sich der „Neuen Seidenstraße“ und der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank an- geschlossen, um diese zu finanzieren. Die Liste reicht bis zu anderen Ländern wie Myanmar, dessen Militärjunta entscheidende Hilfe vom chinesischen Imperialismus erhalten hat, um den Volksaufstand in Blut zu ertränken,[5] oder auch den Philippinen, deren Loyalität offen ins Wanken gerät.

Israel und der palästinensische Aufstand

  1. Aber Afghanistan ist nicht der einzige kritische Punkt für die USA. In jüngster Zeit ist der gesamte Nahe Osten zu einem zentralen Schauplatz von Klassenkämpfen und Veränderungen geworden, die die internationalen Beziehungen erschüttern. Auf die revolutionäre „Hirak“-Bewegung in Algerien[6] folgten die Volksaufstände und revolutionäre Krisen im Irak und Libanon[7] und die langanhaltenden Arbeiterkämpfe im Iran. Es gibt kein einziges stabiles Regime in der Region, in denen tiefe Spaltungslinien die herrschenden Klassen durchziehen.
  2. In diesem komplexen Szenario ist Palästina ein wesentlicher Bestandteil der arabischen Revolution. Einerseits ist sie der ultimative Ausdruck der Unmöglichkeit, die nationale Frage im Kapitalismus zu lösen. Andererseits ist es eine unanfechtbare Rechtfertigung der Theorie der permanenten Revolution: Die Befreiung des palästinensischen Volkes kann nicht vom Kampf für ein sozialistisches Palästina und ein sozialistisches Israel getrennt werden. Dies ist ein zentraler Gedanke, der durch die Erfahrungen von mehr als 70 Jahren bewiesen wurde.
  3. Die materielle Lage des palästinensischen Volkes ist heute die schlechteste seit 1948. Die verschiedenen von Israel gewonnenen Kriege, der Landraub durch legale und illegale Siedlungen, der Verzicht auf arabische „Verbündete“... haben zu einer brutalen Herrschaft über das Westjordanland und den Gazastreifen und zu einem System der Apartheid gegen die Palästinenser innerhalb Israels geführt. Doch die Kehrseite dieser Unterdrückung ist, dass die objektiven Kräfte für die Befreiung des palästinensischen Volkes präsenter denn je sind.
  4. Die palästinensische Frage hat ihre Wurzeln in der Politik des britischen Imperialismus nach dem Ersten Weltkrieg. Von diesem Zeitpunkt an bis zur Teilung im Jahr 1947 manövrierte sie zwischen den Zionisten und den reaktionären arabischen Kriegsherren, wobei sie die Taktik des „Teile und Herrsche“ wie in Indien oder Irland anwandte. In diesem Kontext entstand die palästinensische nationale Identität. Historisch gesehen stand die Region unter arabischer Herrschaft, und nach dem Osmanischen Reich bestand die Bevölkerung aus Arabern und anderen ethnischen Gruppen, die sich zu verschiedenen Religionen bekannten, aber bis dahin gab es kein eigenständiges „palästinensisches Volk“. Ihr Nationalbewusstsein wurde durch die rücksichtslose imperialistische Unterdrückung geprägt.
  5. Der Zweite Weltkrieg brachte tiefgreifende Veränderungen mit sich. Der nationalsozialistische Holocaust stärkte die Positionen des reaktionärsten Zionismus, der bis dahin eine Minderheit im jüdischen Volk war und von der Arbeiterklasse weitgehend abgelehnt wurde, und beschleunigte die Abwanderung Tausender Juden aus Europa nach Palästina. Damals wetteiferten die beiden großen Weltmächte, der amerikanische Imperialismus und der Stalinismus, die beide gestärkt aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen waren, um Einfluss in diesem Schlüsselgebiet.
  6. Heute muss man sich daran erinnern, dass es die stalinistische Clique in Moskau war, die die Teilung Palästinas am meisten gefördert hat und die auch den zionistischen Organisationen die erste große Militärhilfe zukommen ließ. Eine verbrecherische Politik, die die Spaltung der Bevölkerung nach nationalen Gesichtspunkten vorantrieb und mit jeder sozialistischen und internationalistischen Einstellung brach. In dem Bestreben, den USA zuvorzukommen, erreichte Stalin genau das Gegenteil.
  7. Auf Betreiben der UdSSR und des westlichen Imperialismus wurde im November 1947 in der UNO die Teilung Palästinas beschlossen und am 14. Mai 1948 erklärte Israel seine Unabhängigkeit. Was auf die „Lösung der jüdischen nationalen Frage“ folgte, wie sie von den Stalinisten und Imperialisten vorgeschlagen wurde, war brutal. Die Nakba bedeutete die Vertreibung von 750.000 Palästinensern, zwei Drittel bis drei Viertel der Gesamtbevölkerung, den Raub ihrer Häuser und ihres Eigentums und den Beginn der Apartheid. Die UNO teilte das Gebiet zwischen Israel (55 %) und Palästina (45%) auf, wobei Jerusalem unter internationaler Verwaltung stand.
  8. Wenige Monate später hatte Israel nach dem Sieg im ersten arabisch-israelischen Krieg (gegen seine fünf arabischen Nachbarn) bereits 50% des palästinensischen Teils sowie Westjerusalem besetzt. In diesem Krieg waren die vom stalinistischen Block (über die Tschechoslowakei) gelieferten Waffen entscheidend, wie der israelische Präsident Ben Gurion zwanzig Jahre später zugab. Nach dem Sechstagekrieg 1967 besetzte Israel den Gazastreifen, das Westjordanland, Ost-Jerusalem, die Golanhöhen und die Sinai-Halbinsel.
  9. Es ist kein Zufall, dass die ersten drei Jahrzehnte der Existenz des israelischen Staates von der absoluten Vorherrschaft der „Partei der Arbeiter“ in allen Bereichen der Macht geprägt waren – erst 1977 wurde die erste Likud-Regierung gebildet. Prägend für die Art und Weise, in der 1948 die israelische Staatsbildung begann, war die Illusion des Kibbuz und einer Fassade der „Selbstverwaltung“. Israel wurde mit Jugoslawien verglichen, was sich auf die Linke in der ganzen Welt auswirkte. Natürlich änderte sich die Situation schnell, und die „Arbeitspartei“ wurde zum politischen Agenten des US-Imperialismus und profitierte vom starken Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit.
  10. Als die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 1964 in der Hitze der kubanischen Revolution und der großen kolonialen Befreiungsbewegungen in Afrika (Kongo, Angola, Mosambik...) gegründet wurde, wiederholte ihre Politik das stalinistische Programm der meisten Guerilla-Organisationen jener Zeit: die Etappentheorie und die Suche nach Bündnissen mit der angeblich „demokratischen arabischen Bourgeoisie“. Diese Ausrichtung, zunächst die Guerillaangriffe und später der weit verbreitete individuelle Terrorismus mit wahllosen Bombenangriffen auf die Zivilbevölkerung, versperrte den Weg zur Einheit mit der israelischen Arbeiterklasse. Die zionistische Bourgeoisie konnte jahrzehntelang von dieser gescheiterten Strategie profitieren, indem sie die Gesellschaft maximal militarisierte und ihren chauvinistischen Nationalismus in breiten Schichten der Bevölkerung verbreitete.
  11. Dann kamen die blutigen Niederlagen des palästinensischen Widerstands in Jordanien und im Libanon, auf die wir hier nicht eingehen können, und die den Verrat der arabischen Bourgeoisie an der palästinensischen Sache und ihren erbitterten Widerstand gegen jede revolutionäre Bewegung, die die Grundlagen des Kapitalismus und die Macht dieser korrupten Oligarchien untergraben könnte, belegen.
  12. Mit dem Ausbruch der Ersten Intifada im Jahr 1987 griff der palästinensische Volksaufstand, der sich auf Streiks und Massenkämpfe stützte, auf die Palästinenser in Israel über und löste eine Welle der Solidarität in der ganzen Welt aus, auch in der israelischen Bevölkerung. Doch anstatt diese wunderbare Bewegung zu nutzen, um das israelische Volk geschlossen zum Kampf für den Sozialismus aufzurufen und das zionistische Regime und die arabischen Bourgeoisien zu stürzen, nutzten Arafat und seine Kollaborateure sie, um die Osloer Abkommen zu schmieden, eine völlige Kapitulation und einen Betrug, dessen einziges Ergebnis darin bestand, einen Teil der israelischen Besatzung an die Palästinensische Autonomiebehörde abzutreten.
  13. Das zionistische Regime profitierte von den politischen Fehlern der PLO und vor allem von der Unterstützung durch die USA, die sie wirtschaftlich und militärisch mit massiven Mitteln förderten. Doch heute befindet sich Israel in der tiefsten Krise seiner Geschichte, die sich daraus erklärt, dass seine historische Rolle als Bollwerk des Imperialismus gegen die arabischen Regime überholt ist. Die allermeisten von ihnen sind seit langem Agenten des Außenministeriums, mit Ausnahme des Irans. Sie haben die diplomatischen Beziehungen zu Tel Aviv wiederaufgenommen und sich bei der Unterdrückung und Niederschlagung des arabischen Frühlings auf dessen Rat und militärische Unterstützung verlassen.
  14. Israel hat seit Jahrzehnten einen Lebensstandard aufrechterhalten, der dem westlicher Länder entspricht. Das war die Grundlage für seine Stabilität; in Verbindung mit nationalistischer Demagogie war es das, was die Mehrheit der Bevölkerung, einschließlich der Arbeiterklasse, für die Verteidigung des zionistischen Staates mobilisierte. Jetzt ist das alles vorbei. Das Problem für die israelische herrschende Klasse kommt nicht von außen, sondern von innen, mit der Ent- wicklung eines Klassenkampfes, der durch die Wirtschaftskrise, die Verarmung der Mittelschichten und den Verlust der Hoffnungen der Jugend, in die der zionistische Chauvinismus immer schwerer einzudringen vermag, verschärft wird. Die Pandemie hat die Ereignisse nur beschleunigt. Die Arbeitslosigkeit stieg von 3,8% im Jahr 2019 auf 6,1% im Jahr 2020 und wird im Jahr 2021 voraussichtlich 6,5% erreichen.
  15. Die herrschende Klasse hat ein offensichtliches Legitimationsproblem. Auch wenn die soziale Polarisierung in den letzten Jahren in Massenmobilisierungen gegen die Rechte zum Ausdruck gekommen ist, haben die Zersplitterung und die Krise der traditionellen Formationen bei den Wahlen die Bildung einer stabilen Regierung unmöglich gemacht.
  16. Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Sackgasse und um seine persönliche Karriere zu retten, provozierte Netanjahu den jüngsten Krieg gegen die Palästinenser. Das Ergebnis war jedoch negativ für seine Interessen und die der zionistischen herrschenden Klasse.[8] Die Strafaktionen gegen den Gazastreifen lösten einen gewaltigen Aufstand der palästinensischen Bevölkerung aus, der sich von Jerusalem bis in die besetzten Gebiete ausbreitete und bei dem die Palästinenser innerhalb Israels eine führende Rolle spielten. Wie in anderen Ländern entstanden diese Mobilisierungen von unten, mit der Jugend an der Spitze, die die palästinensische reformistische Führung überwältigte, und erreichten ihren Höhepunkt in dem historischen Generalstreik vom 18. Mai, dem größten seit Jahrzehnten.
  17. Tausende von palästinensischen Arbeitern und Jugendlichen, die der Hamas-Führung sehr kritisch gegenüberstehen und die Korruption der Fatah und der Palästinensischen Autonomiebehörde verachten, haben aufgrund ihrer Erfahrung festgestellt, dass die Befreiung des palästinensischen Volkes in diesen Wochen des Massenkampfes mehr Fortschritte gemacht hat als in den Jahren der faulen Pakte und Abkommen mit dem Imperialismus und dem zionistischen Staat. Sie hat auch bewiesen, dass Generalstreiks und Massendemonstrationen, Besetzungen von öffentlichen Plätzen und die bewaffnete Selbstverteidigung weitaus wirksamere Methoden sind als Guerillaangriffe.
  18. In Medienberichten wie auf Middle East Eye wird offen darüber berichtet, dass die Palästinensische Autonomiebehörde die Kontrolle über das Westjordanland verliert und vor dem Zusammenbruch steht. Dies war der Grund für das Treffen des israelischen Verteidigungsministers Gantz mit Abbas am 29. August in Ramallah, das erste Treffen auf dieser Ebene seit 2010.
  19. Die Hamas-Führung ihrerseits profitiert von der Tatsache, dass die Natur das Vakuum verabscheut. Der palästinensische Auf- stand im Mai hat aber auch einmal mehr die Grenzen der fundamentalistischen Formation aufgezeigt. Ihnen fehlt ein revolutionäres und klassenbezogenes Programm, um dem zionistischen Staat entgegenzutreten, und sie erfüllen nur die Wünsche ihrer reaktionären Sponsoren in der arabischen Oligarchie.
  20. Wir Marxisten waren 1947 gegen die Gründung des Staates Israel in Palästina, aber es sind Jahrzehnte vergangen und die Situation hat sich verändert. Generationen von Israelis haben auf dem Land gelebt, das sie jetzt bewohnen, und es hat sich eine Arbeiterklasse entwickelt, die sich ebenfalls stark gewandelt hat und die reaktionären Pläne des zionistischen Staates nicht mehr unterstützt. In den letzten Jahren gab es große Arbeiterkämpfe, Generalstreiks, die Proteste von 2011 und die Anti-Netanjahu-Bewegung, die im Juli 2020 ausbrach.
  21. Die marxistische Position zur palästinensischen Sache muss von einer konkreten Analyse der Situation und der Bilanz der vergangenen Ereignisse ausgehen. Die Oslo- er Abkommen von 1993, die als Verwirklichung der palästinensischen „Selbstbestimmung“ verkauft wurden, waren nur eine für Israel maßgeschneiderte Falle. Die Linke in der ganzen Welt unterstützte dieses Abkommen und die Idee der „zwei Staaten“ als notwendigen Schritt. Das war jedoch nichts weiter als eine reaktionäre Entgleisung.
  22. Die palästinensischen Massen haben den Betrug dieses falschen „Selbstbestimmungsrechts“ unter dem Schutzmantel des Imperialismus und der wachsamen Vormundschaft des Zionismus am eigenen Leib erfahren. Brutale Unterdrückung, Landraub durch die immer weiter wachsenden Siedlungen oder die Strafpolitik gegenüber dem Gazastreifen sind seit drei Jahrzehnten die Regel. Die Osloer Abkommen waren ein Mittel, um die Besatzung und die Kollaboration der korrupten Palästinensischen Autonomiebehörde mit ihr zu garantieren.
  23. Die Theorie der permanenten Revolution ist gültig: Die demokratisch-nationalen Rechte der kolonialen und ehemals kolonialen Nationen können nur auf der Grundlage einer revolutionären Bewegung zum Sturz des Kapitalismus, des Großgrundbesitzes und zur Beendigung der imperialistischen Unterdrückung erkämpft werden. Es kann keine Befreiung des palästinensischen Vol- kes geben, ohne den zionistischen Staat und die palästinensische Bourgeoisie zu stürzen. Und das ist ein Punkt, den wir betonen müs- sen: die Rolle der palästinensischen Bourgeoisie, die die Produktionsmittel besitzt, die palästinensische Arbeiterklasse ausbeutet und über einen Repressionsapparat ver- fügt, um ihre materielle Position zu verteidigen.
  24. Die Fatah hat im Westjordanland gezeigt, was sie ist: der Subunternehmer der israelischen Besatzung, der seine Dienste im Austausch für die Aufrechterhaltung der Ge- schäfte und Privilegien der von ihr vertretenen Klasse anbietet. Und die Hamas hat im Grunde genommen über Jahrzehnte hinweg dasselbe getan: Sie braucht regelmäßige Zu- sammenstöße mit Israel, um ihre Unfähigkeit zu verbergen, die Probleme der Massen zu lösen und die nationale Befreiung zu erreichen.
  25. Der einzige Weg zur Befreiung des palästinensischen Volkes ist eine sozialistische Revolution, die die beiden herrschenden Klassen stürzt und enteignet. Dies würde die materielle Grundlage für einen wirklich demokratischen Ausweg schaffen. Und bei dieser Aufgabe ist die Beteiligung der israelischen Arbeiterklasse unerlässlich.
  26. Es kann keine sozialistische Revolution in Palästina ohne eine revolutionäre Bewegung in Israel geben. Genauso wenig ist es wahrscheinlich, dass es in Palästina eine revolutionäre Bewegung geben wird und im übrigen Nahen Osten nichts passiert, wie die letzten zehn Jahre gezeigt haben. Dementsprechend würde ein solcher revolutionärer Aufschwung die Tendenzen zur Klasseneinheit vertiefen.
  27. Dies ist der zentrale Punkt: Der Konflikt kann nur im Rahmen eines gemeinsamen revolutionären Kampfes gelöst werden. Und die Dynamik von Revolutionen ist dialektisch, sie reagieren weder auf ein vorgegebenes Drehbuch noch auf geschlossene Formeln. Die Marxisten befürworten in der gegenwärtigen Phase eine sozialistische Föderation als beste Übergangsstaatsform, die die demokratischen Rechte der Palästinenser und Israelis vollständig garantieren würde. Eine sozialistische Föderation auf der Grundlage der Arbeiterdemokratie wäre das Mittel, um die historische Tragödie der palästinensischen Flüchtlinge unter demokratischen und gleichen Bedingungen erfolgreich zu lösen, und wäre der Rammbock, um die Revolution auf den Rest des Nahen Ostens auszuweiten.
  28. Aber es kann keine siegreiche sozialistische Revolution geben ohne eine revolutionäre Massenpartei, die die Unterdrückten in Palästina und Israel unter demselben Banner vereint. Das ist die grundlegende Aufgabe, die es in der kommenden Zeit zu lösen gilt.

Lateinamerika zwischen Revolution und Konterrevolution

  1. Mit 8,4% der Weltbevölkerung und 28% der Todesfälle durch Covid19 ist Lateinamerika die am stärksten von der Pandemie betroffene Region der Erde. Das BIP des Kontinents sank im Jahr 2020 um 7,7%, und 2,7 Millionen Unternehmen und Betriebe wurden geschlossen. Die Zahl der Arbeitslosen stieg um 26 Millionen, was die größte Krise auf den lateinamerikanischen Arbeitsmärkten seit 1950 darstellt. 33,7% der Bevölkerung (209 Millionen Menschen) leben in Armut und 78 Millionen in extremer Armut, 30 Millionen mehr als 2019!
  2. Diese Situation führt zu weit verbreiteten sozialen Unruhen. Ihr stärkster Ausdruck waren bisher die Aufstände in Chile und Kolumbien.[9] In beiden Fällen führte ein konkreter Angriff (U-Bahn-Preiserhöhung, Steuerreform) zur Entladung der angestauten Empörung. Alle Faktoren, die eine revolutionäre Situation kennzeichnen, waren vorhanden. Die Massenhaftigkeit und die Entschlossenheit, bis zum Äußersten zu ge- hen, besiegten die Repression und führten zu tiefen Spaltungen in der herrschenden Klas- se. Die Kampfbereitschaft der Jugend griff auf das gesamte Proletariat über, förderte Generalstreiks und Massendemonstrationen und riss weite Teile der Mittelschichten mit.
  3. Sowohl in Chile als auch in Kolumbien haben sich embryonale Elemente der Doppelherrschaft herausgebildet: Versammlungen, „cabildos abiertos“[10], „primeras líneas“[11], die wochenlang die Kontrolle über ganze Stadtteile übernahmen und die Selbstverteidigung gegen Repression und das soziale Leben organisierten. Hätte es eine revolutionäre Führung mit einem sozialistischen Programm gegeben, die zu einem unbefristeten Generalstreik und zur Ausweitung und Vereinheitlichung dieser Organisationen aufgerufen hätte, hätte die Macht in Chile und Kolumbien ergriffen werden können. Das Fehlen einer solchen Führung ist der entscheidende Faktor, der die gesamte Situation bestimmt.
  4. In Chile rettete die Unterzeichnung des Abkommens für den sozialen Frieden und die neue Verfassung durch die Sozialistische Partei (PS) und die Breite Front (FA) sowie deren faktische Annahme durch die Kommunistische Partei (PCCh) Piñera und lenkte den revolutionären Aufstand auf das parlamentarische Terrain um. Aber trotz des kalten Wassers haben die Arbeiterklasse und die Jugend der Reaktion beim Referendum am 25. Oktober 2020 und bei den Wahlen zum Verfassungskonvent (Mai 2021) erneut einen gewaltigen Schlag versetzt. Die Kann- didaten auf der linken Seite der Sozialdemokratie, Apruebo Dignidad (PCCh-FA) und Lista del Pueblo (unabhängige Kandidaten, die von Volksversammlungen, feministischen und indigenen Kollektiven, sozialen Bewegungen usw. aufgestellt wurden) er- hielten mehr als 35% der Stimmen und 40% der Wählerstimmen.
  5. Nach diesem Ergebnis und angesichts der Tatsache, dass die Umfragen den PCCh-Kandidaten Daniel Jadue als Favoriten für die Präsidentschaftswahlen auswiesen, ent- fachte die Bourgeoisie eine heftige Angstkampagne, indem sie eine mögliche Regierung Jadue mit „kommunistischem Totalitarismus“ gleichsetzte und das Schreckgespenst der Krise in Kuba und Venezuela schürte. Die KP-Führer weigerten sich, dieser Kampagne auf die einzig mögliche Weise zu begegnen: durch die klare Verteidigung eines sozialistischen Programms, das die Bedürfnisse aller Unterdrückten in den Mittelpunkt stellt.
  6. Die Versöhnungspolitik der PCCh führte dazu, dass sie die Vorwahlen auf der Liste der Apruebo Dignidad gegen die Kandidatur von Gabriel Boric (FA) verlor, der sich als Verfechter einer „realistischen“ und „integrativen“ Linken präsentierte. Nun wendet die Rechte dieselbe Demagogie gegen ihn an und beschuldigt ihn, „Chile in Chilezuela zu verwandeln“.
  7. Zwei Monate vor den Wahlen sagen die Umfragen eine Stichwahl zwischen Boric (20-25%) und dem rechten Kandidaten Sichel (18-25%) voraus. Die christdemokratische Prevoste (Concertación), die von der PS unterstützt wird, und die ultrarechte Kast sind jedoch innerhalb weniger Wochen von 4-5% auf 10 bzw. 15% gestiegen. Unentschlossene Wähler und mögliche ungültige oder leere Stimmen bewegen sich um die 30%, und die Tendenz zur Wahlenthaltung nimmt zu. Vor dem Hintergrund der Niederlage der PC-FA bei den Regionalwahlen im Großraum Santiago de Chile deuten alle Faktoren auf ein schlechtes Ergebnis für die stalinistische Linke hin, die hauptsächlich für die Demobilisierungspolitik des letzten Jahres verantwortlich ist.
  8. Die Bourgeoisie stützt sich auf die Füh- rer der PS, die trotz ihrer Diskreditierung bei den ausgebeutetsten und kämpferischsten Jugendlichen und Arbeitern immer noch über Wählerreserven in anderen Sektoren der Massen verfügt. Durch Absprachen mit der Rechten (einschließlich Teilen der FA) hoffen sie, das Parlament und den Verfassungskonvent kontrollieren zu können. Ihr Ziel ist, dass die Demoralisierung der Mas- sen, die das Ergebnis der Politik der PS, der PCCh und der CUT ist, das Kräfteverhältnis verändert und es ihnen ermöglicht, den revolutionären Prozess endgültig zu beenden.
  9. Tausende von Aktivisten spüren diese Gefahr und suchen nach einer Alternative zum Reformismus in all seinen Varianten. Das Wachstum der Volksliste hat dies deutlich gemacht. Aber die selbsternannten „trotzkistischen“ Organisationen haben sich von einem Fehler zum nächsten begeben, mit ihrer ungesunden Besessenheit, die Losung einer freien und souveränen verfassunggebenden Versammlung als das Allheilmittel zu präsentieren, das sie von der reformistischen Linken unterscheiden würde. Wir haben zahlreiche Artikel und politische Erklärungen der Debatte über diesen Slogan und die verhängnisvollen Folgen gewidmet, die sich ergeben, wenn man ihn in den Vordergrund stellt, anstatt ein sozialistisches und klassenbezogenes Aktionsprogramm zu verteidigen.
  10. Wie in Chile konnte auch in Kolumbien der Sturz des rechtsextremen Duque nur durch die Aktionen des Nationalen Streikkomitees (bestehend aus den Gewerkschaftsführern) und Gustavo Petro (dem wichtigsten Führer der Linken) verhindert werden. Sie alle haben die Bewegung an die Wahlfront gelenkt und einer durch die direkte Aktion der Massen gelähmten Bourgeoisie die Möglichkeit gegeben, sich neu zu organisieren.
  11. Da die traditionellen Parteien der herrschenden Klasse und die ultrarechte Uribista massiv herausgefordert werden, versuchen die Kapitalisten verschiedene Kombinationen mit neumodischen kleinbürgerlichen Kräften, wie der Grünen Partei und anderen, um eine „Mitte-Links“-Alternative zu schaf- fen. Gleichzeitig führen sie eine Angst- kampagne nach chilenischem Vorbild gegen Petro, um die Kontrolle über das Parlament zu sichern und seinen Sieg im Mai 2022 zu verhindern. Etwas, das trotz seines reformistischen Programms einen Wendepunkt im Klassenkampf darstellen würde.

Abrupte Veränderungen

  1. Ein Beispiel für die ständige Instabilität und Veränderung des Kräfteverhältnisses ist die Situation in Peru.[12] Die Oligarchie rief die Wahlen in der Überzeugung aus, dass die Zersplitterung und Lähmung der Linken es ihr erleichtern würde, eine Regierung mit ausreichender Legitimität zu bilden, um ihre Agenda des Angriffs umzusetzen. Doch Pedro Castillos Rede, in der er Ungleichheit und Korruption anprangerte und einen tiefgreifenden sozialen Wandel versprach, fand bei Millionen unterdrückter Menschen Anklang. Castillo kletterte von 2% in den ersten Umfragen auf die größte Wahlunterstützung in der peruanischen Geschichte.
  2. Verzweifelte Versuche der Oligarchie, seine Amteinführung zu verhindern, führten zu Massenmobilisierungen und einem lan- desweiten Streik. Um einen Aufstand zu vermeiden, setzten der Imperialismus und ein zunächst kleiner Teil der herrschenden Klasse nach wochenlangem Zögern seine Anerkennung durch. In den 40 Tagen, die Castillo an der Regierung ist, kommt der Klassendruck, dem er ausgesetzt ist, mit aller Schärfe zum Ausdruck, was die wirtschaftliche Situation verschärft und ständige Regierungskrisen hervorruft. Sein Versuch, diese zu umgehen, indem er ein Gleichgewicht zwischen links und rechts herstellt, wird nur zu neuen Konflikten führen.
  3. Die Auswirkungen der Krise führen auch in einem so wichtigen Land wie Bra- silien zu dramatischen Veränderungen. Die Bewältigung der Pandemie hat die kriminelle Politik Bolsonaros vor Millionen von Menschen offengelegt, darunter auch Teile des Kleinbürgertums und verzweifelter Be- völkerungsschichten, die ihn gewählt haben. Deshalb ist sich ein entscheidender Teil der Bourgeoisie bewusst, dass sie einen zuverlässigen Ersatz braucht, um größere Übel zu vermeiden. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, Lula freizulassen und seine Disqualifikation aufzuheben, ist die Konsequenz daraus.[13]
  4. Am 22. Mai traf Fernando Henrique Cardoso, ein prominenter Vertreter der herr- schenden Klasse und Lulas historischer Rivale, mit Lula zusammen. Obwohl seine Partei die Einladung, sich der PT- und PSOL-Front anzuschließen, ablehnte, erklär- te Cardoso, dass er im Falle einer Wahl zwischen Bolsonaro und Lula für Lula stim- men würde. Bolsonaro spricht von Betrug, sucht die Unterstützung von Teilen der herr- schenden Klasse und der Armee, um ein Wahlsystem durchzusetzen, das seinen Sieg im Jahr 2022 garantiert, und mobilisiert seine Basis mit einem Diskurs, der an den von Trump vor dem Angriff auf das Kapitol erinnert.
  5. Obwohl seine reformistische und kapitalistische Politik den Weg für den Aufstieg der extremen Rechten geebnet hat, haben das Fehlen einer konsequenten Alternative auf der Linken (mit der PSOL, die sich der Strategie der „Volksfront“ an der Seite der PT verschrieben hat) und der Wunsch, den Faschisten, der die Präsidentschaft innehat, zu verdrängen, es Lula ermöglicht, in den Umfragen eine enorme Unterstützung zu erhalten: 55% gegen Bolsonaros 30% in einer hypothetischen zweiten Runde. Einmal mehr werden sie versuchen, die gewaltigen Widersprüche der Gesellschaft auf dem Gebiet der Wahlen und des Parlaments zu lösen. Doch wie die jüngste Geschichte zeigt und auch das Beispiel der USA unterstreicht, sind die Zeiten, in denen wichtige Fragen durch Vereinbarungen von oben nach unten gelöst wurden, vorbei. Brasilien erlebt eine noch nie dagewesene soziale und politische Polarisierung und bereitet sich auf eine Welle von Mobilisierungen und heftigen Klassenkämpfen vor, bei denen kein Szenario ausgeschlossen werden kann.

Die Rolle des Reformismus

  1. Der Instinkt der Massen, dem rechten Flügeln den Weg zu versperren, ermöglicht es AMLO in Mexiko, Arce (Bolivien) oder Alberto Fernandez in Argentinien, ein Niveau an Unterstützung und Stabilität aufrechtzuerhalten, das weit über dem der anderen Kräfte liegt. Doch die Krise und ihre Politik des Nachgebens gegenüber den kapitalistischen Forderungen in allen entscheidenden Fragen verstärken bereits die Unzufriedenheit.[14]
  2. Bei den mexikanischen Bundeswahlen hat Morena zahlreiche Bundesstaaten ge-wonnen, was den Willen der Massen widerspiegelt, die Rechte zu zerschlagen und einen Linksruck von AMLO zu fordern. In der Hauptstadt wurden sie jedoch abgestraft. Bei den bolivianischen Kommunalwahlen gewann die MAS in den meisten Gemeinden, vor allem in den ländlichen Gebieten; sie legte in Santa Cruz zu, wo die Faschisten regieren, verlor aber praktisch alle Großstädte, darunter Hochburgen wie El Alto und La Paz.
  3. In Argentinien, wo die Inflation bei 58% und die Armut bei 41% liegt, was seit dem „Argentinazo“ nicht mehr der Fall war, könnten die Parlamentswahlen am 14. November als Vehikel der Unzufriedenheit dienen. Die beeindruckende grüne Welle für Abtreibungsrechte hat bereits gezeigt, welches revolutionäre Potenzial vorhanden ist. Ein korrektes Programm und eine korrekte Methode würden es dem FIT-U ermöglichen, sich diese Situation zunutze zu machen. Aber die Mischung aus Sektierertum und Opportunismus ihrer Führer könnte diese Möglichkeit wieder zunichtemachen. Im anderen Extremfall könnte die extreme Rechte mit 5% bis 12% der Stimmen ins Parlament einziehen.
  4. In Argentinien, Uruguay, Chile, Peru und anderen Ländern tauchen Bolsonaro-Nachahmer auf, die bei den Wahlen erhebliche Unterstützung erhalten oder das Potenzial dazu haben. Es handelt sich im Allgemeinen um Abspaltungen von den traditionellen bürgerlichen Parteien, die mit dem Staatsapparat (Militär, Richter, Polizeimafia...) verbunden sind, an die Verzweiflung der Mittelschichten appellieren und sich auf die obskurantesten Sektoren der katholischen Kirche und der evangelikalen Kirchen stützen, um in die Arbeiterviertel vorzudringen. Ihr Diskurs nutzt die Auswirkungen der Krise, das Scheitern der Reformpolitik und in einigen Fällen auch die massive Ankunft venezolanischer Migranten, um den Sozialismus anzugreifen und fremdenfeindliche Vorurteile zu schüren.
  5. Diese Entwicklung stellt eine sehr ernste Bedrohung dar. Die Beispiele Chile, Kolumbien und Peru zeigen, dass das Kräfteverhältnis nach wie vor eindeutig zugunsten der Linken ist, aber um dies auszunutzen und die Reaktion zu zerschlagen, ist eine revolutionäre Strategie mit einem sozialistischen Programm und einem Plan zur Machtergreifung unerlässlich.

Kuba und Venezuela

  1. Venezuela und Kuba befinden sich in einer Ausnahmesituation auf dem Kontinent. Die Liquidierung der bolivarischen Revolution, nicht durch den US-Imperialis- mus und die Bourgeoisie, sondern durch die PSUV-Bürokratie, hat eine verheerende Wirkung auf die Moral der Massen. Obwohl Tausende von Aktivisten weiterhin nach einer revolutionären Alternative suchen, bleibt die Gesamtsituation von einer tiefen politischen Flaute geprägt.[15]
  2. Das durchschlagende Scheitern des von den USA organisierten Staatsstreichs in diesem Zusammenhang (wie auch die Niederlage in Bolivien nach dem erfolgreichen Sturz von Evo Morales) und die erbärmliche Rolle ihrer Marionette Juan Guaidó sind nicht von zweitrangiger Bedeutung. Die chinesische und russische Unterstützung war für das Militär entscheidend, um Maduro zu stützen. Letzterer hat wichtige Schritte zur Konsolidierung eines bürgerlich-bonapartis- tischen Regimes unternommen, das sich auf die Staats- und PSUV-Bürokratie, die Militärführung und die so genannte „Bolibourgeoisie“ stützt.
  3. Dies sind die Bedingungen, die die Verhandlungen zwischen der Regierung Maduro und der Opposition in Mexiko ausgelöst haben. Ihre einstimmige Entscheidung für die Teilnahme an den Kommunal- und Regionalwahlen am 21. November bedeutet die Anerkennung der Niederlage ihrer Putschstrategie und stärkt Maduro. Gleichzeitig verstärken die kapitalistische und bonapartistische Politik (die während der Pandemie vertieft wurde) die Ablehnung des Regimes durch die Massen. Die Vorwahlen der PSUV, die ein Gefühl der Stärke vermitteln sollten, hatten eine geringe Wahlbeteiligung und spiegelten die Spannungen innerhalb der Bürokratie wider.
  4. Von 2000 bis 2018 entfielen 47,8% der chinesischen und russischen Kredite an Lateinamerika (67,8 Milliarden) auf Venezuela. Die meisten davon betrafen den Bergbau und die Ölförderung und führen zu einer Abhängigkeit von chinesischen und russischen Unternehmen bei Investitionen, Importen und neuen Finanzierungen. In Verbindung mit der Korruption und dem Parasitentum der venezolanischen Bürokratie und Bourgeoisie hat dieses Kapital nicht zur Entwicklung der Infrastruktur oder zur Wiederbelebung der Produktion geführt. Die Ölindustrie (der Schlüssel zu den Staatsfinanzen) ist zusammengebrochen. Verschiedene Vereinbarungen mit China, Russland und dem Iran haben einen völligen Zusammenbruch verhindert, aber die derzeitigen 600.000 Barrel pro Tag sind 45% weniger als vor den US-Sanktionen.
  5. Eines der Hauptziele Maduros in den Verhandlungen ist die Aufhebung oder Lockerung dieser Sanktionen, um die Produktion zu steigern, ausstehende Zahlungen an China, Russland und den Iran zu begleichen und neue Kredite zu erhalten, um kapitalistische Investitionen zu fördern und das System zu stabilisieren. Vor dem Hintergrund der globalen Krise, des Messerkampfes zwischen den USA und China und der Tatsache, dass Washington gezwungen ist, um seinen „Hinterhof“ zu kämpfen, verschärfen sich die Widersprüche, die zu dem derzeitigen Szenario geführt haben, eher noch. Die Aussichten für Venezuela sind vollständig mit der Entwicklung der kapitalistischen Krise und des Klassenkampfes auf kontinentaler und weltweiter Ebene verbunden.
  6. Dies gilt auch für Kuba. Die Mobilisierungen im Juli stellten einen Wendepunkt dar. Die pro-imperialistischen Sektoren im Landesinneren und ihre Herren in Washington versuchen, sie auszunutzen, aber die überwiegende Mehrheit der Demonstranten waren junge Menschen und Arbeiter, die gegen die Ungleichheit, die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen und die durch die pro-kapitalistische Agenda der Bürokratie verursachte Korruption protestierten.
  7. In der umfassenden Erklärung, die wir vor dem Sommer veröffentlicht haben, ha- ben wir die Natur dieser Ereignisse und die Perspektiven analysiert und betont, dass das Einzige, was den Triumph der kapitalistischen Konterrevolution, sei es durch die Hand Chinas oder der USA, verhindern kann, der unabhängige Kampf der kubanischen Arbeiterklasse und der kommunistischen Avantgarde für eine echte Arbeiterdemokratie ist, um das Gewicht der Bürokratie und ihrer Privilegien abzuwerfen und die Ausweitung der Revolution in Lateinamerika und international zu fordern.[16]

Lateinamerika und der „gute Imperialismus“

  1. Zwischen 2005 und 2015 verschaffte der Boom der Rohstoffexporte nach China den lateinamerikanischen Volkswirtschaften und damit der herrschenden Klasse Handlungsspielraum. Insbesondere seit 2010 hat sie dazu beigetragen, den revolutionären Aufschwung zu bremsen. China wurde der wichtigste regionale Kreditgeber. Ihre Kredite übersteigen die von der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank und anderen westlichen imperialistischen Agenturen gewährten Summen.
  2. Doch seit 2015 wurden die Auswirkungen der Großen Rezession und des Rückgangs auf dem globalen Markt für den Kontinent viel deutlicher sichtbar. Die Ein- nahmen aus den Exporten nach China und die Kredite aus dem asiatischen Land gingen ebenfalls zurück, wenn auch in wesentlich geringerem Umfang und Tempo als die aus den USA. Die lateinamerikanischen Länder sind in unterschiedlichem Maße in eine Rezession geraten, die durch die Pandemie zu einer Depression geworden ist.
  3. Dies förderte den Zusammenbruch der venezolanischen Wirtschaft und die Anwendung von Anpassungsmaßnahmen durch die Regierungen der PT (Brasilien), der MAS (Bolivien) oder des Correismo in Ecuador, wodurch ihre soziale Unterstützung schwand. In Ländern mit rechtsgerichteten Regierungen bedeutete dies brutale „Anpassungs“-Pläne, wie in Argentinien, Chile und Kolumbien. Auch musste China während der Pandemie der innenpolitischen Front Vorrang einräumen.
  4. Ein Fragezeichen hinter den wirtschaftlichen Aussichten für Lateinamerika ist, ob und in welchem Tempo sich die chinesischen Investitionen und Kredite auf das Niveau von vor 2015 erholen werden und ob die Region in große chinesische Projekte (Seidenstraße usw.) in einem Umfang einbezogen wird, der den derzeitigen Einbruch ausgleicht.
  5. Auf jeden Fall zeigt die Erfahrung der Jahre 2005-15, dass chinesische imperialistische Investitionen kein Allheilmittel sind. Sie haben keines der grundlegenden Probleme der lateinamerikanischen Volkswirtschaften gelöst und kamen in erster Linie den Großkapitalisten, den Banken, der ho- hen Staatsbürokratie und Teilen des gewerblichen und landwirtschaftlichen Kleinbürgertums zugute. Mit China an der Spitze setzten sich die Ausplünderung, die Preka- rität der Arbeit und die sozialen Ungleichheiten und natürlich die imperialistische Ausplünderung der natürlichen Ressourcen des Kontinents fort und nahmen sogar noch zu, wodurch viele der Widersprüche entstanden, die die aktuelle Krise nähren.

Covid19-Daten (Stand 26.08.2021)

 

Tote

Positive Fälle

Sterblichkeitsrate (pro 100.000 Einwohnern)

Bevölkerung (in Mio.)

Weltweit

4.495.014

216.026.420

Nicht erhoben

7.700

USA

633.564

38.384.360

191,98

330

China

4.848

106.905

0,34

1.440

Deutschland

92.108

3.923.250

110,97

83

Großbritannien

132.465

6.659.916

197,70

67

Spanien

83.861

4.822.320

176,92

47.4

  1. Das Fehlen einer marxistischen Führung ist der einzige Faktor, der den Triumph der sozialistischen Revolution in entscheidenden Ländern des Kontinents, der die Weltgeschichte verändert hätte, verhindert hat. Die Erfahrungen der bolivarischen Revolution und die internationale Unterstützung, die sie während ihrer Hochphase mobilisieren konnte, sind der beste Beweis dafür. Doch die objektiven Tendenzen des kapitalistischen Zusammenbruchs sind weder abgeklungen, noch ist die Stabilität wiederhergestellt, noch hat der viel beschworene Rechtsruck stattgefunden, noch steht der Klassenkampf vor einer Phase des Abschwungs. Lateinamerika wird auch in Zukunft einer der wichtigsten Schauplätze für die Gründung der revolutionären Partei sein.

Chinas Antwort auf die Covid19-Heraus- forderung

  1. Die Entwicklung der Produktivkräfte in China in den letzten drei Jahrzehnten und das besondere Regime des Staatskapitalismus müssen von den Marxisten sehr genau untersucht werden. Es handelt sich um ein Phänomen, das nur mit dem Aufstieg des amerikanischen Imperialismus nach dem Ersten Weltkrieg – und der Ablösung Groß-britanniens als vorherrschende Macht – verglichen werden kann und zugleich spezifische Besonderheiten aufweist, die dieses Ereignis beispiellos und einzigartig machen. Auf diesen Aspekt werden wir später noch eingehen.
  2. Wenn wir vergleichen, wie das Regime in Peking und wie die herrschende Klasse im Westen mit der Pandemie umgegangen ist, müssen wir feststellen, dass die Überlegenheit des chinesischen Staatskapitalismus überwältigend war.[17] Eine Analyse der offiziellen Zahlen reicht aus, um den Unterschied zu verstehen: Gemessen an der Zahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohner haben die USA eine 400-mal höhere Sterblichkeitsrate als China, während Deutschland eine 200-mal höhere hat.

 

  1. Die vom chinesischen Kapitalismus angehäuften Reserven haben es dem bona- partistischen Regime von Xi Jinping ermöglicht, eine riesige Menge an Ressourcen zu mobilisieren, die Pandemie zu kontrollieren und fast auszurotten. Natürlich wurde dieses bedeutsame Ereignis von den westlichen Medien zensiert.
  2. Als die ersten alarmierenden Anzeichen des Virus auftraten, sperrte die chinesische Regierung die Stadt Wuhan mit ihren 11 Millionen Einwohnern und kurz darauf die Provinz Hubei mit ihren 45 Millionen Einwohnern ein. Der französische marxistische Ökonom François Chesnais erklärte: „Etwa 580.000 Freiwillige vom Land oder aus anderen Städten wurden mobilisiert, um den Einwohnern zu helfen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen... Zwischen Ende Januar und April [2020] trafen 35.000 Ärzte in Wuhan, dem Epizentrum der Epidemie, ein... [und] 12.000 Arbeiter, um zwei spezielle Feldinfektionskrankenhäuser zu bauen, in denen tausende von Menschen mit Covid-19 behandelt wurden. Auch das chinesische Militär entsandte 340 Teams mit insgesamt Tausenden von Militärärzten... der tägliche Bedarf an PSA-Virus-Anzügen in Wuhan belief sich auf 60.000... China produziert normalerweise nur 30.000“. Die Regierung mobilisierte „staatliche Unternehmen im ganzen Land, um die bestehende PSA-Produktion zu beschleunigen und neue Produktionslinien zu errichten... bis Mitte Februar war der PSA-Mangel überwunden. Alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens trugen Schutzanzüge... ein Genetik- und Diagnostikunternehmen namens BGI baute innerhalb weniger Tage das Huo-Yan-Labor in Wuhan, ein voll funktionsfähiges Covid-19-Diagnosezentrum, das Zehntausende von Menschen testen kann“.[18]
  3. Während in den USA und Europa Covid19-Infektionen und Todesfälle an der Tagesordnung sind, ohne dass das Virus jemals vollständig ausgerottet werden konnte, hat China die wenigen Wiederausbrüche innerhalb weniger Wochen niedergerungen.[19] Der letzte Fall der Delta-Vari- ante Ende Juli wurde mit strengen Sperrungen und Eindämmungen, einschließlich aller Transporte, und 100 Millionen Tests innerhalb weniger Tage in jeder der betroffenen Städte bekämpft. Die Technologie spielte eine wirksame Rolle, indem „Echtzeit-Standortdaten von Mobiltelefonen“ in „Server mit künstlicher Intelligenz“[20] eingespeist wurden, die die Wahrscheinlichkeit neuer Infektionsausbrüche berechneten.
  4. Die westliche Bourgeoisie und ihre Wortführer haben auf diese Aktion mit der Behauptung reagiert, in China herrsche eine Diktatur. Doch die „Demokratie“ amerikanischer und europäischer Prägung, die ihre soziale Gerechtigkeit, ihre zivilisatorischen Errungenschaften und ihren fortschrittlichen Geist unter Beweis stellen soll, hat die großen Pharmamonopole bereichert, während Millionen von Menschen in Verwahrlosung sterben mussten. In diesen Demokratien ist die öffentliche Gesundheitsversorgung zerstört worden. Und wenn wir über ehemalige Kolonialländer unter westlichem Einfluss sprechen, wie Indien, die selbsternannte „größte Demokratie der Welt“[21], oder Bolsonaros Brasilien, ist die Bilanz erschreckend.
  5. Wir haben nicht die Absicht, ein idyllisches Bild des KPCh-geführten Regimes zu zeichnen. Auch wenn sie sich in eine rote Fahne mit Hammer und Sichel hüllt, vertritt sie die Interessen der Staatsbürokratie und der neuen chinesischen Bourgeoisie. China ist kein Arbeiterstaat und hat nichts mit Sozialismus zu tun, und der kapitalistische und bonapartistische Charakter der Präsidentschaft Xi Jinpings steht außer Zweifel. Aber die westliche Propaganda wiederzugeben, ist völlige Dummheit.

 

Bruttoanlageinvestitionen (in Billionen Dollar)

 

Jahr

China

USA

Verhältnis (1)

China/USA

 

2000

0,4

2,4

16,7

 

2010

2,9

2,8

103,6

 

2018

5,7

4,3

132,6

 

(1) Prozentsatz chinesischer Investitionen als Anteil derer der USA (Quelle: Indexmundi)

  1. Doch was hat diesen Unterschied möglich gemacht? Die „Wirksamkeit“ von Chinas Plänen zur Bekämpfung der Pandemie wird durch sein gigantisches und starkes Produktions- und Handelsgefüge genährt, das Ausdruck des Fortschritts der Produktivkräfte in den letzten Jahrzehnten ist. Aber es gibt noch etwas anderes, und dieses andere ist wirklich wichtig. Die Nomenklatura, die die KPCh und den Staatsapparat leitet, ist keine Kaste von Emporkömmlingen. Sie sind es seit Jahrzehnten gewohnt, die Schalthebel der Macht zu kontrollieren, und haben ein klares Bewusstsein für ihre eigenen Interessen entwickelt.
  2. Die Elemente der Planung und Zentralisierung in der chinesischen Wirtschaft – ein Erbe des alten deformierten Arbeiterstaates – haben im gegenwärtigen System des Staatskapitalismus ein großes Gewicht und verschaffen ihm einen großen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten. Die prokapitalistische Bürokratie hat zwei Dinge verstanden und den Großunternehmern sogar mit Gewalt und Zwang zu verstehen gegeben. Erstens, dass, wenn die Pandemie ihrer Kontrolle entginge, würde das nicht nur ein oder zwei negative Quartale, sondern einen langen und qualvollen Rückschlag bedeuten. Zweitens war sie nicht bereit zu tolerieren, dass ein Plutokrat so viel Macht in seinen Händen anhäuft, dass er die Macht der staatlichen Bürokratie bedroht.

Ein ganz besonderer Staatskapitalismus

  1. China verzeichnet seit mehr als zwei Jahrzehnten ein spektakuläres Wachstum, während die westliche Wirtschaft seit 13 Jahren in Rezession und Stagnation feststeckt. Wurden Chinas Bruttoanlageinvestitionen im Jahr 2000 auf 400 Milliarden Dollar geschätzt, so erreichten sie 2018 5,5 Billionen Dollar und übertrafen damit den Rekordwert der USA. Es ist keine Anekdote, dass der Wendepunkt genau zwischen 2008 und 2010 stattfand.
  2. Dank dieser massiven Kapitalinvestitionen wurde China zur Fabrik der Welt, und seine Produkte überschwemmten alle Kontinente. Seit 2008 ist der Gesamtwert seiner Ausfuhren nie unter 1,2 Billionen Dollar gefallen, ab 2012 lag die Untergrenze bei über 2,2 Billionen Dollar, und 2020, im Jahr der Pandemie, erreichte er einen Rekordwert von 2,49 Billionen Dollar, womit ein Rekord-Handelsüberschuss von 535,03 Milliarden Dollar erzielt wurde, der höchste seit fünf Jahren! Während der Präsidentschaft Trumps ist das US-Handelsdefizit mit China keineswegs geschrumpft, sondern um 13% gestiegen und hat sich bis 2021 um weitere 19,2% erhöht. Im Jahr 2020 entfielen auf China 30% der weltweiten Produktionsleistung, auf die USA dagegen nur 18%.

Ausländische Direktinvestitionen

(in Millionen Dollar)

Jahr

China

USA

2016

134.000

472.000

2019

140.000

250.000

2020

163.000

134.000

(Quelle: UNCTAD)

  1. Die USA haben ihre Stellung als Bankier der Welt verloren. China ist heute ein Gläubiger von mehr als 5 Billionen Dollar, was 6% des weltweiten BIP entspricht. Der Anteil des asiatischen Riesen an den Gesamtschulden anderer Länder gegenüber den G20-Staaten stieg von 45% im Jahr 2013 auf 63% Ende 2019. China ist nach Japan der größte Inhaber von US-Schulden.
  1. Im Jahr 2020 hat China erstmals die USA als wichtigstes Zielland für ausländische Direktinvestitionen (ADI) überholt: Während die ADI in China um 4% zunahmen, gingen sie in den USA um 49% zurück. Zwischen 2015 und 2020 sind die ausländischen Direktinvestitionen in den USA um 71% zurückgegangen, während sie in China um 20% gestiegen sind. Diese Daten verdeutlichen das Scheitern von Trumps Handelskrieg.
  2. Aber die Veränderungen erstrecken sich auch auf andere, nicht weniger wichtige Bereiche. China kämpft unablässig um die technologische Vorherrschaft, wie die folgende Grafik zeigt:
  3. Obwohl Deutschland im Jahr 2018 prozentual zum BIP mehr für Forschungsinvestitionen ausgab als China, liegt es in Bezug auf die Barmittel zurück: 0,1 Billionen Dollar gegenüber 0,31 Billionen Dollar. In China machen heute mehr Wissenschaftler und Ingenieure ihren Abschluss als in den Vereinigten Staaten, Europa, Japan, Taiwan und Südkorea zusammen, und siebenmal mehr als nur in den Vereinigten Staaten.
  4. Ein weiteres Beispiel ist die 5G-Tech- nologie. China verfügt bereits über 70% der Mobilfunk-Basisstationen mit 5G-Ab- deckung. Das US-Verteidigungsministeri- um stellte fest, dass „China bereit ist, mit 5G zu wiederholen, was mit 4G in den USA passiert ist“. In dieser „vierten industriellen Revolution“ hat die asiatische Macht die Führung bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) übernommen, die schnellsten Supercomputer der Welt und modernsten Computerchips produziert und Meilensteine in der Quantenkryptografie im Bereich der Cybersicherheit erreicht.

Investitionen in Forschung und Entwicklung  (in Prozent am BIP)

 

2018

2010

2000

1998

Weltweit

2,27

2,02

2,06

1,98

USA

2,84

2,74

2,63

2,50

Deutschland

3,09

2,71

2,40

2,21

China

2,19

1,71

0,89

0,65

(Quelle: Weltbank)

  1. Auch die Halbleiterindustrie ist ein Gradmesser für die Fortschritte des asiatischen Powerhauses. Die Industriestrategie der Regierung in Peking, Made in China 2025, zielt darauf ab, 70% der von der chinesischen Industrie verbrauchten Halbleiter selbst zu produzieren (derzeit sind es weniger als 40%), wofür bis 2030 150 Milliarden Dollar investiert werden sollen. China könnte bis 2022 zum zweitgrößten Halbleiterproduzenten der Welt aufsteigen und damit Japan und Südkorea nach Taiwan überholen. Im Jahr 1990 produzierten die USA 37% der weltweiten Halbleiter, heute sind es 12%, weniger als die 15% in China. Daher hat die Regierung Biden der Halbleiterindustrie in den USA bis 2030 Beihilfen in Höhe von 52 Milliarden Dollar bewilligt. Einem Bericht der Boston Consulting Group zufolge ist der Aufbau einer Halbleiterfabrik in China jedoch 37% billiger als in den USA.[22]
  2. Im März 2020 verabschiedete der chinesische Volkskongress einen neuen „Fünfjahresplan“, der 1,4 Billionen Dollar zur Förderung neuer technologischer Entwicklungen vorsieht. Sogar im Wettlauf um den Weltraum hat China die USA überholt und die erste Mission auf die andere Seite des Mondes geschickt. Nach Angaben der Weltbank ist Chinas Hightech-Produktion von mageren 3% im Jahr 1999 auf 26% im Jahr 2014 gestiegen, während der Anteil der USA von 18% auf 7% zurückgegangen ist. Diese Zahlen werden für die Amerikaner heute zweifellos noch viel schlechter sein.[23]
  3. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die chinesische stalinistische Bürokratie, als sie den Prozess der kapitalistischen Restauration einleitete, die chaotische Art und Weise, in der die UdSSR aufgelöst wurde, sehr genau studierte. Im Gegensatz zur KPdSU beschloss die KPCh-Führung, die Demontage der Planwirtschaft zu steuern, indem sie ihre Interessen um jeden Preis schützte, und setzte auf die Beibehaltung einer starken Zentralisierung und eines mächtigen Staatssektors. Partei und Staat verschmolzen weiter, wenn auch als Werkzeuge im Dienste der kapitalistischen Akkumulation.
  4. China profitierte in den 1990er Jahren und bis ins 21. Jahrhundert hinein von umfangreichen westlichen Kapitalinvestitionen. Massive Fabrikverlagerungen in den USA und Europa führten zu einer bemerkenswerten Veränderung der globalen Arbeitsteilung. Hunderte von Millionen neuer Proletarier kamen aus den ländlichen Gebieten in die chinesischen Städte. Niedrige Löhne und lange Arbeitszeiten waren unabdingbar, um die Wettbewerbsfähigkeit der westlichen Unternehmen und ihre Gewinne zu steigern. Doch dieser Prozess, der die chinesischen Produktivkräfte eindeutig voranbrachte, hatte weitere Folgen.
  5. Sowohl die chinesische Bürokratie als auch die Bourgeoisie nutzten die sich rasch entwickelnden objektiven Bedingungen, um mit den Großmächten zu konkurrieren. Die enormen Kapitalmengen, die ihnen dank des Handelsüberschusses zur Verfügung standen, ermöglichten es ihnen, ihren Bedarf an Rohstoffen zu decken und weltweit Investitionen in Millionenhöhe zu tätigen. Lateinamerika, Mittelamerika, Afrika und viele asiatische Länder sind zunehmend von chinesischen Käufen und Krediten abhängig.
  6. Doch bis heute – und das ist ein wesentlicher Aspekt – bestimmt die ehemals stalinistische, pro-kapitalistische Nomenklatura, die den Staatsapparat kontrolliert, die Wirtschaftspolitik und jene Oligarchen disziplinieren will, die zwangsweise der KPCh angeschlossen sind und die ihre Autorität und die Stabilität des Systems gefährden. Die Bürokratie und die neue Bourgeoisie bilden ein und dieselbe herrschende Klasse, aber es gibt offensichtliche Widersprüche und divergierende Interessen innerhalb dieser Klasse, die vorerst abrupt aufgelöst werden. Die Bürokratie will das Ruder nicht aus der Hand geben, und so sind Zusammenstöße vorprogrammiert.
  7. Im bürgerlichen Regime entscheidet die Wirtschaftsmacht über alle inhaltlichen Fragen und gestaltet den Staatsapparat nach ihren Bedürfnissen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die herrschende Klasse unter bestimmten historischen Umständen von Revolution und Konterrevolution die direkte Verwaltung ihrer Interessen, einschließlich ihrer wirtschaftlichen Interessen, zu erheblichen Kosten an eine bonapartistische, militärische oder faschistische Kaste abgibt.
  8. Dies geschah in Nazi-Deutschland und im faschistischen Italien. Selbst in den USA musste die Regierung Roosevelt in den Jahren des New Deal einige große Monopole zügeln, die einen regelrechten Bürgerkrieg gegen die Arbeiterbewegung entfesseln wollten, um die Stabilität des Systems insgesamt zu retten. Mit der Unterstützung der Gewerkschaftsbürokratie und der Stalinisten gelang es ihm mit Mühe, die Arbeiterunruhen jener Jahre (1934-37) einzudämmen und die amerikanische Intervention im Zweiten Weltkrieg vorzubereiten.
  9. Der Unterschied zu China besteht darin, dass das gegenwärtige staatskapitalistische Regime aus der Hand einer mächtigen Bürokratie hervorgegangen ist, die einen deformierten Arbeiterstaat führte, und es ist dieselbe Bürokratie, die an der Spitze der Verwaltung steht, über die grundlegenden Angelegenheiten des Landes entscheidet und, obwohl sie die daraus resultierenden Vorteile mit der Bourgeoisie und einer wachsenden Elite von Milliardären teilt, eifersüchtig auf ihre Macht ist und einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb hat. Dieser objektive Widerspruch ist noch nicht gelöst und muss im Auge behalten werden, denn er wird in Zukunft starke Konflikte schüren.
  10. Die Zerschlagung von Alibaba, einem der führenden multinationalen Unternehmen Chinas, und das monatelange Verschwinden seines Gründers und Vorsitzenden Jack Ma, der zum reichsten Mann Chinas aufstieg, ist ein deutliches Beispiel dafür, wovon wir hier sprechen. Das Unternehmen stand kurz vor dem größten Börsengang der Geschichte (34,5 Milliarden Dollar), bis er von den chinesischen Behörden ausgesetzt wurde. Jack Ma hatte ein Finanzimperium aufgebaut, eine regelrechte Schattenbank, die im Falle einer Zahlungseinstellung die Stabilität des Landes gefährden könnte. Neben Alibaba wurden auch andere große Technologieunternehmen wie Tencent und kürzlich das an der Wall Street notierte Unternehmen Didi auf der Grundlage einer im November 2020 verabschiedeten neuen „Anti-Monopol“-Verordnung mit Geldbußen belegt. Auch die Möglichkeit, dass diese Unternehmen zu einem Brückenkopf für US-Interessen werden, wiegt schwer.[24]
  11. Das chinesische Regime weiß um die Bedeutung der inneren Stabilität. Die Plutokratie ist sehr groß geworden. Milliardäre wie Zhong Shanshan, Eigentümer des Wasserunternehmens Nongfu Spring mit einem Nettovermögen von mehr als 70 Milliarden Dollar, oder die neun Eigentümer der Autofirmen des Landes, die ihr Gesamtvermögen seit Juli 2020 um mehr als 22 Milliarden Dollar gesteigert haben, oder diejenigen, die den Sektor der erneuerbaren Energien kontrollieren, erinnern daran, dass die soziale Ungleichheit in die Höhe geschnellt ist.
  12. Wenn wir uns den asiatischen Riesen ansehen, sehen wir allerdings andere Klassenverhältnisse als in anderen Teilen der Welt. Die Entwicklung der letzten Jahre ist bemerkenswert. Im Jahr 1990 stellten die USA und Westeuropa drei Viertel der weltweiten Mittelschicht, obwohl sie nur ein Drittel der Gesamtbevölkerung stellten. Im Jahr 2018 sind fast 50% der neuen Mittelschichten in China angesiedelt, während die letzteren in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern einen Prozess der Verarmung und Proletarisierung durchlaufen haben.[25]
  13. Zwischen 2008 und 2019 haben sich die Reallöhne in China verdoppelt, so dass die chinesischen Löhne 2016 die der größten lateinamerikanischen Länder und einiger EU-Länder wie Rumänien und Bulgarien übertrafen. Der durchschnittliche Stundenlohn in der chinesischen Industrie hat sich zwischen 2005 und 2016 verdreifacht und liegt nun bei 3,60 US-Dollar. Im gleichen Zeitraum sank der Industrielohn in Brasilien von 2,90 auf 2,70 US-Dollar und in Mexiko von 2,20 auf 2,10 US-Dollar.[26]
  14. Die Logik des „Bereichert euch“, die von der KPCh-Führung jahrzehntelang verkündet wurde, hat das soziale Gefüge durchdrungen und ist in das Bewusstsein weiter Teile der Bevölkerung eingedrungen. Aber die enorme Zunahme der Ungleichheit hat das Regime gezwungen, auf Demagogie und Repression zurückzugreifen, um seine Unterstützung zu erhalten. In einer Rede im Jahr 2020 behauptete Premierminister Li Keqiang, dass etwa 600 Millionen Menschen nur über ein monatliches Einkommen von 1.000 Yuan (154 $) verfügen.
  15. Seit Xi Jinping an der Macht ist, hat die wirtschaftliche und politische Dezentralisierung erheblich zugenommen, ebenso wie Propagandacoups, um die neue chinesische Bourgeoisie zu disziplinieren. Zahlreiche Geschäftsleute, allesamt Parteimitglieder, wurden unter dem Vorwand der Korruption aus dem Verkehr gezogen und vor Gericht gestellt. Diese Manöver gehen einher mit einer Intensivierung des nationalistischen Diskurses, wie wir bei den jüngsten Feierlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen der KPCh gesehen haben.
  16. Trotz des autoritären Charakters des Staates, der extremen Ausbeutung der Arbeitskräfte und der entsetzlichen Umweltzerstörung genießt das chinesische Regime derzeit mehr Unterstützung im Inland als alle seine Konkurrenten. Dies ist unbestreitbar und hat sich deutlich in der Abwesenheit von Solidaritätsmobili- sierungen mit der Bewegung in Hongkong gezeigt, was zum Teil auf die Politik der so genannten „demokratischen Opposition“ zurückzuführen ist, die sich in die Arme des Imperialismus gestürzt hat, aber auch auf die Reaktion auf die Pandemie und die anhaltenden wirtschaftlichen Wachstumsraten.
  17. Dennoch ist der Klassenkampf in China nicht verschwunden. Zwischen 2015 und 2018 kam es zu einer deutlichen Eskalation betrieblicher Kämpfe. Im Jahr 2016 verzeichnete das chinesische Ministerium für Humanressourcen und soziale Sicherheit 1,8 Millionen Arbeitskämpfe, was einem Anstieg von 118 % gegenüber 2015 entspricht. Gleichzeitig mit dem Aufstieg des chinesischen Imperialismus zu einer neuen Weltmacht wird das chinesische Proletariat ein wichtiger Verbündeter im Kampf des Weltproletariats sein.
  18. Angesichts der engen Zusammenarbeit des offiziellen Gewerkschaftsbundes ACGB mit der herrschenden Klasse gab es in dieser Zeit wilde Streiks, die die Bürokratie überwältigten und ein erhebliches revolutionäres Potenzial aufwiesen. Ein Beispiel war der Streik der Arbeiter in der Jasic-Fabrik in Shenzhen in der Provinz Guandong 2018, die als Musterbeispiel für liberalen Kapitalismus und Privatisierung in China gilt. Der Streik wurde von einem Komitee der Volkssolidarität unterstützt, dessen Aktivisten wegen ihrer marxistischen und „maoistischen“ Ausrichtung Opfer harter staatlicher Repressionen wurden.
  19. Der Rückgriff auf die Fahne des „Maoismus“, vor allem in Teilen der Jugend und der Studentenschaft, drückt in verzerrter Form auch die Suche nach den echten Ideen des Marxismus angesichts des ideologischen Betrugs der offiziellen Kommunistischen Partei aus, die an der Spitze des staatlichen kapitalistischen Regimes steht.
  20. China wird nicht in der Lage sein, die sozialen Verwerfungen, unter denen die übrigen kapitalistischen Mächte leiden, auf Dauer zu vermeiden. Der Fall Russland ist in dieser Hinsicht sehr anschaulich. Putins Regime hat in den letzten zwei Jahrzehnten vom Anstieg der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt und dem völligen Fehlen einer politischen Opposition profitiert. In den letzten Jahren wurde sein Fundament jedoch durch die wirtschaftliche und soziale Krise des Landes stark untergraben,und die Verschärfung der Repressionen hat ihm keine weitere Unterstützung gebracht. Die nach der Inhaftierung Nawalnys ausgelösten Mobilisierungen sind ein Zeichen für die wachsende Unzufriedenheit im Land, ebenso wie der Rückschlag von „Einiges Russland“ und der Aufstieg der Kommunistischen Partei bei den Dumawahlen. Den politischen Entwicklungen in Russland in der kommenden Zeit muss große Aufmerksamkeit gewidmet werden, da das Potenzial für groß angelegte Massenbewegungen besteht.
  21. In China wurden die wirtschaftlichen Ungleichgewichte vorübergehend mit staatlichen Investitionsplänen gemildert, wie sie in keinem anderen Land zu finden sind, aber die Verschuldung der öffentlichen Hand und der Banken wächst sehr schnell, ebenso wie die Gefahr des Konkurses großer Unternehmen, die mit dem Immobiliensektor verbunden sind, wo die Spekulationsblase außer Kontrolle geraten ist und mit sehr negativen Auswirkungen platzen kann.[27] Andererseits haben die Verpflichtungen, die das imperialistische Regime in Peking als globale Supermacht tagtäglich eingeht, ganz klare Konsequenzen: Es wird sich mit großen politischen und militärischen Herausforderungen auseinandersetzen müssen, und seine Wettbewerbsvorteile werden mit der Verschärfung der wirtschaftlichen Rezession unweigerlich schwinden.

Der Kampf um die Vorherrschaft spitzt sich zu

  1. Der Kampf zwischen den beiden Großmächten ist in eine neue Phase eingetreten. Es sind gerade die Niederlagen, die der US-Imperialismus erlitten hat, die das Weiße Haus dazu veranlassen, den Kampf zu vertiefen. Es steht zu viel auf dem Spiel und hat nicht nur Auswirkungen auf die Außenmacht der USA, sondern auch auf die Zukunft des Kapitalismus innerhalb ihrer Grenzen. Der Konflikt zwischen den beiden Mächten um die Weltherrschaft wird sich mit unvorhersehbaren Folgen für die Wirtschaft und die internationalen Beziehungen – einschließlich neuer regionaler und lokaler Kriege – verschärfen und den Klassenkampf weiter anheizen.
  2. Der chinesische Kapitalismus befindet sich in einer Phase des Aufstiegs, und die Auswirkungen der gegenwärtigen Krise bei seinen Konkurrenten werden ihm wahrscheinlich einen noch höheren Aufstieg ermöglichen. Aber er ist nicht gepanzert. Es muss betont werden, dass es sich nicht um einen tugendhaften Kapitalismus handelt, der seine Widersprüche überwinden kann. Kein Land, keine Volkswirtschaft, so mächtig sie auch sein mag, kann sich in dieser Epoche des imperialistischen Niedergangs vom Weltmarkt und seiner organischen Krise abkoppeln.
  3. Trotz der Rolle Chinas hat sich das Krebsgeschwür, das die Weltwirtschaft befallen hat, weiter verschlimmert. Wie der Marxismus erklärt, bedeutet der anarchische Charakter der kapitalistischen Produktion, die von blinden Marktkräften und dem individuellen Profitmotiv angetrieben wird, dass die kapitalistische Akkumulation früher oder später an objektive Grenzen stößt. Obwohl die chinesische Wirtschaftskraft in der Krise 2007-2008 dazu beigetragen hat, einen völligen Zusammenbruch zu verhindern, geschah dies auf der Grundlage der Schaffung neuer Widersprüche und der Ankurbelung der Überproduktion.
  4. Die G7-Staaten haben auf ihrem letzten Gipfel ein Kommuniqué herausgegeben, in dem sie China direkt für seine „schädlichen Industriesubventionen, einschließlich derjenigen, die zu erheblichen Überkapazitäten führen, [und] die mangelnde Transparenz hinsichtlich der Rolle des Staates in der Wirtschaft“ verantwortlich machen. China produziert derzeit 53,3% und 57% des weltweiten Stahls und Aluminiums, und nach Ansicht des Westens trägt seine Politik der staatlichen Subventionen dazu bei, „die Preise zu drücken, die Rentabilität zu untergraben, schädliche Handelsverzerrungen zu erzeugen, regionale Ungleichgewichte zu schaffen und die globalen Handelsbeziehungen zu destabilisieren“[28]. Das Kommuniqué endet mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit von Maßnahmen gegen illegal subventionierte Überkapazitäten, d. h. gegen China.
  5. Was die europäische und amerikanische Bourgeoisie jedoch verschweigt, ist, dass die Überproduktion in der ganzen Welt verbreitet ist. Die weltweite Stahlindustrie, die bereits vor Covid19 unter Überkapazitäten litt, hat ihre Produktion bis 2020 um 1,5 %, im Falle Chinas sogar um 5,2 %, erhöht. Die OECD schätzt die Überproduktion auf 704 Millionen Tonnen, wovon 16 % auf China entfallen. [29]
  6. Der Wettlauf zwischen China und den USA um die wirtschaftliche Vorherrschaft bedeutet, dass sich die Tendenzen zur Überproduktion verstärken und die Ungleichgewichte zunehmen. Wie Lenin erklärte, „teilen die Welt nicht etwa aus besonderer Bosheit unter sich auf, sondern weil die erreichte Stufe der Konzentration sie zwingt, diesen Weg zu beschreiten, um Profite zu erzielen; dabei wird die Teilung „nach dem Kapital“, „nach der Macht“ vorgenommen – eine andere Methode der Teilung kann es im System der Warenproduktion und des Kapitalismus nicht geben.“[30]
  7. Der chinesische Imperialismus wird immer anmaßender, und das aus gutem Grund. Eines der Ergebnisse der Covid-19-Krise ist, dass sie Chinas Stärke bei der Kontrolle von Rohstoffquellen und Lieferketten offenbart hat[31], was die amerikanische und europäische Industrie ernsthaft beeinträchtigt.
  8. Dasselbe gilt für den internationalen Handel: Im November letzten Jahres erzielte China mit dem von 15 Ländern des asiatisch-pazifischen Raums unterzeichneten Regionalen Umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (RCEP) einen weiteren Erfolg. Ihre Mitglieder zählen mehr als 2,2 Milliarden Menschen, machen etwa ein Drittel der Weltwirtschaft aus und erwirtschaften zusammen ein BIP von etwa 26,2 Billionen Dollar in der am schnellsten wachsenden Region der Welt. Eine gute Antwort auf den von den USA entfesselten Handelskrieg: China exportiert bereits mehr nach Südostasien als in die USA oder nach Europa.[32]
  9. In Afrika stiegen die chinesischen Investitionen zwischen 2014 und 2018 um 43%, während die der USA um -30,4 %, die Großbritanniens um -26,9 % und die Frankreichs um -11,7 % sanken. Dieser Kontinent ist ein Schlüsselkontinent in Bezug auf Mineralienreserven und Rohstoffe für die Entwicklung aufstrebender Industrien wie Elektroautos. Eines davon ist Kobalt, wobei die Demokratische Republik Kongo über 52% der weltweiten Reserven verfügt und China 50% der Minen besitzt.[33] Außerdem besitzt China mehr als 80% der Kobalt-Raffineriekapazität.
  10. Die Dominanz der Shanghaier gegenüber der Londoner Metallbörse ist auf ihre Vorherrschaft bei kritischen Rohstoffen (Kobalt, Germanium, Beryllium usw.) zurückzuführen, die für die Entwicklung der aufstrebenden Industrien für erneuerbare Energien[34], Robotik, Batterien, Drohnen und Smartphones von grundlegender Bedeutung sind. China ist der größte Produzent solcher Rohstoffe und gleichzeitig der Hauptimporteur von Rohstoffen, die in anderen Teilen der Welt abgebaut werden: „Selbst wenn sie aus alternativen Lagerstätten gewonnen werden, wird der größte Teil der Verarbeitung in China durchgeführt, bevor sie wieder exportiert werden“, sagt Hans Günter Hilpert, Leiter der Abteilung Asienforschung der deutschen Denkfabrik SWP.[35] Außerdem ist China seit kurzem der größte Ölraffinerie- betreiber der Welt und hat damit die USA überholt.[36]
  11. Eine weitere Tatsache weist auf den tiefgreifenden Wandel hin, der sich vollzieht. Im Jahr 2020 wurde die EU zum größten Handelspartner Chinas, wobei ihre Ausfuhren um 2,2% und ihre Einfuhren um 5,6% stiegen, während sie im Vergleich dazu im Handel mit den USA um 13,2% bzw. 8,2% zurückgingen. Der Güterzug zwischen China und der EU, der Teil der Neuen Seidenstraße ist, hat bereits mehr als 40 000 Fahrten durchgeführt und dabei Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar transportiert, was sich für die Aufrechterhaltung der Lieferketten während der Pandemie als entscheidend erwiesen hat.[37]
  12. Chinas grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen, insbesondere in Europa, haben bis 2020 um 268% zugenommen, und China ist erstmals führend bei den Patentanmeldungen in Europa, noch vor Deutschland und den USA.
  13. Europa ist zunehmend zwischen China und den USA gefangen. Während vor 20 Jahren noch ein Drittel der Weltproduktion auf den alten Kontinent entfiel, ist dieser Anteil heute auf 15% gesunken. Daher die schizophrene Haltung der führenden Politiker, die sich eine Woche lang mit Biden treffen, um China für seine mangelnde Achtung der Menschenrechte zu verurteilen, um sich dann mit Xi Jinping zu treffen und zu argumentieren, dass eine Annäherung an die USA gegenüber China „kontraproduktiv“ wäre.
  14. Der Versuch der USA, verlorene Posten zurückzugewinnen, ist daher kein Traum von Trump und den rechtsextremen Sektoren der Republikanischen Partei, sondern eine zwingende Notwendigkeit für die amerikanische Bourgeoisie. Biden hat den gleichen nationalistischen Diskurs und die Feindseligkeit gegenüber China beibehalten und neue Maßnahmen wie das Verbot von Investitionen in 59 Unternehmen mit Verbindungen zur chinesischen Rüstungsindustrie, darunter Huawei, gebilligt. Der von der Regierung Biden angekündigte 6-Billionen-Dollar-Plan und der mit republikanischer Unterstützung angenommene Teil, der der Modernisierung der US-Infrastruktur gewidmet ist, sind Teil dieses Wirtschaftskriegs.[38]
  15. Die Verschlechterung der Qualität der US-Infrastruktur ist ein gutes Spiegelbild des wirtschaftlichen Niedergangs der USA. Lagen sie 2002 noch an fünfter Stelle, was die Qualität ihrer Infrastruktur anbelangt, so ist sie 2019 auf den dreizehnten Platz zurückgefallen, mit einer Note von C- laut der American Society of Civil Engineers und einem Rückgang der öffentlichen Investitionen von 2,7% des BIP auf 0,7%. Der Council on Foreign Relations stellte in einem Bericht vom April dieses Jahres fest: „Die Infrastruktur der USA ist gefährlich überlastet und liegt hinter der ihrer wirtschaftlichen Konkurrenten, insbesondere Chinas, zurück“. Infolge dieser Situation haben die USA in jüngster Zeit verheerende Folgen und Schäden durch den Hurrikan Ida, Zusammenbrüche des Stromnetzes, wie sie im Februar dieses Jahres in Texas infolge eines beispiellosen Wintersturms auftraten, oder Cyberangriffe erlebt, die strategische Infrastrukturen wie die Colonial Pipeline im Mai dieses Jahres lahmgelegt haben, die den größten Teil der US-Ostküste mit Energie versorgt.[39]
  16. Bidens militärische Aggression steht der Trumps in nichts nach. Das von den Demokraten geführte Weiße Haus hat gerade den größten Militärhaushalt in der Geschichte für das nächste Jahr vorgelegt: 753 Milliarden Dollar, davon 24,7 Milliarden Dollar für Atomwaffen. Die Aussichten könnten nicht weiter von Stabilität und guter Nachbarschaft entfernt sein. Der Ton wird immer apokalyptischer.
  17. Mitte September hat der Kampf zwischen den beiden Mächten mit der Unterzeichnung eines strategischen Sicherheitsabkommens zwischen den USA, dem Vereinigten Königreich und Australien zur Sicherung ihrer Interessen in der indopazifischen Region einen neuen Schritt nach vorn gemacht. Das Abkommen wird Pläne für eine stärkere Integration gemeinsamer Initiativen in der verteidigungsbezogenen Forschung, der technologischen und industriellen Entwicklung beinhalten und Australien in einem ersten Schritt in die Lage versetzen, sich mit den neuesten atomgetriebenen U-Booten auszustatten. In den kommenden Wochen wird Biden wahrscheinlich versuchen, Japan und Indien in die Initiative einzubeziehen. Die jüngste Reise von Kamala Harris nach Südostasien diente zweifelsohne der Vorbereitung dieses Themas.
  18. In Erwartung der Reaktion Pekings ist das erste große Opfer dieses Abkommens Frankreich, das einen 40-Milliarden-Dollar-Vertrag zur Erneuerung der australischen Atom-U-Boot-Flotte verliert. Ein Umstand, der dazu beiträgt, das Bündnis der EU mit dem US-Imperialismus weiter aufzubrechen, und der die Spannungen auf ein noch nie dagewesenes Niveau gebracht hat, da die Regierung Macron die Botschafter der USA und Australiens zu Konsultationen abberufen hat. Ein weiterer Beweis für die Fragilität des globalen Schachbretts und dafür, wie jeder Zug der USA in eine Richtung ihre Versuche zunichtemachen kann, strategische Allianzen mit europäischen Schlüsselmächten wie Frankreich oder Deutschland wiederzuerlangen.
  19. China hat sofort reagiert und erklärt, dass ein solches Abkommen eine Bedrohung für seine nationale Sicherheit darstelle. Im vergangenen Jahr hat China den Druck auf Australien weiter erhöht, indem es Zölle auf Schlüsselindustrien wie Kohle, Gerste und Wein erhob und seine Investitionen um 27% reduzierte. Australiens wirtschaftlicher Aufschwung in den letzten Jahrzehnten war durch den exponentiellen Anstieg seiner Exporte von Rohstoffen und Produkten nach China bedingt. Mehr als 40% des Handels werden mit China abgewickelt, gegenüber weniger als 30% mit den OECD-Ländern, was die australische Regierung in der kommenden Zeit in große wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt.
  20. Taiwan ist zu einem Brennpunkt der wachsenden Spannungen zwischen den USA und China geworden. Die KPCh hat in den letzten Jahren den Druck auf die „abtrünnige Provinz“ erhöht, indem sie in den letzten Monaten Kampfjets in den taiwanesischen Luftraum schickte und mit dem Bau eines Tunnels zur Insel begann.
  21. Obwohl eine direkte militärische Konfrontation mit dem US-Marionettenregime in naher Zukunft unwahrscheinlich ist, können die USA und ihre Verbündeten die Taiwan-Frage als Grundlage für eine aggressivere Politik in den kommenden Jahren nutzen, insbesondere angesichts der strategischen Bedeutung Taiwans und des Südchinesischen Meeres im Pazifikraum, wo die USA in den letzten Jahren ihre Präsenz in Vorbereitung auf eine direktere Konfrontation mit China verstärkt haben. Es sollte nicht vergessen werden, dass Taiwan kein Dritte-Welt-Land ist, sondern vor allem an der Westküste strategische Industrien wie die Produktion von Halbleitern und wichtiger elektronischer Produkte konzentriert, die für den globalen Kapitalismus und die Interessen des US-Imperialismus von zentraler Bedeutung sind.

USA unter extremer Polarisierung

  1. Auch innenpolitisch sind die Folgen der Katastrophe in Afghanistan zu spüren. Einer kürzlich in USA Today veröffentlichten Umfrage zufolge ist Bidens Zustimmung durch den Truppenabzug auf 41% gesunken, 55% lehnen ihn ab, und nur 26% sind derzeit mit seiner wirtschaftlichen Leistung einverstanden. Wahrscheinlich sind diese Zahlen stark übertrieben, aber sie zeigen einen deutlichen Trend.
  2. Trump wurde bei den Wahlen dank einer historischen Mobilisierung der Wählerschaft und nach einem gewaltigen Massenkampf besiegt, der Millionen afroamerikanischer, weißer und lateinamerikanischer Frauen, Jugendlicher und Arbeiter dazu brachte, in den vier Jahren seiner Amtszeit die Straßen zu füllen, was in dem sozialen Aufstand nach dem Tod von George Floyd gipfelte. Zwischen Mai, Juni und Juli 2020 nahmen zwischen 15 und 26 Millionen Menschen an den Protesten teil, die die USA von einem Ende zum anderen durchzogen.
  3. Aber diese Wahlniederlage hat nicht, wie von vielen Linken vorhergesagt, das Verschwinden von Trump oder eine Schwächung des Trumpismus bedeutet, sondern bestätigt, dass wir mit grundlegenden Trends konfrontiert sind, die sich weiterhin aus der sozialen Zersetzung speisen, die durch einen Kapitalismus in der Krise hervorgerufen wird.[40]
  4. Nach den Wahlen im November ist Trump stärker geworden und hat seine Wählerbasis unter Millionen von wütenden Kleinbürgern und rückständigen Teilen der Arbeiterklasse, die von der Rezession niedergeschlagen und in ihrem Stolz über den unabänderlichen Niedergang des amerikanischen Imperiums verletzt sind, verbreitert und gefestigt. Ihr rassistischer und chauvinistischer Diskurs, ihr wütender Nationalismus, ihr verachtenswerter Machismus und ihre Appelle gegen den Sozialismus und den Kommunismus sind nicht die Witzeleien eines Verrückten, sondern ein Banner, unter dem sich dieser soziale Staub angesichts einer wachsenden antikapitalistischen Massenbewegung, die die Privilegien der herrschenden Klasse in Frage stellt, sammeln kann.
  5. Seine Weigerung, die Wahlergebnisse anzuerkennen und damit die Mechanismen der amerikanischen bürgerlichen Demokratie in Frage zu stellen, und seine direkte Verantwortung für den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar dieses Jahres haben zwar keine rechtlichen Konsequenzen, aber zweifellos weitreichende politische Auswirkungen.[41]
  6. Das zweite Amtsenthebungsverfahren wegen Aufwiegelung zum Aufstand endete mit einem Freispruch, dank der massiven Unterstützung durch republikanische Senatoren und Kongressabgeordnete. In der Folge hat Trump weitere Schritte unternommen, um die Kontrolle über die Republikanische Partei zu erlangen, indem er die Sektoren, die eine Rückkehr zu den guten alten Zeiten des gemäßigten konservativen Republikanismus anstrebten, aus dem Weg räumte. Das Abdriften der Republikaner in Richtung der extremen Rechten ist und wird sich weiter verstärken, wie die aktuelle Offensive der reaktionärsten Teile der Republikaner im Einklang mit Trumps Vorschlägen zeigt.
  7. In den letzten Monaten haben die von den Republikanern kontrollierten Bundesstaaten ultrakonservative Gesetzesinitiativen gegen Frauenrechte, Transgender-Rechte, Minderheitenrechte und demokratische Rechte auf den Weg gebracht. Texas und Arkansas haben den Schwangerschaftsabbruch in praktisch allen Fällen verboten, womit sich die Zahl der Staaten, die neue Einschränkungen eingeführt haben, auf 19 erhöht. Weitere 10 Staaten haben die Rechte von Transgender-Per- sonen eingeschränkt. In Georgia, Texas, Arizona oder Florida wurden neue Gesetze verabschiedet, die das Wahlrecht von Minderheiten oder die Briefwahl einschränken. In fünf Bundesstaaten wurden sogar Verordnungen erlassen, die den Unterricht über die Geschichte der Sklaverei einschränken, und in Oklahoma wird Autofahrern, die einen Demonstranten töten oder verletzen, Immunität gewährt, wenn sie angeben, vor einem Aufstand zu fliehen.[42]
  8. Der Trumpismus ist eine wichtige militante Basis. Ein gutes Beispiel dafür war das Abberufungsreferendum, mit dem der demokratische Gouverneur von Kalifornien aus dem Amt entfernt werden sollte, weil er sich gegen die Todesstrafe ausgesprochen hatte, weil er Obdachlosen und Einwanderern gegenüber nachsichtig war und für die Art und Weise, wie er mit der Pandemie umgegangen war. Um das Referendum durchzusetzen, mussten sie 1,5 Millionen Unterschriften sammeln, was ihnen auch gelang. Obwohl sich der Gouverneur mit 63% der Stimmen durchsetzen konnte, spiegelte der Wahlkampf ein hohes Maß an Mobilisierung und Organisation seitens der Trump-Basis wider. Eine ernste Warnung für die Zukunft.
  9. Die Behauptung, dass Trump isoliert ist und dass diese Situation der herrschenden Klasse und dem Staatsapparat fremd ist, wie es nach dem Putschversuch der Fall war, ist lächerlich. Die Informationen, die nach einer unvollständigen und widerwillig durchgeführten Untersuchung an die Öffentlichkeit gelangt sind, haben die Beteiligung oder Sympathie wichtiger Polizei- und Militärkommandeure an dem Staatsstreich bestätigt. Obwohl die herrschende Klasse in den USA noch nicht bereit ist, eine Diktatur zu errichten, vor allem aus Angst, eine revolutionäre Situation auszulösen, sympathisiert sie mit Trump in seiner Härte gegenüber der Arbeiterklasse, den Unterdrückten und der Linken. Es lag noch nie in der DNA des amerikanischen Staatsapparates, die Demokratie zu verteidigen. Wenn sie sich morgen durch die Rebellion der Unterdrückten bedroht fühlen, werden sie nicht zögern, ihre demokratischen Traditionen auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen.
  10. Die extreme Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft und der starke Bruch ihres inneren Gleichgewichts wurden durch jahrzehntelangen institutionellen Rassismus und Polizeibrutalität, Sozialabbau und eine erdrückende Ungleichheit, die Dutzende von Millionen Menschen in Ausgrenzung und Armut gestürzt hat, genährt. Gleichzeitig hat eine Minderheit von Oligarchen ein enormes Vermögen angehäuft und ist die mächtigste Clique des Landes. Das ist die Ursache für die Krise der amerikanischen bürgerlichen Demokratie und die Spaltung der Bourgeoisie. Die Covid19-Krise oder die jüngste Niederlage in Afghanistan verstärken diese Tendenzen noch.
  11. Trotz der ständigen Propaganda der Reformisten über die Güte der Regierung Biden ist der Führer der Demokraten ein echter Vertreter der Wall Street. Seine „Rettungspläne“ treten in die Fußstapfen der von Trump unter Covid19 gebilligten Pläne, mit denen die multinationalen US-Unternehmen mit Milliarden überschüttet werden. Der wichtigste davon, der bereits in einem breiten Konsens zwischen Republikanern und Demokraten verabschiedet wurde, ist der Infrastrukturplan, der sich auf 1,2 Billionen Dollar beläuft. Ziel ist es, die veralteten Infrastrukturen zu erneuern, um unter anderem mit China konkurrieren zu können, das dreimal so viel wie die USA für diesen Bereich ausgibt.
  12. Der andere Teil des Plans, die angeblichen sozialen Punkte, sind aufgrund des Widerstands der Republikaner und sogar eines Teils der konservativsten Demokraten in der Schwebe. Darüber hinaus hat die Regierung Biden bereits angekündigt, dass sie die während der Pandemie genehmigten Programme zur Arbeitslosenunterstützung nicht verlängern wird: 7,5 Millionen Amerikaner könnten ohne diese lebenswichtige Absicherung dastehen. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen lag im August bei 8,4 Millionen, und weitere 5,7 Millionen waren laut dem jüngsten Bericht des Bureau of Labor Statistics nicht offiziell erfasst, aber auf der Suche nach Arbeit.
  13. Inzwischen hat der Oberste Gerichtshof das Moratorium für Zwangsräumungen wegen Nichtzahlung der Miete aufgehoben, so dass laut einer Erhebung des US Census Bureau vom August etwa 3,5 Millionen Menschen von der Zwangsräumung ihrer Wohnungen bedroht sind. Das ist die fortschrittliche Politik des Meisters der neuen reformistischen Linken!
  14. Um diese Pläne zu finanzieren, hat Biden vorgeschlagen, den Körperschaftssteuersatz von 21% auf 28% anzuheben, worüber noch verhandelt wird und was von den Republikanern abgelehnt wird. Das wäre weit entfernt von den 35%, die es vor der von Trump durchgesetzten und von den Demokraten unterstützten Steuerreform gab, die eine direkte Finanzspritze von 205 Milliarden Dollar in die Taschen der reichsten 20% der Bevölkerung bedeutete. Was die Rückgängigmachung von Trumps 2 Billionen Dollar an Kürzungen bei Sozialprogrammen angeht: gar nichts.
  15. Bidens Flitterwochen könnten bald zu Ende sein. Das Versprechen, bis zum Ende des Sommers 70% der Bevölkerung zu impfen, ist gescheitert, und die Quote verharrt bei 52%. Die Delta-Variante richtet erneut Schaden an und verlangsamt die Erholung der Beschäftigung und der Wirtschaft.
  16. Es gibt keine offen revolutionäre Situation in den USA, aber es gibt revolutionäre Züge im Klassenkampf, der in diesem Land seit Jahren tobt. Die Erfahrungen dieser historischen Periode haben sich in einem Linksruck im Bewusstsein großer Teile der Arbeiterklasse und der Jugend niedergeschlagen. Die antirassistische Massenbewegung, die die Unterdrückten entlang der Klassengrenzen mit einem trotzigen antikapitalistischen Potenzial vereint hat, ist das Ergebnis dieses Prozesses und war der Schlüssel zum Sieg über Trump. Aber die konterrevolutionäre Reaktion hat auch eine mächtige Armee mobilisiert, und nicht unerhebliche Teile der Bourgeoisie waren von Anfang an daran beteiligt. Zweifellos sind die USA einer der Hauptkandidaten für revolutionäre Ausbrüche mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Welt.

Die Europäische Union: mehr Austerität, mehr Klassenkampf

  1. Was die Europäische Union betrifft, ist die Lage noch schlimmer. Ihre außenpolitische Agenda beruht auf einem großen kollektiven Fiasko: Die starken wirtschaftlichen und politischen Widersprüche, die ihre fiktive Einheit erschüttern, lähmen sie, und sie ist nicht in der Lage, eine unabhängige Rolle in den großen Angelegenheiten der Welt zu spielen. Auch die traditionelle Position der Region als fester Verbündeter der USA wird ausgehöhlt.
  2. Wenn die Große Rezession von 2008 und die Euro-Krise von 2014 einen Wendepunkt in der Geschichte der EU markierten, werden nach dem Brexit und mit der Aussicht auf eine neue und lange Stagnationsphase die Fliehkräfte, die kaum eingedämmt werden konnten, zunehmend unkontrollierbar.
  3. Wir sind mit einer Dynamik konfrontiert, die durch den Konflikt zwischen Peking und Washington noch verschärft wird. Dies ist der Fall bei der Nord Stream 2-Pipeline, die die russischen Gaslieferungen nach Deutschland verdoppeln wird. Diese neue Infrastruktur wurde vom ukrainischen Präsidenten, einem Verbündeten der USA in der Region, als „gefährliche geopolitische Waffe“ bezeichnet. Es überrascht nicht, dass Länder wie Polen diese Ansicht teilen, da dies nicht nur die Abhängigkeit Europas von dem von Putin, dem mächtigsten Partner Chinas, kontrollierten Brennstoff erhöht, sondern auch dem deutschen Kapitalismus ein neues wirtschaftliches Zwangsmittel gegenüber seinen EU-Partnern in die Hand gibt. Als Reaktion darauf scheint Biden ernsthaft in Erwägung zu ziehen, die Ukraine als neues NATO-Mitglied zu unterstützen.
  4. Die Bildung von zwei neuen und zunehmend feindlichen Blöcken innerhalb Europas in der Hitze des Kampfes zwischen den USA und China kristallisiert sich heraus. Auf der einen Seite steht das vom Brexit geleitete Großbritannien, das auf mehrere Verbündete unter den baltischen Staaten zählen kann. Und auf der anderen Seite die von Deutschland geführte und derzeit hegemoniale.
  5. Die Folgen des Austritts Großbritanniens aus der EU bringen der britischen herrschenden Klasse nicht die erwarteten Ergebnisse. Der Weggang von 1,5 Millionen von EU-Beschäftigten, die Engpässe, die sich in vielen Sektoren aufgrund des Zusammenbruchs der Produktions- und Vertriebsketten bereits abzeichnen, der Mangel an Zehntausenden von LKW-Fahrern..., treffen die Wirtschaft der Insel hart: „Johnsons Vision am Ende des Brexit war, dass das Vereinigte Königreich als neuer Einzelkämpfer im internationalen Handel florieren würde. Johnsons Plan bestand darin, die Pandemie mit einer starken und florierenden Wirtschaft zu überstehen. Was er sich nicht vorstellen konnte, war, dass die Regale der Supermärkte aufgrund des Mangels an Lastwagenfahrern (...) verwaist und leer sind (...) und dass die Landwirtschafts-, Viehzucht- oder Lebensmittelverarbeitungsindustrie nicht genügend Arbeitskräfte hätte, um den Rückstand aufzuholen.“[43]
  6. Die EU-Politik ist weit davon entfernt, die Ungleichgewichte der vorangegangenen Krise zu „korrigieren“, sondern hat sie vielmehr vergrößert und neue Ungleichgewichte geschaffen. Die Gesamtverschuldung der EU, die 2008 bei 60,7% des EU-BIP lag, ist bis Anfang 2021 auf über 100% angestiegen. Doch mit dem Ausbruch der Pandemie haben wir es statt mit einer „gemeinsamen Antwort“ mit einem Krieg auf Leben und Tod zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten zu tun.
  7. Erstens in Bezug auf die medizinische Ausrüstung, als Deutschland und Frankreich die Ausfuhr von Masken und anderen medizinischen Produkten in von der Pandemie stark betroffene Länder wie Italien und Spanien verboten haben. Danach folgen die von den verschiedenen Regierungen zur Verteidigung ihres Finanzsektors und ihrer Industrien ausgezahlten Hilfen, wobei Deutschland mehr als 50% der Gesamtsumme auf sich vereint, gefolgt von Frankreich und Italien mit 17% und 14%, und mit großem Abstand der spanische Staat mit etwa 5%.
  8. Wie in der vorangegangenen Rezessionsphase wurden Sirenengesänge über die Vorteile der EU angestimmt. Unidas Podemos hat nicht aufgehört, auf die Notwendigkeit der europäischen Solidarität zu pochen. Pablo Iglesias, der noch an der Regierung ist, begrüßte die Einigung über die europäischen Fonds und wagte die Aussage, dass diese „in eine diametral entgegengesetzte Richtung zu dem gehen, was wir im letzten Jahrzehnt gesehen haben“. Aber diese Demagogie, die bewusst betrieben wird, um die Arbeiterklasse zu blenden, ist mit der Wahrheit nicht zu vereinbaren. Diese Fonds sollen die europäischen Kapitalisten „retten“, und ihre Gewährung ist, wie in der vorangegangenen Schuldenkrise, an die Zustimmung zu neuen Sparmaßnahmen und sozialen Gegenreformen geknüpft.
  9. Es ist eine Sache, wenn die deutsche Bourgeoisie und ihre Verbündeten (Holland, die nordischen Länder usw.) bereit sind, pünktlich ihren Beitrag zu leisten, Kredite zu gewähren, wenn sie mit Garantien zurückgezahlt werden, aber sie werden niemals akzeptieren, die Schulden der schwächsten Länder der Eurozone zu übernehmen. Jedes minimale Zugeständnis im Sinne einer „Vergemeinschaftung“ der Schulden wird immer eine Gegenleistung für die Stärkung ihrer hegemonialen Rolle in der EU sein, aber sie werden nicht aufhören, ihre Unternehmen in dem kommenden harten Kampf um jeden Zentimeter des Weltmarktes zu schützen. In diesem Sinne hat die Pandemie dazu geführt, dass der europäische Block gegenüber den USA noch gespaltener geworden ist, wobei sich Länder wie Italien und Griechenland offen China zugewandt haben.
  10. Diese „demokratische und humanitäre“ EU, die vollmundig von den Menschenrechten in Afghanistan spricht und von Sozialdemokraten aller Couleur gefeiert wird, zögert nicht, ihre Grenzen gegen Millionen von Menschen, die vor Hunger und Krieg fliehen, militärisch zu schließen, Konzentrationslager unter unmenschlichen Bedingungen in Griechenland einzurichten oder diktatorische Regime wie die Türkei oder Pakistan mit Milliarden von Euro zu überhäufen, um die Flüchtlingswellen einzudämmen, die aus den imperialistischen Konflikten resultieren, die sie an ihren Grenzen fördern.
  11. Seit der Krise von 2008 haben sich die zentrifugalen Tendenzen in der EU noch verstärkt – der Brexit ist das beste Beispiel dafür – und werden nicht nur durch protektionistische Tendenzen und wirtschaftlichen Nationalismus, sondern auch durch politische Faktoren angeheizt. Das Vertrauen der Menschen, dass ihr Leben und ihre Zukunft in der EU besser sein werden, ist stark gesunken. Andererseits haben sich die Bourgeoisien in allen Ländern dafür entschieden, ihren Diskurs auf den patriotischen Nationalismus als Gegenmittel zu sozialem Protest und Klassenkampf zu konzentrieren.
  12. Es ist die herrschende Klasse, die die Reaktion nährt und legitimiert. Das Einzige, was die extreme Rechte tut, ist, alles, was die „demokratische Bourgeoisie“ und die sozialdemokratischen Führer aller Couleur mit ihren kleinen Mündern sagen, ungeniert zu verteidigen. Der Vormarsch der extremen Rechten in ganz Europa und die Zunahme autoritärer und bonapartistischer Tendenzen in vielen Staaten ist eine Verurteilung des „europäischen sozialdemokratischen Kapitalismus“.
  13. Sobald die Propaganda nachlässt und die neuen Sparpläne der „Männer in Schwarz“[44] in Kraft treten, wird die europäische Krise in eine neue Phase eintreten. In den letzten zehn Jahren gab es in Europa große Streik- und Protestbewegungen, revolutionäre Krisen wie in Griechenland, die zu einer schweren politischen Niederlage von Syriza führten, Arbeiterkämpfe wie in Frankreich, die das Land monatelang lahmlegten, massive Jugenddemonstrationen gegen den Klimawandel und historische Mobilisierungen von arbeitenden Frauen. Wir haben den Aufstieg neuer Parteien der reformistischen Linken erlebt, denen es nicht gelungen ist, den Kapitalismus zu reformieren. In der kommenden Periode wird dieser Kampf in der europäischen Arbeiterklasse und Jugend einen riesigen Sprung nach vorn machen und, aufbauend auf den Erfahrungen von mehr als einem Jahrzehnt der Kämpfe, große Chancen für die Kräfte des Marxismus bieten.

Staatsverschuldung, Spekulation und Finanzparasitismus

  1. Die tiefe Krise, die nach dem Ausbruch der Pandemie ausgelöst wurde, ist Ausdruck all der Widersprüche, die sich seit der großen Rezession von 2007-2008 aufgestaut haben. Damals haben die riesigen Summen öffentlicher Gelder, die zur Rettung des Finanzkapitals und der großen Monopole mobilisiert wurden, einen totalen Zusammenbruch verhindert. Das Gleiche kann man heute sagen!
  2. Die internationale Sozialdemokratie und ihre Freunde von der neuen reformistischen Linken versuchen, die Reaktion der Regierung im Jahr 2020 als radikal anders als im Jahr 2008 darzustellen. Sie wagen es, von einem neuen „Paradigma“, von „keynesianischen“ Maßnahmen und dem Ende des Neoliberalismus zu sprechen. Doch die harten Fakten widerlegen diese Behauptungen. Die Tatsache, dass ERTES[45], befristete Pläne gegen Zwangsräumungen oder direkte Hilfen für Familien aktiviert wurden, die dürftig und völlig unzureichend sind, ändert nichts am Hintergrund der Strategie der Bourgeoisie. Die mehr als 12 Billionen, die von den Zentralbanken und den kapitalistischen Regierungen investiert wurden, um die Depression zu bekämpfen, sind eine neue gigantische Banken- und Unternehmensrettung.
  3. Das Jahr 2020 war ein viel tieferes wirtschaftliches Debakel als das der Jahre 2007-2008. Die kapitalistischen Institutionen mussten dies anerkennen, starteten aber gleichzeitig eine umfangreiche Propagandakampagne, in der behauptet wurde, dass ein V-förmiger Aufschwung sofort folgen würde. Die Realität hat diesen Berg von Lügen in Frage gestellt.
  4. Die Weltbank (WB) prognostiziert für das Jahr 2021 ein globales Wachstum von 5,9%, das vor allem auf einen Aufschwung in China (8,5%) und den USA (6,8%) zurückzuführen sein wird. Dahinter folgen die Europäische Union mit 4,2% und Japan mit mageren 2,9%. Dieses Wachstum liegt jedoch „3,2 % unter den Prognosen vor der Pandemie“. Selbst im günstigsten Fall bleiben große Risiken und Unsicherheiten bestehen, die die wirtschaftliche Lage äußerst unbeständig machen: „Eine hartnäckigere Pandemie, eine Welle von Unternehmensinsolvenzen, finanzielle Spannungen oder sogar soziale Unruhen könnten den Erholungsprozess zum Entgleisen bringen“.[46]
  5. Schwellen- oder Entwicklungsländer sind ein kritischer Punkt. Die Weltbank stellt fest, dass „die Zuwächse in dieser Gruppe von Volkswirtschaften nicht ausreichen, um die während der Rezession im Jahr 2020 erlittenen Verluste auszugleichen, und dass die Produktion im Jahr 2022 voraussichtlich um 4,1% niedriger sein wird als vor der Pandemie erwartet... Bis 2022 werden die im Jahr 2020 verzeichneten Einbußen beim Pro-Kopf-Einkommen in etwa zwei Dritteln der Schwellen- und Entwicklungsländer nicht vollständig aufgeholt worden sein“.
  6. Einer der Gründe für diese Situation ist der ungleiche Impfprozess in der Welt. Achtzig Prozent der Impfstoffe werden von einer Handvoll reicher Länder monopolisiert. Während in diesem privilegierten Club von Nationen 70% der Bevölkerung geimpft sind, sind in den ärmsten Ländern nicht mehr als 2% der Bevölkerung geimpft.[47] Eine Situation, die den weltweiten Wirtschaftsaufschwung gefährdet, denn es besteht die Möglichkeit, dass tödlichere und ansteckendere Varianten auftauchen, wie es mit Delta bereits geschehen ist. Obwohl die technischen und wissenschaftlichen Mittel zur Beendigung der Pandemie vorhanden sind, verhindern die Macht der großen Pharmamonopole und ihre stratosphärischen Gewinne, dass Millionen von Menschenleben gerettet werden können.
  7. Ein weiterer Faktor, der für die Lebensbedingungen der Bevölkerung und die Weltwirtschaft immer wichtiger wird, sind die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels. Laut einer Studie des Swiss Re Institute würde ein Temperaturanstieg um 2 Grad – das vermeintliche Ziel, das mit dem Pariser Abkommen vermieden werden soll – einen Rückgang des globalen BIP um 11% bedeuten; bei einem Anstieg um 2,6 Grad läge der Rückgang bei 13,9% und bei einem Temperaturanstieg um 3,2 Grad würde der Einbruch des globalen BIP 18,1% betragen.[48]
  8. Wenn die herrschende Klasse davon spricht, die Situation in den Griff zu bekommen, muss man nur die wachsende Verschuldung der öffentlichen Hand, der Unternehmen und der privaten Haushalte anführen, um zu erkennen, dass sie lügt. Allein im Jahr 2020 wird die weltweite Verschuldung um weitere 30 Billionen Dollar auf 289 Billionen Dollar steigen, was 360 % des weltweiten BIP entspricht. Dieser immense Ballast wird die Regierungen in der kommenden Zeit in die Enge treiben.
  9. Nach Angaben des International Institute of Finance (IIF)[49] ist die durchschnittliche staatliche Kreditaufnahme in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften während der Pandemie von 110% auf 135% des BIP gestiegen. Im Jahr 2007, vor dem Platzen der Subprime-Blase, machten diese Schulden nur 46% des BIP aus. Bei den Schwellenländern sind die Zahlen ebenso besorgniserregend: Die Staatsverschuldung stieg um 600 Milliarden, von 52% auf 60% des BIP, verglichen mit 28% im Jahr 2007.[50]
  10. Vor diesem Hintergrund warnt die IFF vor der Notwendigkeit von Steuerreformen und Defizitanpassungen, d.h. weiteren Kürzungen und Sparmaßnahmen, räumt aber ein, dass die Regierungen vor ernsthaften Schwierigkeiten stehen könnten: „Während beträchtliche Haushaltsdefizite für die Bewältigung der Krise von zentraler Bedeutung waren, könnte es noch schwieriger sein, die richtige Ausstiegsstrategie zu finden, als in der Krise 2008 und -9. Politischer oder sozialer Druck kann die Bemühungen der Regierungen zum Abbau von Defiziten und Schulden einschränken und damit ihre Fähigkeit zur Bewältigung künftiger Krisen gefährden“.[51]
  11. Allein in den USA beträgt die Verschuldung der Unternehmen 11,2 Billionen Dollar, d. h. 50 % des BIP, und die Verschuldung der privaten Haushalte 14,6 Billionen Dollar, davon 10 Billionen Dollar an Hypothekenschulden und fast 2 Billionen Dollar an Hochschulschulden. Die Federal Reserve (Fed), die jeden Monat 120 Milliarden Dollar in die Wirtschaft pumpt, hat ihre Verschuldung bis 2020 von 2,25 Billionen Dollar auf 4,59 Billionen Dollar verdoppelt und wird bei diesem Tempo bis Ende dieses Jahres voraussichtlich fast 9 Billionen Dollar erreichen.
  12. Die von der US-Notenbank zur Rettung der Wall Street ergriffenen Maßnah- men haben 20% des US-BIP ausgemacht. Hinzu kommen die von der Trump-Administration geförderten CARES- und COVID-Entlastungsgesetze[52], die fast 14% des BIP ausmachten, und die von der Biden-Administration genehmigten neuen Pläne, die sich auf bis zu 6 Billionen Dollar belaufen könnten. Insgesamt beläuft sich die Rettung der US-Wirtschaft, d. h. der großen Monopole und des Finanzkapitals, auf 40% des amerikanischen BIP.[53]
  13. Das Gleiche gilt für die EU. Rechnet man das Pandemie-Kaufprogramm (PEPP) und andere Stimuli hinzu, beläuft sich der Schuldenstand der EZB inzwischen auf über 7 Billionen Euro. In Deutschland und Italien belaufen sich die Beihilfen für Banken und Großunternehmen auf 30% des BIP, in Spanien auf 20% und in Frankreich und dem Vereinigten Königreich auf rund 15%. Das Office for Budget Responsibility der britischen Regierung hat darauf hingewiesen, dass wir vor dem „größten fiskalischen Risiko in Friedenszeiten [stehen], das ein schreckliches Erbe für die öffentlichen Finanzen hinterlassen wird“, und stellt fest, dass die massiven Liquiditätsspritzen „fast das Zehnfache der Unterstützung während der Finanzkrise ausmachten... aber die öffentliche Verschuldung ist etwa dreimal so hoch wie 2008“.
  14. In China ist die Verschuldung der öffentlichen Hand, der Unternehmen und der privaten Haushalte trotz seiner enormen Wirtschaftskraft seit 2008 von 140% auf 280% des BIP gestiegen. Einer der Hauptgründe dafür ist das Wachstum des so genannten Schattenbankwesens, auf das inzwischen 86% des chinesischen BIP und 29% der Bankaktiva des Landes entfallen. Den Konkurrenten geht es jedoch nicht viel besser: In den USA beträgt die Gesamtverschuldung 286% und in der Eurozone 283%.[54] Nach Angaben des Financial Stability Board[55] machte das Schattenbankwesen Ende 2019 49,5% des globalen Finanzsystems aus, wobei 30% auf die USA entfielen.[56]
  15. Dieses ungezügelte Wachstum der öffentlichen Verschuldung – dessen Kehrseite eine kriminelle Sparpolitik ist – hat wiederum eine außergewöhnliche Spekulationsblase entstehen lassen.[57] Die Berge von Liquidität, die in den Dienst des Großkapitals gestellt wurden, haben nicht zu einem kräftigen Aufschwung der produktiven Investitionen geführt, sondern zu einer in der Geschichte des Kapitalismus noch nie dagewesenen Zirkulation von fiktivem Kapital, das die Börsengewinne über die realen Umsätze der Unternehmen hinaus in die Höhe treibt und ein weiteres Phänomen hervorruft, das bereits jetzt verheerende Auswirkungen hat: die Inflation.
  16. Das hat zu einer paradoxen Situation geführt. Trotz des weltweiten Konjunktureinbruchs haben die Aktienmärkte ihre Gewinne innerhalb weniger Monate wieder aufgeholt. Der IWF selbst stellte „eine auffällige Divergenz zwischen den Finanzmärkten und der Realwirtschaft fest: Die Finanzindikatoren zeigen bessere Aussichten auf eine Erholung, als sich aus der realen Aktivität ableiten lässt“. Tesla zum Beispiel, dessen Umsatz um 5% und dessen Cashflow um 20% gestiegen ist, hat seinen Aktienkurs um 750% erhöht.
  17. In den USA bricht der S&P 500 Aktienindex seit Monaten Rekorde und erzielte in den ersten vier Monaten des Jahres 2021 einen durchschnittlichen Gewinn je Aktie der börsennotierten Unternehmen (EPS) von 39,7$, den höchsten in der Geschichte. Es wird erwartet, dass sie im dritten Quartal diesen Wert übertreffen und 50 Dollar pro Aktie erreichen wird. Dieses Wachstum wird durch rein spekulative Aktienrückkäufe angeheizt. Goldman Sachs sagt voraus, dass „der Rückkauf von Aktien im Wert von 726 Milliarden Dollar den S&P 500 auf 4.700 Punkte treiben wird“[58]. Nach den Tiefstständen im März 2020, als die Pandemie ausbrach, stiegen der S&P 500 um 100,2%, der Nasdaq um 100% und der Dow Jones um 91,6% im Jahr 2021.
  18. Wir haben es mit denselben Formeln zu tun wie in der vorangegangenen Wirtschaftskrise und mit derselben Unfähigkeit, diesen Überfluss an Liquidität und Kapital in echte produktive Investitionen umzuwandeln, und wieder hören wir neokeynesianische Ökonomen, die auf die Notwendigkeit hinweisen, dass Kredite und Liquiditätsspritzen in den produktiven Sektor fließen müssen. Aber warum sollte man den produktiven Prozess durchlaufen, wenn die Politik der Zentralbanken und Regierungen es ermöglicht, durch Spekulationen mit Schulden, Anleihen oder Aktien leicht direkte Gewinne zu erzielen?
  19. Wie Lenin erklärte, werden in der Epoche des organischen Zerfalls des Kapitalismus „die Hauptprofite den „Genies“ der Finanzmachenschaften zufallen. Diesen Machenschaften und Schwindeleien liegt die Vergesellschaftung der Produktion zugrunde, aber der gewaltige Fortschritt der Menschheit, die sich bis zu dieser Vergesellschaftung emporgearbeitet hat, kommt den – Spekulanten zugute.“[59]
  20. Das Finanzkapital, das durch die Liquiditätsspritzen der Zentralbanken noch weiter gestärkt wurde, hat sich immer weiter ausgebreitet und ist zu einem Schmarotzer geworden, und es wurden keine Schranken errichtet, um es aufzuhalten.[60] Ein Prozess, der parallel zu einer Konzentration und Monopolisierung des Kapitals in einem noch nie dagewesenen Ausmaß verläuft.[61]
  21. Das große Finanzkapital ist in seiner Gesamtheit mit dem bürgerlichen Staat und den großen Finanzinstituten verflochten und agiert als Manager und Berater der Federal Reserve oder der EZB bei deren Ankaufsprogrammen für Vermögenswerte, einem runden Geschäft, bei dem sie gleichzeitig Richter und Partei sind.[62] Der Staat kommt dem Finanzkapital nicht zu Hilfe, sondern ist für dieses ein Sprungbrett, um Kapital zu akkumulieren und seine Profitraten zu garantieren: „[A]n- dererseits ist ein Staatsmonopol in der kapitalistischen Gesellschaft lediglich ein Mittel zur Erhöhung und Sicherung der Einkünfte für Millionäre aus diesem oder jenem Industriezweig, die dem Bankrott nahe sind.“[63]
  22. Die Spekulationsorgie treibt die Inflation in vielen Bereichen voran. Die Existenz von Hunderten von Milliarden ungenutzter Dollars, die nicht für produktive Tätigkeiten verwendet werden, setzt die Sektoren unter Druck, in denen die Nachfrage gesichert ist. Dies ist im Immobiliensektor der Fall, wo große Investmentfonds und Banken den Miet- und Immobilienmarkt dominieren und für einen ständigen Preisanstieg sorgen. Oder bei der Elektrizität, deren Preise nicht wegen steigender Produktionskosten steigen, sondern wegen der monopolistischen Kontrolle des Sektors nach jahrzehntelanger Privatisierung einer grundlegenden Dienstleistung. Das Gleiche gilt für andere Sektoren wie die Gasindustrie, die Agrarwirtschaft oder das Bildungs- und Gesundheitswesen.
  23. Die Gefahr einer Stagflation (Stagnation plus Inflation) ist keine Hypothese, sondern klopft an die Tür der Weltwirtschaft. In den USA sind die Preise auf 5,4% geklettert, die höchste Rate seit 29 Jahren. In China hat die Inflation in der Industrie im Juli mit 9% einen neuen Rekord erreicht, den höchsten seit mehr als einem Jahrzehnt, und könnte zu einem allgemeinen Anstieg der Preise weltweit führen. In der EU lag die Inflation im Juli bei 2,2% und damit auf dem höchsten Stand seit 2018.
  24. In dieser Dynamik haben steigende Lebensmittelpreise enorme soziale Folgen. Die FAO[64] berichtet, dass die Lebensmittelpreise von Mai 2020 bis Mai 2021 um 39,7% gestiegen sind, der höch- ste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Getreide stieg um 36,6%, Pflanzenöl um 124%, Milchprodukte um 28%, Fleisch um 10% und Zucker um 57%. Der FAO-Lebensmittelpreisindex lag im August bei 127,4 Punkten und damit nahe an seinem Rekordwert von 137,6 Punkten aus dem Jahr 2011, der einer der Auslöser für den Ausbruch des arabischen Frühlings war.
  25. Der IWF hat darauf hingewiesen, dass die Preise weiterhin um bis zu 25 % steigen könnten, was zusammen mit den steigenden Lebensmittelpreisen und der Covid-Katastrophe dazu führt, dass die Welt auf eine neue Hungerepidemie zusteuert. Der jüngste UN-Bericht besagt, dass die Zahl der Menschen, die direkt vom Hunger betroffen sind, von 650 Millionen im Jahr 2019 auf 811 Millionen Ende 2020 gestiegen ist (10% der Weltbevölkerung), wobei der Anteil in Afrika auf 21% steigt. 2,3 Milliarden Menschen werden von Ernährungsunsicherheit betroffen sein, 30% der Weltbevölkerung!
  26. Zahlreiche Medienberichte verweisen auf Klimakatastrophen als Ursache für diesen Anstieg. Einer der Gründe für die Bekämpfung des Klimawandels besteht natürlich darin, die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten und eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion zur Ernährung der gesamten Bevölkerung zu gewährleisten. Dieser Ansatz verschleiert jedoch die Tatsache, dass das grundlegende Problem nicht der Klimawandel ist, sondern die Spekulation und die kapitalistische Produktionsweise selbst. Die jüngste Arbeit des World Wide Fund for Nature (WWF) und von Tesco[65] weist darauf hin, dass 40% der weltweiten Lebensmittelproduktion, d. h. 2,5 Milliarden Tonnen, verschwendet werden. Diese Abfälle sind in den Industrieländern mit 58% der Gesamtmenge am größten. Wenn es keinen Profit gibt, lassen die Kapitalisten die Produkte lieber verrotten, als den Nahrungsmittelbedarf der Bevölkerung zu decken.

Unterbrechungen der Lieferketten und Rohstoffknappheit

  1. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der gegenwärtigen Situation ist der Anstieg der Preise für Rohstoffe, Öl, Gas, Stahl, Kupfer, Aluminium und andere für die industrielle Produktion unverzichtbare Stoffe, wie z.B. Halbleiter. Die Weltbank hat festgestellt, dass sich die Preise verdoppelt und verdreifacht haben und in einigen Fällen das für 2035 prognostizierte Niveau bereits jetzt erreicht haben (seit Januar hat der Preis pro Barrel Rohöl der Sorte Brent ein Dreijahreshoch von 83,67$ erreicht).[66]
  2. Die voranschreitende Inflation ist auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen: Finanzspekulationen, die große Ströme an Kapital in monopolistische Energieunternehmen lenken und durch die Rettungsaktionen und „Konjunkturprogramme“ der Zentralbanken genährt werden; der erhebliche Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern nach dem zeitweiligen Zusammenbruch während der Pandemie; das Horten von Lagerbeständen und Containern durch große multinationale Unternehmen, mit dem Ziel, ihre Profitrate während eines erneuten globalen Aufschwungs zu erhöhen; die hohen Zölle, die durch den Handelskrieg zwischen den USA und China nach oben getrieben werden. Die Entscheidung Pekings, wichtige Rohstoffe zurückzuhalten, um ihre industrielle und kommerzielle Stärke zu schützen, treibt die Preisspirale ebenfalls voran.
  3. In den letzten Monaten ist ein enormer Druck auf die Lieferketten entstanden, die ihrerseits nach Jahren der Globalisierung und der weiteren Vergesellschaftung der Produktion in einem noch nie dagewesen Ausmaß durch „Just-in-Time“-Produktion dominiert werden. Die Folgen liegen auf der Hand: Es wird äußerst schwierig sein, die Lagerbestände so schnell wieder aufzufüllen, wie es die Nachfrage verlangt. Die Produktion von Industriekomponenten aller Art (Halbleiter, Rohstoffe… die für Automobil-, Werkzeug- und Maschinen-, Haushaltsgeräte- und Elektroindustrie wie Konsolen, Computer und Mobiltelefone entscheidend sind) wurde stark beeinträchtigt, was zu vorübergehenden Engpässen und monatelangen Wartezeiten für viele dieser Produkte führte.[67]
  4. Die Globalisierung hat auch ihre Grenzen. Die neuen Kommunikationstechnologien und die exponentielle Entwicklung des Internethandels haben zusammen mit den billigeren Transportmitteln eine echte Revolution ausgelöst, indem sie globale Wertschöpfungsketten entstehen ließen, die nun die gigantischen Entfernungen zu spüren bekommen, die teilweise von Bauteilen und Waren zurückgelegt werden müssen, bevor sie die entsprechenden Fabriken oder Verkaufsstellen erreichen.
  5. Auf jeden Fall können wir beobachten, wie dieser Anstieg des Verbrauchs (der zu hysterischen Aufschreien über die bevorstehende Knappheit im Weihnachtsgeschäft geführt hat) vor allem die Gesellschaftsschichten erfasst, auf die ein Großteil der Kaufkraft und der verfügbaren Ersparnisse fällt: die Mittelschichten. Das ist aber sicherlich kein grundlegender, ja, nicht einmal mittelfristiger Trend, der in der Lage wäre, die langfristige Periode kapitalistischer Stagnation zu überwinden.
  6. Wie aus dem jüngsten Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom 8. November hervorgeht, ist das Einkommen der privaten Haushalte im Frühjahr trotz des Anstiegs der Bruttoinlandsprodukte im Allgemeinen eingebrochen. Der Studie zufolge betrug der Rückgang in den OECD-Ländern 3,8%, wobei die Amerikaner mit einem Minus von 8,35% beim Pro-Kopf-Einkommen die Liste anführten (in anderen Ländern waren die Zahlen allerdings auch bezeichnend: Griechenland -4%, Ungarn -2,7%, Niederlande -2,1%, Irland -1,4% und Spanien -1,17%).[68]

Ungleichheit und Klassenkampf

  1. Ungleichheit und politische Polarisierung haben in den letzten zwei Jahrzehnten stark zugenommen. Während Millionen von Menschen in Armut und Arbeitslosigkeit gestürzt werden und von Hungerlöhnen in einer chronisch prekären Situation leben, hat eine winzige Minderheit von Plutokraten ihr Vermögen so stark vermehrt wie nie zuvor in der Geschichte. Noch nie wurde so viel Wohlstand produziert und noch nie war er in so wenigen Händen konzentriert.
  2. Nach Angaben des Magazins Forbes[69] haben die Milliardäre während der Pandemie ihr Einkommen um 5,5 Billionen Dollar oder 68% erhöht; ihr Vermögen ist von 8 Billionen Dollar auf 13,1 Billionen Dollar gestiegen (2006 waren es 2,56 Billionen Dollar). Schon vor der Pandemie wies ein Bericht von Oxfam Intermón darauf hin, dass die reichsten 1% doppelt so viel Vermögen besitzen wie 6,9 Milliarden Menschen. Währenddessen zeigen Studien der Weltbank selbst, dass im Jahr 2020 723,9 Millionen Menschen von extremer Armut betroffen sein werden, und im Jahr 2021 wird die Zahl 751,5 Millionen erreichen.[70]
  3. Die Reden der Staats- und Regierungschefs auf dem G7-Gipfel – die von den Führern von Unidas Podemos oder Syriza mit Beifall bedacht wurden –, dass sie die Reichen zur Zahlung von Steuern zwingen und den Steuerparadiesen ein Ende setzen würden, sind bloße Posen und heiße Luft. Das ist nichts anderes als in der letzten Wirtschaftskrise, als die Staats- und Regierungschefs der G20 behaupteten, sie würden „den Kapitalismus auf einer ethischen Grundlage neu gründen“.
  4. Die von den G7 und den G20 verabschiedeten Vereinbarungen sind, wie wir bereits erläutert haben, ein glatter Betrug.[71] Biden selbst war mehr als 30 Jahre lang Senator des Bundesstaates Delaware, einer Steueroase im Herzen der USA, in der es mehr Unternehmen als Einwohner gibt. In Europa fungieren Länder wie die Niederlande[72], Irland und Luxemburg mit Zustimmung der EZB und der Regierungen als Steuerparadiese, was so weit geht, dass die Europäische Kommission die Einrichtung eines Gerichts zum Schutz der Gewinne großer Investmentfonds und multinationaler Unternehmen vorbereitet.[73] Die von den G7 erzielte Einigung hatte auch ein klares Ziel für die USA: die Vermeidung der so genannten „Digitalsteuer“ gegen die großen amerikanischen Technologieunternehmen (Facebook, Google, Microsoft...). Dieser Teil der Vereinbarung wurde zügig erfüllt.[74]
  5. Die Steuer- und Arbeitsgesetzgebung wurde vier Jahrzehnte lang zugunsten des Kapitals radikal gegenreformiert. Diese soziale und wirtschaftliche Konterrevolution wurde durch die von der klassen- kollaborativen Politik der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften gestützt.
  6. Eine der Grundlagen, auf denen diese Konterrevolution beruht, ist die Auspressung der Arbeitskraft. Die weit verbreitete Prekarität und die niedrigen Löhne haben in den Industrieländern dazu geführt, dass die Figur des Arbeiters, der trotz einer oder zwei Beschäftigungen am Rande der Armut oder in Armut lebt, immer häufiger anzutreffen ist. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), einem offiziellen Organ des Kapitalismus, verdienten Anfang 2020 weltweit mehr als 700 Millionen Arbeiter weniger als 3,2 Euro pro Tag, 265 Millionen davon weniger als 1,90 Euro. Zwei Milliarden Menschen waren informell beschäftigt, und 55% waren in keiner Weise sozial abgesichert. In den Monaten der Pandemie sind schätzungsweise weitere 108 Millionen Arbeiter in Armut oder extreme Armut geraten.[75]
  7. Imperialistische Kriege, Umweltzerstörung, organisierte Kriminalität und strukturelle Armut haben die Massenmigration und die Vertreibung von Flüchtlingen zu einer der rücksichtslosesten Formen der Unterdrückung in dieser Ära der kapitalistischen Dekadenz gemacht.
  8. In Kolumbien erreichte die Zahl der durch Gewalt vertriebenen Menschen im Jahr 2013 vier Millionen. Im Jahr 2019 waren Indien und Mexiko die beiden Länder mit den meisten aus ihrem Hoheitsgebiet ausgewiesenen Migranten: 17,5 Millionen bzw. 11,8 Millionen. Im Nahen Osten haben die Kriege in Afghanistan, Irak und Syrien in den letzten fünf Jahren zum Exodus von mehr als 6 Millionen Flüchtlingen geführt, die unter unmenschlichen Bedingungen in Internierungslagern zusammengepfercht sind.
  9. Die imperialistische Unterdrückung ist mit einer systematischen rassistischen Politik der Großmächte verbunden. Der Fall der fremdenfeindlichen Gesetzgebung der EU und der Grenzschließungen, die zu einem menschlichen Gemetzel im Mittelmeer geführt haben, ist ein grausames Beispiel für die Entwicklung zur Barbarei, die wir erleben. Das Gleiche gilt für die Politik der US-Regierungen. Ob unter Trump oder Biden, die herrschende Klasse in den USA hat die Repressionen und Abschiebungen von Migranten mit allen möglichen rechtlichen und polizeilichen Maßnahmen verschärft.
  10. Die Regierungen haben ausnahmslos mit einer unmenschlichen und repressiven Migrationspolitik reagiert, die die Rechte und das Leben der Vertriebenen völlig außer Acht lässt. Regierungen, die sich selbst als „fortschrittlich“ und „Menschenrechtsschützer“ bezeichnen, wie die von AMLO oder der PSOE-UP in Mexiko und Spanien, um zwei Beispiele zu nennen, unterscheiden sich nicht von denen der populistischen und reaktionären Rechten. Darüber hinaus haben sie nicht die geringsten Skrupel, als verlässliche Grenzpolizisten für die imperialistischen Großmächte zu fungieren.
  11. Das wirkliche Programm der reformistischen Linken in diesem Bereich beflügelt die Ultrarechten in der ganzen Welt. Angesichts dieses Szenarios, das sich in den kommenden Jahren nur noch verschlimmern wird, müssen revolutionäre Marxisten eine klassenbezogene und internationalistische Alternative aufstellen und an vorderster Front für die Sicherung aller sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Rechte unserer eingewanderten Brüder und Schwestern kämpfen, indem sie sich der rassistischen Politik der geschlossenen Grenzen und allen fremdenfeindlichen Maßnahmen entgegenstellen, die das Leid von Flüchtlingen und eingewanderten Arbeitern ausnutzen, um chauvinistische Vorurteile in der Arbeiterklasse zu verbreiten. Der Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Unterdrückung und imperialistische Gewalt ist ein untrennbarer Teil des Kampfes für den Sozialismus.
  12. Es ist tausendmal falsch, dass der Weg aus dieser Krise ein anderer ist als der von 2008. Es ist eine Vertiefung dessen, was wir bereits gesehen haben: massive Mobilisierung öffentlicher Mittel zur Unterstützung der Banken und Monopole und neue soziale Gegenreformen. Selbst die Regierung des spanischen Staates, die sich selbst als die „fortschrittlichste in der Geschichte“ bezeichnet, nimmt weitere Kürzungen bei Renten, Gesundheit, Bildung und Sozialleistungen vor, während die Preise für Strom, Wohnungen und Lebensmittel außer Kontrolle geraten.
  13. Die erbärmliche Lüge, dass die Lehren aus der Krise von 2008 gezogen worden seien, hält den Tatsachen nicht stand. Die herrschende Klasse ist zu dem Schluss gekommen, dass sie dank der Politik der nationalen Einheit über einen großen Handlungsspielraum verfügt. Die Einheitsfront zwischen der Bourgeoisie und den sozialdemokratischen Formationen und den Gewerkschaften und das Versagen der neuen reformistischen Linken, eine massive Opposition gegen die Strategie der Kapitalisten zu errichten, erklärt, was geschehen ist.
  14. Die Kapitalisten sind bereit, so weit zu gehen, wie es ihnen die Situation erlaubt. Ein gutes Beispiel dafür ist die kürzlich von der griechischen Regierung beschlossene Einführung des 10-Stunden-Arbeitstages. Das ist der Kern der Sache. Alle Schritte der Bourgeoisie in den USA, Europa, Lateinamerika oder Asien gehen in diese Richtung.

Aufbau der revolutionären Partei

  1. Die Reaktion der Massen auf diese Angriffe ist bedingt durch die schäbige Rolle ihrer traditionellen Führer, den enormen Druck, den die Gesundheitskatastrophe der Pandemie ausübt, und ihre unmittelbaren Auswirkungen auf die Wirtschaft mit dem Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen und dem Anwachsen von riesigen Elendsvierteln. Doch trotz dieser subjektiven und objektiven Schwierigkeiten haben wir in diesem Jahr der gesundheitlichen Notlage und massenhafter Toter in vielen Ländern Massenmobilisierungen und revolutionäre Aufstände erlebt.
  2. Die Konstante bei all diesen Bewegungen ist ihr explosiver Charakter und dass sie von unten entstanden sind und zunächst die reformistischen Führungen überwältigt haben. Direkte Aktionen und offene Zusammenstöße mit den Repressionskräften waren die Norm, aber als die Gewalt der Polizei und des Militärs die Mobilisierung nicht lähmen konnte, griff die Bourgeoisie auf die Dienste der Gewerkschaftsbürokratie und der reformistischen Linken zurück, die unermüdlich versuchten, den Kampf auf den Betrug des Parlamentarismus in all seinen Varianten („Verfassungsgebende Versammlungen“, „Nationale Abkommen“...) zu lenken.
  3. Die antikapitalistische Stimmung hat im letzten Jahrzehnt nicht aufgehört, sich auszubreiten, und obwohl Polarisierung und kapitalistischer Zerfall auch rechtsextreme Bewegungen fördern, wird der Prozess der Bewusstseinsbildung neue Sprünge machen. Die Krise der Massenorganisationen und -bewegungen links von der Sozialdemokratie schafft die Voraussetzungen dafür, dass die am weitesten fortgeschrittenen Schlussfolgerungen in weiten Teilen der Jugend und der Arbeiterschaft Fuß fassen können.
  4. Natürlich wird dies kein automatischer Prozess sein, und er wird auch nicht frei von Widersprüchen und vorübergehenden Rückschlägen sein. Vor allem in Ländern, in denen diese Organisationen großes Gewicht hatten und gescheitert sind, werden bei einer breiten Schicht von Aktivisten Verwirrung, Unbehagen und auch Skepsis vorherrschen. Dies wird jedoch ein vorübergehendes Phänomen sein, nicht ein langfristiges.
  5. Wie in anderen historischen Perioden von Revolution und Konterrevolution ist einer ihrer Ausdrucksformen der Aufstieg der extremen Rechten und des Faschismus, der Partei, in Trotzkis Worten, der „revolutionären Verzweiflung“. In den letzten Jahren ist die extreme Rechte, die rassistisch, homophob und sexistisch ist, zu einer echten Bedrohung geworden, von Trump in den USA bis Bolsonaro in Brasilien, über den FN in Frankreich, Vox in Spanien und Salvini in Italien.
  6. Ein Phänomen, das auch mit einem parlamentarischen „Gesundheitsgürtel“ nicht verschwinden wird, da es durch die Zersetzung des Kapitalismus genährt wird. Der Kampf gegen die extreme Rechte verdeutlicht die Notwendigkeit, eine echte revolutionäre Politik zu vertreten. Die neuen Formationen der Linken wiederholten die Rezepte der klassischen Sozialdemokratie und des Stalinismus, die u.a. den „demokratischen“ Sieg Hitlers garantierten. Abstrakte Appelle zur Verteidigung der Demokratie und vor allem Appelle an einen zunehmend autoritären und reaktionären Staatsapparat, unsere demokratischen Rechte zu garantieren, haben keine Wirkung im Kampf gegen diese Formationen, die auch in der Justiz, der Polizei und der Armee große Unterstützung und Sympathie genießen.
  7. Wie wir im Abschnitt über die USA festgestellt haben, trifft das Phänomen des rechtsextremen reaktionären Populismus die traditionellen konservativen Parteien bis ins Mark. Wir beobachten innerhalb der traditionellen Rechten eine offene Hinwendung zur faschistischen Sprache, in offener Konkurrenz zu den aufstrebenden rechtsextremen Gruppierungen.
  8. Die Frage, vor der die gesamte Arbeiterbewegung und insbesondere ihre bewussteste Avantgarde steht, ist, wie sie der Bedrohung durch die Reaktion begegnen kann. Wie kann der Angriff von Marine Le Pen auf die französische Präsidentschaft oder die Möglichkeit einer Regierung aus PP und Vox in Spanien verhindert werden?
  9. Die Politik der Sozialdemokratie und die Neuen Linken Formationen sind machtlos gegen die Reaktion. Die neue reformistische Linke, die in der Hitze der großen Rezession von 2008 und der in vielen Ländern ausgelösten Massenbewegung entstanden ist, befindet sich in völliger Verwirrung und weist alle Elemente eines dekadenten Zerfalls auf. Sie ist nur bestrebt, sich als Wahlmaschine zu erhalten, die es einem integrierten und assimilierten Apparat ermöglicht, selbst zu überleben.
  10. Der Verzicht auf eine Politik, die im revolutionären Marxismus, in der Klassenunabhängigkeit und im Internationalismus verankert ist, hat von diesen Organisationen einen brutalen Tribut gefordert, die, nachdem sie gewaltige Illusionen und Erwartungen geweckt hatten, zu einer verwischten Kopie der traditionellen Sozialdemokratie geworden sind. Dies ist der Preis, den sie für den kleinbürgerlichen Charakter ihres Programms, ihrer Führung und ihrer antidemokratischen Methoden beim Aufbau ihrer Strukturen zahlen müssen.
  11. Alle diese Organisationen sind mit der Gewerkschaftsbürokratie verschmolzen und haben sich in Taten und Ideen geweigert, den Kampf der Arbeiterbewegung aufzunehmen und zu Ende zu führen, um stattdessen die Strategie der Sozialpartnerschaft und Klassenkollaboration von Seiten der großen gewerkschaftlichen Apparate fortzuführen. Infolgedessen wurde eine große Chance verpasst, starke linke Strömungen in den Gewerkschaften zu befördern, jenen Gewerkschaften, die nach wie vor ein wichtiges Bollwerk der Bourgeoisie darstellen, um in kritischen Zeitpunkten um ihre Kürzungs- und Sparagenda durchzusetzen.
  12. Der Fall von Podemos, den wir ausführlich analysiert haben[76], ist der bedeutendste, aber der Prozess ist viel allgemeiner und hat tiefere Wurzeln. So geschehen in Griechenland nach der Kapitulation von Syriza, so geschehen in den USA nach der Kapitulation von Bernie Sanders und seiner Eingliederung in die Regierung von Joe Biden, so geschehen mit der Aufgabe von Jeremy Corbyn nach seiner Wahlniederlage, und die Beispiele häufen sich in ähnlichen Formationen in Deutschland, Portugal, Frankreich...
  13. Die historische Aufgabe, das Programm des revolutionären Marxismus wieder als Leitfaden für den Kampf der Unterdrückten zu etablieren, steht vor großen Hindernissen. Es nicht zu sehen, wäre dumm. Aber es wäre eine noch größere Dummheit, die allgemeine Dynamik des Klassenkampfes und die Richtung, in die sich das Weltgeschehen entwickelt, zu übersehen.
  14. Wenn wir uns ansehen, was in den letzten zweieinhalb Jahren geschehen ist, dann ist die Zahl der Aufstands-bewegungen, Generalstreiks, Massen- mobilisierungen und revolutionären Krisen überwältigend. In Lateinamerika gibt es keinen Waffenstillstand. Kolumbien, Chile, Ecuador, Bolivien, Guatemala, Haiti, Puerto Rico, Uruguay, Argentinien, Honduras... In Asien haben wir eine noch nie dagewesene Situation erlebt. Der Ausbruch des Klassenkampfes hat Länder getroffen, die zuvor ein Hort der Stabilität waren und ein beneidenswertes Wirtschaftswachstum aufwiesen: Thailand, Myanmar, Indonesien, Indien... Das Wachstum eines neuen Industrieproletariats, das aus den Eingeweiden der Bauernschaft hervorging, war deutlich spürbar, ebenso wie der Fortschritt seines Klassenbewusstseins.
  15. Das Gleiche gilt für den Nahen Osten oder den afrikanischen Kontinent. In Tunesien, Algerien und im Libanon sind die Massen immer wieder auf die Bühne zurückgekehrt, haben die denkwürdigen Tage des Arabischen Frühlings wiederbelebt und deutlich gemacht, dass es im Kapitalismus keinen Ausweg gibt.
  16. Die Revolution im Sudan, die durch die Kapitulation der reformistischen Führung der Massenbewegung vor der (von Saudi-Arabien, Russland und China unterstützten) Militärjunta abgebrochen wurde,[77] oder der revolutionäre Kampf der nigerianischen Jugend gegen die Unterdrückung und den Sozialabbau der Regierung von Muhammadu Buhari[78] zeigen das Pulverfass, auf dem ein von imperialistischer Gier verwüsteter Kontinent sitzt, der nun unter den brutalen Auswirkungen der Pandemie leidet.[79]
  17. Die Ereignisse von Ende Juli in Südafrika, dem Schlüsselland, sind von großer Bedeutung. Nach der Inhaftierung des ehe- maligen Präsidenten Jacob Zuma kam es in den großen Städten des Landes eine Woche lang zu Chaos und Plünderungen. Nach offiziellen Angaben wurden bei den Unruhen 324 Menschen getötet und Tausende von Geschäften geplündert und niedergebrannt. Doch all diese Zerstörungswut hat konkrete soziale Ursachen: eine Ungleichheit, die unter der kapitalistischen Politik der ANC-Regierungen, die von der Kommunistischen Partei und COSATU unterstützt wird, weitergewachsen ist und zu einer Jugendarbeitslosigkeit von 75 % geführt hat.
  18. Die konterrevolutionären Kräfte haben angesichts all dieser Herausforderungen mit enormer Energie gehandelt... aber sie haben keinen entscheidenden Triumph errungen. Kurz- und mittelfristig ist eine Verschärfung dieser politischen Dynamik zu erwarten. Mehr Polarisierung und mehr explosiver Klassenkampf. Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass die Situation hätte umgedreht werden können, wenn es in irgendeinem dieser Länder eine revolutionäre Internationale mit Masseneinfluss gegeben hätte. Deshalb ist der subjektive Faktor der entscheidendste von allen. Der Aufbau der revolutionären Führung, der Kader, die uns diesen Einfluss ermöglichen werden, ist die entscheidende Aufgabe.
  19. Die seriösesten Berichte des Kapitals warnen vor der gleichen Perspektive, auf die wir Marxisten uns vorbereiten, und fordern die Regierungen zum Handeln auf. Ein Artikel in der Tageszeitung El Pais mit dem Titel „Wut bedroht den wirtschaftlichen Aufschwung“ enthält eine detaillierte Analyse der Ausbrüche, die die Welt erschüttern, und der Zukunft.[80] Sie zitieren einen Bericht des Institute for Economics & Peace, einem think tank mit Sitz in Sydney, Australien, der feststellt, dass Massendemonstrationen, Unruhen und Aufstände in den letzten zehn Jahren um 251% zugenommen haben. Allein in diesen anderthalb Jahren der Pandemie gab es ihm zufolge 5.000 Zusammenstöße in 158 Ländern.
  20. „Diese Situation kann nicht lange andauern, ohne dass es zu massiven sozialen Spannungen und zivilen Unruhen kommt. In der Tat wird der perfekte Sturm, den wir gerade zu spüren bekommen, bald noch mehr soziale und politische Instabilität mit sich bringen. Anstatt eine fortschrittliche und transformative Agenda voranzutreiben, könnte dies zu ethnischen, rassistischen und anderen Formen von Gewalt und Chaos führen.“ Dies sind die Worte von Jayati Ghosh, einer Wirtschaftswissenschaftlerin und Professorin an der Universität von Amherst in Massachusetts (USA), die in dem oben genannten Artikel zitiert wird.
  21. Die Frage ist jedoch, wer die fortschrittliche und transformative Agenda vorantreiben wird: die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften, die die Bollwerke der nationalen Einheit sind, oder die neue reformistische Linke, die kapituliert hat?
  22. Der Aufbau der Kräfte des Marxismus, unserer embryonalen Internationale, steht unter Druck aller Art. Aber in diesen anderthalb Jahren haben wir deutlich gemacht, dass wir bereit sind, ihnen mit Beharrlichkeit zu widerstehen. Erstens durch das Verständnis des objektiven Prozesses der Zersetzung des Kapitalismus und die Schaffung theoretischer Klarheit über die komplexen Phänomene der Konjunktur. Zweitens, indem wir uns energisch und mit Augenmaß an der Massenbewegung orientieren und in ihr ein klassenbezogenes, internationalistisches und revolutionäres Programm ohne Sektierertum und auf der Grundlage der Einheitsfrontpolitik verteidigen.
  23. Die Kunst des Parteiaufbaus besteht darin, einer lebendigen Bewegung, die unvollkommen und voller Widersprüche ist, mit einem Programm, richtigen Slogans und Taktiken zu begegnen. Und letzteres ist mit einer rein propagandistischen Position nicht zu erreichen. Die Theorie muss von einer konkreten Praxis begleitet werden, mit Elementen die modifiziert, korrigiert und an den Rhythmus des Klassenkampfes angepasst werden können. Ob in der Arbeiterbewegung, unter der Jugend, im feministischen Kampf oder in der nationalen Frage, wir haben feststellen können, dass diese Methode funktioniert und diejenige ist, die wir brauchen, um voranzukommen.
  24. Wir bauen eine revolutionäre Partei genau in dem Moment auf, in dem die Erfahrungen des neuen linken Reformismus zusammenbrechen. Es ist unvermeidlich, dass wir Druck von verschiedenen Seiten ausgesetzt sind. Die Atmosphäre, in der die Ideen des Marxismus erklärt werden können, ist viel klarer, die Krise des Kapitalismus ist so heftig, dass Ideen wie die Verstaatlichung der strategischen Sektoren der Wirtschaft viel eher akzeptiert werden. Genauso wie unsere Position zum Klassencharakter des Staates viel verständlicher ist.
  25. Enttäuschte Illusionen bedeuten aber auch, dass unter Tausenden von Aktivisten weiterhin Verwirrung darüber herrscht, was Marxismus wirklich ist, und dass das Gefühl der Ablehnung der „Parteien und Gewerkschaften“ – eine Folge ihres ständigen Verrats – die Vorurteile des Kleinbürgertums verstärkt.
  26. Die Bedeutung der politischen Bildung der Kämpfer, der Ausbildung der Kader und der Führung ist in dieser Phase entscheidend. Wenn wir in der Lage sind, eine solide Basis von Arbeiter- und Jugendkadern zu konsolidieren, und wenn wir unsere Positionen in der Massenbewegung beibehalten, können wir in den nächsten Jahren ein explosives Wachstum erleben. Bei der Aufgabe, zu wachsen, hat Qualität immer noch Vorrang vor Quantität.
  27. Die Arbeit mit Arbeiterinnen und der Jugend ist einer der wichtigsten Schlüssel in dieser Zeit. Trotzki hat dies zu einem ebenso bedeutsamen historischen Zeitpunkt im Übergangsprogramm betont:

             „Die IV. Internationale wendet der jungen Generation des Proletariats besondere Aufmerksamkeit zu. In ihrer ganzen Politik bemüht sie sich darum, das Vertrauen der Jugend in ihre eigenen Kräfte und in ihre Zukunft zu erwecken. Nur die frische Begeisterung und die Angriffslust der Jugend können die ersten Erfolge im Kampf sichern; nur diese Erfolge können die besten Elemente der alten Generation auf den Weg der Revolution zurückkehren lassen. So war es bisher und so wird es immer sein.

Alle opportunistischen Organisationen kon- zentrieren ihrer Natur nach ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die oberen Schichten der Arbeiterklasse und ignorieren demzufolge die Jugend genauso wie die werktätigen Frauen. Nun versetzt aber die Epoche des kapitalistischen Zerfalls der Frau die härtesten Schläge – als Arbeiterin wie als Hausfrau. Die Sektionen der IV. Internationale müssen bei den unterdrücktesten Schichten der Arbeiterklasse und demnach bei den werktätigen Frauen Unterstützung suchen. Sie werden dort unerschöpfliche Quellen der Ergebenheit, der Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft finden.

Nieder mit Bürokratismus und Karriere- machertum! Macht den Weg frei für die Jugend! Macht den Weg frei für die werktätigen Frauen! Das sind die Losungen, die auf dem Banner der IV. Internationale stehen.“[81]

  1. Die Partei ist das Gedächtnis der Arbeiterklasse. Indem wir die Ideen, Methoden und Traditionen früherer revolutionärer Generationen übernehmen, indem wir Sektierertum, Ultralinkstum und die Gefahren opportunistischer Anpassung ablehnen und indem wir unsere Entschlossenheit zur Überwindung von Schwierigkeiten stärken, werden wir unserem Ziel näherkommen. „Eine wirklich revolutionäre Führung kann erst dann herangezogen werden, wenn sie den Charakter unserer Epoche als Epoche jäher Veränderungen und schroffer Wendungen begreift. […] Führen heißt voraussehen!“[82]

 

 

Endnoten

[1] Weitere Informationen zu diesem Abschnitt in den Erklärungen und Artikeln der Internationalen:

https://offensiv.net/index.php/international/naher-osten/imperialistisches-debakel-in-afghanistan-ein-von-den-demokratischen-maechten-verwuestetes-land

https://offensiv.net/index.php/international/naher-osten/der-us-imperialismus-in-afghanistan-demuetigend-besiegt-die-taliban-kehren-an-die-macht-zurueck

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/mujer/12780-la-hipocresia-imperialista-y-la-opresion-de-la-mujer-afgana

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/oriente-medio/12774-pedro-sanchez-al-servicio-de-joe-biden-en-el-desastre-afgano

https://offensiv.net/index.php/international/naher-osten/der-us-imperialismus-in-afghanistan-demuetigend-besiegt-die-taliban-kehren-an-die-macht-zurueck

 

[2] Indische Soldaten des Mogulreiches, die später für die Ostindien-Kompanie und die British Indian Army kämpften und nach dem Vorbild der britischen Armee ausgebildet wurden. Gemeint sind hier heimische Soldaten, die im Interesse der Kolonialmacht kämpfen wie die Sepoys für Großbritannien und Frankreich (Anm. d. Ü.)

[3] Weitere Informationen zu diesem Abschnitt in den Erklärungen und Artikeln der Internationalen:

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/oriente-medio/12464-claves-para-entender-el-gran-juego-de-oriente-medio

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/oriente-medio/12286-una-oleada-de-huelgas-recorre-iran

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/oriente-medio/11950-oriente-medio-la-ruptura-del-equilibrio-capitalista-y-la-lucha-de-clases

[4] https://elordenmundial.com/pakistan-joya-corona-nueva-ruta-seda-china-geopolitica/

[5] https://offensiv.net/index.php/international/asien/myanmars-militaerjunta-greift-zu-brutaler-unterdrueckung-doch-der-widerstand-der-bevoelkerung-geht-weiter

 https://offensiv.net/index.php/international/asien/aufstand-gegen-militaerputsch-in-myanmar

[6] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/africa/12704-argelia-el-boicot-electoral-y-el-resurgimiento-de-la-movilizacion-popular-derrotan-los-planes-del-regimen

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/africa/11900-crisis-revolucionaria-en-argelia-las-masas-boicotean-las-elecciones-presidenciales-con-manifestaciones-masivas

[7] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/oriente-medio/12246-revolucion-en-libano-por-la-federacion-socialista-de-oriente-medio  

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/oriente-medio/12209-las-movilizaciones-resurgen-en-libano-frente-al-colapso-economico

https://offensiv.net/index.php/international/naher-osten/massenaufstand-im-irak

[8] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/oriente-medio/12654-israel-bombardea-gaza-y-las-masas-se-levantan-contra-la-ocupacion-abajo-el-estado-capitalista-sionista

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/oriente-medio/12637-millones-en-todo-el-mundo-en-apoyo-al-pueblo-palestino-hay-que-parar-la-masacre

https://offensiv.net/index.php/international/naher-osten/israel-startet-eine-brutale-militaeroperation-gegen-das-palaestinensische-volk

[9] https://offensiv.net/index.php/international/lateinamerika/chile-linksruck-bei-den-wahlen-zur-konstituierenden-versammlung

https://offensiv.net/index.php/international/lateinamerika/die-chilenische-revolution-die-verfassunggebende-versammlung-und-der-kampf-fuer-den-sozialismus-fragen-der-marxistischen-taktik-und-politik

https://offensiv.net/index.php/international/lateinamerika/der-kolumbianische-generalstreik-ein-historischer-schlag-gegen-die-oligarchen-nieder-mit-duque-und-seiner-reaktionaeren-politik

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/america-latina/12632-colombia-abajo-el-gobierno-asesino-de-duque-el-paro-nacional-se-transforma-en-una-crisis-revolucionaria

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/america-latina/12617-colombia-el-levantamiento-de-masas-obliga-al-ultraderechista-duque-a-retroceder-ahora-continuar-la-lucha-hasta-derribar-a-este-asesino

[10] „Offener Rat“ – spezifische Form kommunaler und Nachbarschaftsversammlungen in der hispano-amerikanischen Kulturregion (Anm. d. Ü.)

[11] So viel wie „Erste Reihen / Verteidigungslinien“ bei Protesten in Kolumbien, die aufgebaut wurden, um die Angriffe der mobilen Aufstandsbekämpfungseinheiten Esmad abzuwehren (Anm. d. Ü.)

[12] https://offensiv.net/index.php/international/lateinamerika/pedro-castillo-wird-als-praesident-von-peru-vereidigt

https://offensiv.net/index.php/international/lateinamerika/peru-die-massen-lassen-castillo-siegen

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/america-latina/12570-primera-vuelta-electoral-en-peru-la-inesperada-victoria-de-castillo-un-golpe-a-la-oligarquia

[13] https://offensiv.net/index.php/international/lateinamerika/brasilien-krise-des-bolsonarismus-die-rueckkehr-von-lula-und-massenmobilisierungen

[14] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/america-latina/12685-elecciones-2021-en-mexico-el-giro-a-la-izquierda-de-las-masas-continua-pero-las-concesiones-a-la-derecha-se-cobran-en-la-capital

https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/america-latina/12357-victoria-aplastante-del-mas-en-bolivia

[15] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/america-latina/12456-venezuela-las-nuevas-medidas-del-gobierno-significan-mas-beneficios-para-los-capitalistas-y-mas-sufrimiento-para-los-trabajadores-y-el-pueblo

[16] https://offensiv.net/index.php/international/lateinamerika/kuba-im-auge-des-sturms-verteidigt-die-errungenschaften-der-revolution-gegen-die-imperialistische-blockade-und-die-prokapitalistische-agenda

https://offensiv.net/index.php/international/lateinamerika/perspektiven-fuer-kuba-die-debatte-ueber-den-sozialismus-und-die-ungleichheit

[17] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/asia/12457-una-conspiracion-de-silencio-el-desafio-de-china-en-tiempos-de-pandemia

[18] FRANÇOIS CHESNAIS La originalidad absoluta de la crisis sanitaria y económica mundial http://alencontre.org/economie/loriginalite-absolue-de-la-crise-sanitaire-et-economique-mondiale-du-covid-19.html

[19] Im Januar 2021 kam es zu einem ersten Ausbruch, der mit knapp 2.000 Infektionen endete und den ersten Todesfall durch Covid19 seit dem 17. Mai 2020 zur Folge hatte. Am 7. Januar 2021 wurde die chinesische Stadt Shijiazhuang mit ihren 11 Millionen Einwohnern unter Quarantäne gestellt, nachdem 117 Infektionen festgestellt worden waren. In den ersten 24 Stunden wurden mehr als 6 Millionen PCR-Tests durchgeführt und 40% davon ausgewertet, der Unterricht wurde ausgesetzt und Bahnhöfe, Busse und Flughäfen wurden geschlossen.

[20] https://www.lavanguardia.com/internacional/vanguardia-dossier/revista/20210812/7570796/trabas-occidente-responder-desafio-china.html

[21] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/asia/12645-pandemia-en-la-india-caos-devastacion-y-barbarie-capitalista

[22] In einem seiner jüngsten Berichte hat der Atlantic Council (ein 1961 gegründeter amerikanischer think tank) die Krise auf dem Halbleitermarkt wie folgt beschrieben: „Die jüngste Verknappung von Halbleitern war ein Weckruf für die US-Wirtschaft, als die politischen Entscheidungsträger in den USA erkannten, dass etwa 75 Prozent der weltweiten Halbleiterproduktion in China und einigen anderen ostasiatischen Ländern stattfindet. Darüber hinaus befinden sich mehr als 90 Prozent der weltweit fortschrittlichsten Halbleiterkapazitäten in einem Land – Taiwan – dessen Souveränität häufig von China bedroht wird. Dies hat die Europäische Union und die Vereinigten Staaten dazu veranlasst, ernsthaft über den Ausbau ihrer Halbleiterproduktionskapazitäten nachzudenken. Ein Bericht der Boston Consulting Group unterstreicht die Notwendigkeit staatlicher Anreize zur Förderung privater Investitionen in die Halbleiterindustrie. Der Bericht schätzt, dass 50 Milliarden Dollar an staatlich finanzierten Anreizprogrammen über die nächsten zehn Jahre ein guter Ausgangspunkt für die US-Regierung wären, um die Vereinigten Staaten allmählich wieder „als attraktiven Standort für die Herstellung fortschrittlicher Halbleiter“ zu etablieren.”.“ (https://www.atlanticcouncil.org/blogs/foreign-direct-investment-a-new-strategy-for-the-united-states/)

[23] https://www.lavanguardia.com/internacional/vanguardia-dossier/revista/20210812/7570796/trabas-occidente-responder-desafio-china.html

[24] Ein Analyst mit Verbindungen zur chinesischen Regierung erklärte in der Global Times: „Der Staat kann nicht zulassen, dass [Technologieunternehmen] zu Gesetzgebern bei der Sammlung und Nutzung persönlicher Daten werden. Die Standards müssen in den Händen des Staates liegen, um sicherzustellen, dass diese Giganten bei der Sammlung persönlicher Daten Zurückhaltung üben. Insbesondere für Unternehmen wie Didi Chuxing, die in den Vereinigten Staaten börsennotiert sind und deren Haupt- und Nebenaktionäre allesamt ausländische Unternehmen sind, braucht das Land eine strenge Überwachung der Informationssicherheit... sowohl zur Wahrung der Sicherheit persönlicher Daten als auch zur Wahrung der nationalen Sicherheit“.

https://www.xataka.com/empresas-y-economia/china-se-pone-seria-sus-big-tech-asi-esta-aumentando-presion-gobierno-chino-sus-referentes-tecnologicos

[25] https://www.lavanguardia.com/economia/20181021/452454099592/distribucion-riqueza-china-clase-media-espana-informe-datos.html

[26]Alle Lohndaten stammen aus dem Global Wage Report 2018-2019 der International Labour Organization (ILO).

[27] „Das am höchsten verschuldete Immobilienunternehmen der Welt, Chinas Evergrande, bröckelt, ist mit Belastungen in Höhe von 305 Milliarden Dollar das weltweit am höchsten verschuldete Unternehmen seiner Branche und kämpft um seine Existenz. Angesichts der Befürchtungen, dass ein Konkurs den Sektor in den Abgrund reißen und schwerwiegende Folgen für die chinesische Wirtschaft haben könnte – das Baugewerbe ist eine seiner Säulen –, hat das Unternehmen in dieser Woche bereits zwei aufeinander folgende Herabstufungen seines Schuldenratings hinnehmen müssen (...) Das Unternehmen hat in diesem Jahr bisher rund 70% seines Wertes verloren. Im August sanken die Verkaufsverträge –  einschließlich derjenigen für Vermögenswerte, die den Lieferanten als Bezahlung angeboten wurden – im Vergleich zum Vorjahresmonat um 26% (...) Eine der großen Fragen im Zusammenhang mit der Situation des Immobilienunternehmens ist, wie die chinesische Regierung reagieren wird. Ob sie angesichts der Größe des Unternehmens und des möglichen 'Ansteckungseffekts' zur Rettung kommen wird oder ob sie sich dafür entscheiden wird, eine Gruppe ihrem Schicksal zu überlassen, die nach den Worten der Beratungsfirma Eurasia Group 'das berüchtigte Beispiel für unverantwortliches Schuldenmanagement und schlechtes Verhalten auf dem Immobilienmarkt' ist...“. El País

https://elpais.com/economia/2021-09-09/la-inmobiliaria-mas-endeudada-del-mundo-la-china-evergrande-se-desmorona.html

[28] https://www.metalbulletin.com/Article/3991997/G7-criticizes-subsidies-driving-overcapacity-in-steel-aluminium.html

[29] https://www.arcus-global.com/wp/pandemia-ocasiona-sobreproduccion-de-acero-en-el-mundo/

[30] W. I. Lenin: „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. In: W. I. Lenin: Werke, Bd. 22, S.257.

[31] Das Weiße Haus hat einen eindringlichen Bericht über die Schwächen der Lieferketten in den USA veröffentlicht:  https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2021/06/100-day-supply-chain-review-report.pdf?utm_source=sfmc%E2%8 0%8B&utm_medium=email%E2%80%8B&utm _campaign=20210610_Global_Manufacturing_ Economic_Update_June_Members

[32] https://www.lavanguardia.com/economia/20210111/6179733/sudeste-asiatico-china-asia-comercio-asean.html

[33] So wird beispielsweise der Bergbausektor im subsaharischen Afrika stark von chinesischen Unternehmen dominiert, und Kobalt ist ein besonders anschauliches Beispiel dafür. Nach Angaben des US-Büros für Energieeffizienz und erneuerbare Energien stellt Kobalt das größte Risiko in der Materiallieferkette für Lithium-Ionen-Batterien und Elektrofahrzeuge in den Vereinigten Staaten dar. Die strategische Bedeutung von Kobalt und anderen kritischen Materialien, die für Lithium-Ionen-Batterien benötigt werden, für die US-Wirtschaft wird in einem kürzlich erschienenen Bericht des Weißen Hauses über die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette hervorgehoben, der sich zu einem Viertel mit Hochleistungsbatterien befasst. Während Chinas Präsenz im Kobaltbergbau der Demokratischen Republik Kongo mit 40-50% chinesischer Beteiligung zugenommen hat, waren die Vereinigten Staaten weitgehend abwesend, was die langfristige Widerstandsfähigkeit der US-Industrie gefährdet, die auf Lithium-Ionen-Batterien angewiesen ist, insbesondere die Elektrofahrzeuge und die Industrie für erneuerbare Energien, die im Zuge der Bemühungen, die US-Wirtschaft umweltfreundlicher zu gestalten, immer wichtiger werden. (https://www.atlanticcouncil.org/blogs/foreign-direct-investment-a-new-strategy-for-the-united-states/)

[34] In China werden zwei Drittel der weltweiten Photovoltaikmodule hergestellt, in den USA dagegen nur 3 %.

[35] https://www.dw.com/es/c%C3%B3mo-la-miner%C3%ADa-china-domina-el-mercado-de-las-materias-primas-cr%C3%ADticas/a-57255472

[36] https://www.worldenergytrade.com/oil-gas/refinacion/china-supera-a-estados-unidos-y-se-convierte-en-el-mayor-refinador-del-mundo

[37] https://cincodias.elpais.com/cincodias/2021/07/26/opinion/1627295690_844975.html

[38] https://www.bbc.com/mundo/noticias-internacional-57423188

[39] https://blog.realinstitutoelcano.org/el-plan-de-infraestructuras-de-biden-que-como-porque-y-contra-quien/

https://www.atlanticcouncil.org/blogs/foreign-direct-investment-a-new-strategy-for-the-united-states/

[40] Eine ausführlichere Analyse der US-Präsidentschaftswahlen findet sich in der Erklärung der Internationalen: https://offensiv.net/index.php/international/usa/trump-verliert-historische-wahlen-der-kampf-der-massen-hat-das-bewirkt-trotz-biden-und-des-demokratischen-establishments

[41] Für eine detailliertere Analyse des Trumpismus, seiner Gemeinsamkeiten mit dem Faschismus und des Charakters des Putsches vom 6. Januar, siehe die Erklärungen der Internationalen:

https://offensiv.net/index.php/international/usa/die-usa-im-auge-des-sturms-trumpismus-klassenkampf-und-imperialistische-dekadenz

https://offensiv.net/index.php/international/usa/putschversuch-in-den-usa-die-arbeiterklasse-hat-die-kraft-trump-und-seinen-faschistischen-abschaum-hinwegzufegen

[42] https://elpais.com/internacional/2021-08-25/leyes-conservadoras-sobre-el-aborto-los-derechos-transgenero-o-la-ensenanza-se-abren-paso-en-estados-unidos.html

[43] https://elpais.com/economia/2021-09-18/el-cisne-negro-que-se-alio-con-el-brexit-los-precios-del-gas-agravan-el-desabastecimiento-en-el-reino-unido.html

[44] Ein Begriff der in Spanien für die Akteure der EU-Institutionen insbesondere der Troika, die den Sparkurs durchsetzen, verwendet wird. (Anm. d. Ü.)

[45] Arbeitsrechtliche Option auf zeitlich befristete Aussetzung von Arbeitsverträgen, ähnlich Kurzarbeit (Anm. d. Ü.)

[46] https://www.bancomundial.org/es/news/feature/2021/06/08/the-global-economy-on-track-for-strong-but-uneven-growth-as-covid-19-still-weighs

[47] In Asien, dem bevölkerungsreichsten Kontinent der Welt, verläuft der Prozess der vollständigen Impfung, abgesehen von China, sehr langsam. In Indien haben nur 10,1% der Bevölkerung die volle Dosis erhalten, in Thailand 11,2% und in Indonesien 13,1%. In Lateinamerika haben Mexiko und Brasilien, die bevölkerungsreichsten Länder des Kontinents, nur 26,3% bzw. 28,9% das volle Programm verabreicht. Im Falle Afrikas ist die Situation dramatisch: nur 1,8% der Bevölkerung haben den vollständigen Impfschutz.

[48] https://www.weforum.org/agenda/2021/06/impact-climate-change-global-gdp/  

Dieselbe Institution schätzt, dass die versicherten Schäden aus Naturkatastrophen allein in der ersten Jahreshälfte, ohne die Katastrophen dieses Sommers, einen Rekordwert von 42 Milliarden Dollar erreicht haben.

https://www.swissre.com/news-release/Severe-weather-events-drive-global-insured-catastrophe-losses-of-USD-42-billion-in-first-half-of-2021-Swiss-Re-Institute-estimates/c10d0aca-9cf6-4631-86e8-1e57f8dd5bc7

[49] Globaler Arbeitgeber im Bankwesen.

[50] https://elpais.com/economia/2021-05-14/la-deuda-mundial-cae-ligeramente-tras-dos-anos-y-medio-de-escalada-ininterrumpida.html

[51] https://elpais.com/economia/2021-02-18/la-deuda-global-alcanza-un-nuevo-record-por-el-impacto-de-la-pandemia.html

[52] „CARES Act“, Anm. d. Ü.

[53] https://ctxt.es/es/20210701/Politica/36593/rescate-neoliberalismo-intervenciones-publicas-libre-mercado-Robert-Pollin-Gerald-Epstein-Boston-Review.htm

[54] https://www.caixabankresearch.com/es/economia-y-mercados/mercados-financieros/quo-vadis-deuda-china

[55] Eine internationale Einrichtung, die die Effizienz und Stabilität des internationalen Finanzsystems gewährleisten soll. Es wurde im Anschluss an den G20-Gipfel in London als Nachfolger des Forums für Finanzstabilität eingerichtet.

[56] https://www.fsb.org/2020/12/global-monitoring-report-on-non-bank-financial-intermediation-2020/

[57] Die CLOs, die den Subprime-Krediten und CDOs ähneln, die 2007 den Finanzcrash auslösten, sind auf 1 Billion Dollar angewachsen (700 Milliarden Dollar in den Händen von US-Finanzinstituten). Die EU selbst drängt auf Gesetzesänderungen, um einen Markt für faule Kredite zu schaffen, der angesichts der Pandemie bis 2022 ein Volumen von 1,4 Billionen Euro erreichen könnte: „Ziel der neuen Vorschriften ist es, die Entwicklung des Sekundärmarktes für faule Kredite in der EU zu unterstützen, um den Banken die Möglichkeit zu geben, ihre Bilanzen von „faulen Krediten“ zu bereinigen und gleichzeitig sicherzustellen, dass der Verkauf die Rechte der Kreditnehmer nicht beeinträchtigt“.

[58] https://www.eleconomista.es/mercados-cotizaciones/noticias/11360854/08/21/-La-recompra-de-726000-millones-de-dolares-en-acciones-impulsara-al-SP-500-hasta-los-4700-puntos.html

[59] W. I. Lenin: „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. In: W. I. Lenin: Werke, Bd. 22, S.211.

[60] BlackRock, die weltgrößte Investmentgesellschaft, hat sein Vermögen während der Pandemie um 1,2 Billionen Dollar auf den Rekordwert von 9,5 Billionen Dollar gesteigert, was dem BIP der USA und Chinas entspricht. Der Fonds verfügt über eine eigene Risikoanalyse-Software namens Aladdin, die ein Vermögen von mehr als 21,6 Billionen Dollar verwaltet. Die drei großen Investmentfonds der Welt, BlackRock, Vanguard und State Street, kontrollieren 20% der Wall Street und sind die größten Aktionäre von 40% aller US-Unternehmen. Sie besitzen auch 20,16% von Pfizer und 21,23% von Johnson& Johnson; BlackRock ist mit 7,69% der größte Aktionär von AstraZeneca.

[61] Die Zeitschrift Nature hat in einer kürzlich erschienenen Studie über den Klimawandel bestätigt, wie sehr sich die natürlichen Ressourcen des Planeten, ob in der Landwirtschaft, bei Mineralien, in der Pharmaindustrie oder in anderen Bereichen, in den Händen einer kleinen Handvoll großer Monopole konzentriert haben. Die durch die Pandemie ausgelöste Krise treibt diese Konzentration noch weiter voran. Dem Bericht zufolge kontrollieren vier multinationale Unternehmen 84% des Pestizidmarktes, zehn kontrollieren 56% des Düngemittelmarktes, zehn kontrollieren 83% des Marktes für Tierarzneimittel und nur drei Unternehmen kontrollieren 60% des Saatgutmarktes. Im Bergbausektor entfallen auf fünf multinationale Unternehmen 91%, 88% und 62% der weltweiten Platin-, Palladium- und Kobaltproduktion und auf zehn multinationale Unternehmen 64%, 52%, 50% und 45% der Nickel-, Eisen-, Kupfer- und Zinkproduktion sowie 34% und 30% der Silber- und Goldproduktion. Ein Dutzend multinationaler Unternehmen verfügt über 72% der Öl- und 51% der Gasreserven, während andere 30% des weltweiten Zements herstellen. Auf zehn Länder entfallen außerdem 25% der weltweiten Papier- und Kartonproduktion, und auf dreizehn Länder entfallen 11-16% der weltweiten Fischerei und 20-40% der Fischbestände. Fünf multinationale Unternehmen kontrollieren 90% des weltweiten Palmölhandels, drei weitere 60% der Kakaoproduktion, zehn 40% der Kaffeeproduktion, acht 54% der Sojaproduktion, drei 42% der Bananenproduktion und fünf 48% der Lachsproduktion.

[62] Im Jahr 2020 wählte die EU-Kommission BlackRock als Hauptberater für die Einbeziehung „grüner und sozialer“ Kriterien in die Finanzwirtschaft, d. h., sie soll eine entscheidende Rolle bei der Verteilung der europäischen Fonds spielen.

[63] W. I. Lenin: „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. In: W. I. Lenin: Werke, Bd. 22, S.221.

[64] Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, Anm. d. Ü.

[65]https://wwfes.awsassets.panda.org/downloads/wwf_uk__driven_to_waste___the_global_impact_of_food_loss_and_waste_on_farms.pdf

[66] Trotz der historischen Stahlproduktion beklagen sich die Automobilhersteller in der EU über den Mangel an Stahl. 50% der Stahlproduktion liegt in den Händen Chinas, und dennoch gibt es Zollschranken für chinesischen Stahl. Die Automobilindustrie warnt: „Wir kaufen 90 % unseres Stahls in der EU, und wir sind sehr engagiert, unseren Beitrag zu leisten, aber wenn wir den Rohstoff nicht finden können und er teuer ist, sollten wir ihn aus anderen Ländern beziehen können.“

[67] Ein solch starker Anstieg der Nachfrage zieht zwangsläufig einen starken Preisanstieg nach sich, der durch die monopolistische Kontrolle von Schlüsselsektoren des Welthandels noch verschärft wird. Der Fall des Seeverkehrs ist sehr aufschlussreich.

Achtzig Prozent der weltweit verbrauchten Waren erreichen ihr Ziel auf dem Seeweg. Auf fünf Reedereien entfallen 65% der Containerschiffkapazitäten. Spitzenreiter ist Maersk mit einem Anteil von 17% und einer Transportkapazität von 4.247.540 Containern an Bord ihrer 731 Schiffen, zu denen in den kommenden Jahren 26 weitere hinzukommen werden (https://www.lavanguardia.com/economia/20211031/7829022/comercio-mundial-duenos-navieras-portacontenderos-crisis.html ).

Der Anstieg der Containerpreise hängt mit dieser Dominanz der Monopole und dem rasanten Anstieg der Nachfrage zusammen: Nach Angaben von Container Trade Statistics lagen die kommerziellen Verschiffungen aus Asien in die USA im Zeitraum Januar bis August 2021 um 25% höher als im gleichen Zeitraum 2019. Die Entladekapazitäten in den großen Häfen der Welt wurden durch die ständigen Umstellungen eingeschränkt, die die Entlassung Tausender Arbeiter und die Anpassung der Arbeitsabläufe an die Just-in-Time-Lieferketten mit sich brachten. Die Kapazität zur Bewältigung von Ausnahmesituationen, wie wir sie derzeit erleben, ist erheblich reduziert worden, was die Bilder von Dutzenden Containerschiffen erklärt, die in den Häfen von Singapur und San Francisco Schlange stehen.

Das Gleiche gilt für den Straßenverkehr, wo die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die übermäßige Ausbeutung zu einer Überalterung der Belegschaft und einem Mangel an Arbeitskräften geführt haben, was sich nun besonders negativ auswirkt.

[68] Laut der Verbraucherumfrage der Europäischen Kommission (EK) sind die 600 Milliarden Euro, die die Haushalte 2020 „zurückgehalten haben“, sehr ungleich verteilt, sowohl was das Einkommen als auch das Alter betrifft. Diese Ungleichheit wird verhindern, dass der Konsum so stark aufdreht wie sich erhofft wird: „Die Verbraucher im obersten Viertel haben einen starken Anstieg in den Ersparnissen verzeichnet, was darauf hindeutet, dass ihr Einkommensniveau weitestgehend geschützt war, während der Konsum aufgrund geringerer Ausgabemöglichkeiten während der Lockdowns zurückging. Im Gegensatz dazu haben die unteren Einkommensgruppen nur einen sehr begrenzten Anstieg der Ersparnisse zu verzeichnen gehabt.“ (https://www.eleconomista.es/economia/noticias/11172761/04/21/El-exceso-de-ahorro-no-saldra-al-rescate-de-la-economia-porque-se-concentra-en-los-bolsillos-que-ya-estaban-llenos.html).

[69] https://www.businessinsider.es/multimillonarios-incrementan-riqueza-durante-pandemia-914043

[70] https://blogs.worldbank.org/es/datos/ultimas-estimaciones-del-impacto-de-la-covid-19-coronavirus-en-la-pobreza-mundial-repaso

[71] https://offensiv.net/index.php/international/usa/biden-und-die-g7-verkaufen-ihre-neugruendung-des-kapitalismus-und-die-reformistische-linke-kauft-willig-ihre-luegen

[72] Die Niederlande sind das wichtigste Ziel für die Verlagerung von Unternehmensgewinnen, die sich auf 134 Milliarden Euro (140,896 Milliarden Dollar) belaufen, was mehr als 10% des BIP des Landes entspricht.

[73] https://www.elsaltodiario.com/comision-europea/comision-europea-prepara-tribunal-blindar-privilegios-inversores-

[74] Der durchschnittliche Unternehmenssteuersatz in der OECD ist seit Jahrzehnten rückläufig, von 45% im Jahr 1980 auf heute 23,3%. Es ist daher ein völliger Hohn, dass die große Errungenschaft dieser Steuergerechtigkeit darin besteht, einen globalen Körperschaftssteuersatz von 15% einzuführen...! Von den 36 OECD-Ländern haben nur 3 Länder Quoten unter 15% (Irland 12,5 %, Ungarn 9 % und die Schweiz 8,5 %).

Milliardäre und multinationale Unternehmen stützen sich auf einen umfangreichen finanziellen und rechtlichen Rahmen, der es ihnen in einigen Fällen ermöglicht, bis zu 100% ihrer Steuern zu hinterziehen. Das jüngste Bekanntwerden der Steuerdaten zahlreicher US-Magnaten hat deutlich gemacht, wie weit sie es gebracht haben. Die 25 reichsten Amerikaner der Welt haben laut Forbes ihr Vermögen zwischen 2014 und 2018 um 401 Mrd. USD erhöht, aber nur 13,6 Mrd. USD oder 3,4% gezahlt. Warren Buffett zahlte 0,10% Steuern, Jeff Bezos 0,98% und Michael Bloomberg 1,10%.

[75] Der IAO-Bericht kommt zu dem Schluss, dass im Jahr 2020 255 Millionen Vollzeitarbeitsplätze vernichtet werden, im Jahr 2021 weitere 100 Millionen und im Jahr 2022 weitere 26 Millionen.

[76] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/estado-espanol/general/12744-hace-falta-un-nuevo-comienzo

[77] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/africa/11782-revolucion-y-contrarrevolucion-en-sudan

[78] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/africa/12374-el-pueblo-nigeriano-se-levanta-contra-el-gobierno-de-buhari

[79] https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/internacional/africa/12092-africa-la-pandemia-amenaza-millones-de-vidas-y-abre-un-periodo-de-enormes-batallas-en-la-lucha-de-clases

[80] https://elpais.com/economia/2021-09-12/la-ira-amenaza-la-recuperacion-economica.html

[81] Leo Trotzki, 1997: „Das Übergangsprogramm”, Essen: Arbeiterpresse, S. 130f. 

[82] Leo Trotzki, 1993: „Die III. Internationale nach Lenin“. Essen: Arbeiterpresse, S. 257.

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